Strafzumessung im engeren Sinne

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Ist ein Angeklagter nach Ansicht des Gerichts schuldig, so ist damit noch nicht gesagt, wie die Richter dann das Verfahren zum Abschluss bringen. Die Strafbestimmungen setzen nämlich nur einen Strafrahmen fest, nicht eine genau bestimmte punktuelle Strafe. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen und so zu der punktuellen Strafe zu gelangen, die er in dem jeweiligen Einzelfall verhängen will. So kann es vorkommen, dass bei gleich lautenden Vorwürfen die festgesetzte Strafe ganz unterschiedlich ausfällt.

Der § 46 Abs. 1 StGB betrifft die Strafzumessung im engeren Sinne. Grundlagen der Strafzumessung sind in erster Linie die Schwere der Tat sowie der Grad der persönlichen Schuld des Täters.

Das Gericht hat weiterhin bei der konkreten Strafbemessung die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind. Damit sind die Auswirkungen der Bestrafung im weiten Sinne zu verstehen. Die Strafe darf nicht zu einer Entsozialisierung des Täters führen.

Die Strafzumessung verläuft in verschiedenen Stufen. Dem erkennenden Gericht ist nicht freigestellt, welche Kriterien des § 46 StGB er in dem zu entscheidenden Fall zuerkennt. Die Zumessung im engeren Sinne ist die Bestimmung der konkreten Strafe für den jeweiligen Einzelfall, die auf einer Gesamtbetrachtung vom Tatgeschehen sowie der Persönlichkeit des Täters beruht.

Ausgangspunkt der Strafzumessung im engeren Sinne im Erwachsenenstrafrecht ist die gesetzliche Strafdrohung. Den Normen des StGB ist zunächst der Strafrahmen zu entnehmen. Dieser gibt sowohl die Mindeststrafe als auch die Höchststrafe für den jeweiligen Tatbestand vor.

Die in § 46 Abs. 2 StGB beispielhaft genannten Strafzumessungstatsachen bilden die Grundlagen für die Zumessung. Die in Abs. 2 S. 2 sind jedoch nicht in jedem Fall von Bedeutung und können sich auch teilweise überschneiden. Ihre Gewichtung hängt vom jeweiligen Einzelfall und ihrem Zusammenwirken ab.

Die in § 46 Abs. 2 S. 2 genannten Kriterien sind keinesfalls abschließend. Zum einen umreißen sie die Beziehung des Täters zur Tat, zu anderen die jeweiligen Umstände der Tat sowie die außerhalb der Tat liegenden Zumessungstatsachen. Dem Gesichtspunkt der kriminellen Energie kommt im Rahmen der Strafzumessung ein großes Gewicht zu.

Im Hinblick auf die Beweggründe der Tat sind Spontantaten deutlich von Taten zu unterscheiden, die auf eine ungünstige, z. B. rechtsfeindliche oder gleichgültige Haltung zurückzuführen sind. Strafschärfend können hierbei Motive wie z. B. sittenwidrige Zwecke oder grob egoistische Beweggründe gewertet werden. Strafmildernd hingegen kann zum Beispiel eine notstandsähnliche Lage oder eine Suchtkrankheit bewertet werden (man kann hier z. B an die Beschaffungskriminalität im Rahmen von Eigentumsdelikten denken).

Ferner ist im Rahmen der Strafzumessung die Einzeltatgesinnung zu berücksichtigen. Zudem ist der bei der Tat aufgewendete Wille zu berücksichtigen. Hierbei ist insbesondere die im Hinblick auf die Tat hervorgetretene kriminelle Intensität zu beachten. Eine Spontantat ist anders zu werten als eine minutiös geplante und vorbereitete Tat.

Auch die Ziele und Vorstellungen des Täters im Hinblick auf die Tat sind zu werten.

Bei Taten, bei denen der Täter gegen besondere Rechtspflichten verstößt, ist auch das Maß der Pflichtwidrigkeit gesondert zu berücksichtigen.

Im Hinblick auf die Ausführung der Tat ist alles, was die Tat begleitet oder sie prägt, zu beachten. Ein außerhalb der Tat liegendes Verhalten darf in der Regel nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn Berührungspunkte zur Tat vorliegen und Rückschlüsse auf eine Steigerung der Tatschuld zulassen.

Weiterhin können die Folgen der Tat für das Opfer strafschärfend berücksichtigt werden. Nicht nur unmittelbare Tatfolgen sind hierbei zu berücksichtigen, sondern auch solche, die außerhalb der Tat liegen.

Es ist auch von Bedeutung, ob der Täter vorbestraft ist. Einschlägige Vorstrafen können zur Strafschärfung führen.

Zudem sind im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne die persönlichen Verhältnisse sowie das Nachtatverhalten des Täters zu würdigen.

Hat sich jemand z. B. nach der Tat beim Opfer entschuldigt, so kann dies strafmildernd berücksichtigt werden.

Auch kann das Verhalten des Angeklagten im gerichtlichen Verfahren seine Berücksichtigung finden. So kann sich z. B. ein Geständnis in einem umfangreichen Verfahren strafmildernd auswirken. Zudem ist die Verfahrensdauer zu berücksichtigen.

Der Richter hat sich bei der Überlegung, welche Strafe im jeweiligen Fall tat- und schuldangemessen ist, mit all diesen Umständen sorgfältig auseinanderzusetzen, um in dem gesetzlich vorgegeben Rahmen zu einer punktuellen Strafe zu finden.

So kann es passieren, dass gegen einen Angeklagten wegen einer einfachen Körperverletzung (§ 223 StGB) eine geringe Geldstrafe verhängt wird und gegen einen anderen Angeklagten hingegen eine Freiheitsstrafe festgesetzt wird.


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