„Stuttgart 21“ - Umbau des Bahnhofs steht dem urheberrechtlichen Änderungsverbot nicht entgegen.

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Eine im Rahmen des umstrittenen Projekts „Stuttgart 21" zu treffende Abwägungsentscheidung des OLG Stuttgart, Urteil vom 06.10.2010 - Az: 4 U 106/10 fiel zugunsten der Eigentümerinteressen aus, die gegenübergestellt mit den Urheberinteressen als schwerwiegender gelten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in seinem Beschluss vom November 2011 das OLG-Urteil bestätigt und die Revision dagegen nicht zugelassen.

[image]Hintergrund der Entscheidung war ein Rechtsstreit zwischen dem Erben des Architekten Paul Bonatz, der zu Lebzeiten maßgeblich für die Planung und Umsetzung, durch Entwurf von 1911, des Stuttgarter Hauptbahnhofs verantwortlich war und der Deutschen Bahn AG, die im Rahmen des Umbauprojekts „Stuttgart 21" bereits den Nordflügel abgerissen hatte und damit in das urheberrechtliche Bauerhaltungsinteresse (Urheberpersönlichkeitsrecht) des Architekten eingegriffen hatte.

Am Werkoriginal (hier: Bauwerk bzw. Bahnhofsgebäude) besteht nämlich ein so genanntes urheberrechtliches Änderungsverbot, das auch für den Eigentümer gilt, der grundsätzlich keine in ein fremdes Urheberrecht eingreifende bauliche Änderung an dem ihm gehörenden Bauwerk vornehmen darf. Der damalige Architekt hat ein Recht darauf, dass das von ihm geschaffene Werk in unveränderter Gestalt erhalten bleibt.

Die Stuttgarter OLG-Richter zweifelten zwar nicht an der Existenz des urheberrechtlichen Änderungsverbotes, sahen aber auch ein Bedürfnis des Eigentümers an der Veränderung des Bauwerks, was sich im Laufe der Zeit ergeben kann. Demzufolge „könne der Konflikt zwischen Urheberrecht und Eigentum nur durch eine Abwägung der jeweils betroffenen Interessen im konkreten Einzelfall zu lösen sein", so das OLG.

Maßgebliche Abwägungsfaktoren waren dabei zunächst der individuelle Schöpfungsgrad, der umso höher er ist, zu einem stärkeren Erhaltungsinteresse führe und der Gebrauchszweck sowie die bestimmungsgemäße Verwendung des Bauwerks, welche mit der Modernisierung und den wirtschaftlichen Gesichtspunkten verfolgt werden.

Die Richter maßen dem Stuttgarter Hauptbahnhof als Werk der Baukunst einen hohen Schöpfungsgrad bei. In der konkreten Abwägung überwog aber doch das Eigentümerinteresse der Deutschen Bahn AG und damit auch das Veränderungs- und Modernisierungsinteresse. Dieses Interesse, so das OLG Stuttgart, „sei bei dem 90 Jahre alten Bahnhofsgebäude als Zweck- und Verkehrsbau nur mit einem Teilabriss der Seitenflügel und Veränderung der Treppenanlagen zu erreichen." Im Vordergrund stehe auch die öffentliche Pflicht der Deutschen Bahn AG, der Allgemeinheit eine moderne Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Nach Auffassung des Verfassers, wieder einmal eine deutliche Entscheidung, dass sich im konkreten Einzelfall das Urheberpersönlichkeitsrecht an der Erhaltung von alten Werken der Baukunst wohl nicht gegen die Interessen von Modernisierung und Fortschritt durchzusetzen vermag.

Rechtsanwalt Marko Setzer

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