Täuschungsvorwürfe bei Online-Hochschul-Prüfungen

  • 5 Minuten Lesezeit

Schon immer waren Vorwürfe von Hochschulen oder anderen Prüfungsbehörden, einen Täuschungsversuch bei einer schriftlichen Prüfung begangen zu haben, Alltag in Prüfungen, und damit auch in den im Hochschulrecht tätigen Fachanwaltskanzleien wie der Kanzlei der Rechtsanwältin Schuback. Dabei war schon immer nicht einfach für den Prüfungsteilnehmer oder Prüfungsteilnehmerin, dem Vorwurf zu begegnen und diesen zu widerlegen. 

Zunehmend häufigere Online-Prüfungen seit Corona

Durch die Covid-Epidemie und das Verlagern von Hochschulunterricht von Präsenzlehre auf Home-Lehre via Internet verlagerten sich bekanntlich auch die Prüfungen, nicht nur bei den Hochschulen, sondern auch die bei Kammern und sonstigen Stellen, zunehmend bis zeitweise fast ausschließlich, auf Online-Prüfungen. Mittlerweile haben daher sowohl die Prüfungsausschüsse wie die Verwaltungsgerichte Erfahrungen in der Kontrolle der Identität des Prüfungsteilnehmers oder der Prüfungsteilnehmerin während der gesamten Prüfungsdauer, wie auch, dass keine nicht zugelassenen Hilfsmittel benutzt werden, und kennen inzwischen auch die Mehrzahl der gängigen Täuschungsversuche von Prüflingen.

Wie finden Online-Prüfungen statt? Wie wird die Identität und die Hilfsmittelfreiheit kontrolliert?

Bei Online-Prüfungen muss die Prüfungsstelle sicherstellen, dass die Identität des Prüflings kontrolliert ist und über die gesamte Prüfungszeitdauer hinweg besteht. Ebenso muss sie sicherstellen, dass nur die erlaubten Hilfsmittel verwendet werden und keine nicht zugelassenen, etwa Spickzettel/-unterlagen, Fachbücher und Skripte, oder Personen, die  im Hintergrund helfen. 

Die Kontrolle wird je Prüfungsstelle unterschiedlich durchgeführt. Jede Hochschule und sonstige Prüfungsstelle sichert dies ab durch Online-Kontrolle während der gesamten Dauer der Prüfungszeit. Zu Beginn muss stets eine Identitätskontrolle durch Vorzeigen des Personalausweis-Papieres in die Kamera erfolgen. Auch der Arbeitsplatz oder der gesamte Raum, in dem der Prüfling die Prüfung durchführt, wird vorher durch Kameraschwenken vorgezeigt.  Die Kontrolle der Identität des Prüflings während der gesamten Prüfungsdauer ist durch Kamera am Rechner auf den schreibenden und arbeitenden Prüfling zu sichern. Bei Prüfungstäuschungsvorwürfen ist es mithilfe des Kameraverlaufs überprüfbar, ob der Prüfling die gesamte Zeit an der Prüfung teilgenommen hat und wie er sie abgeleistet hat - genauso, wie im Präsenzraum einer Prüfung. Ebenso müssen sie sichern, dass keine andere Person während der Prüfung illegal helfen kann. 

Die Hochschulen verwenden für die Authentizitätskontrolle unterschiedliche Tools. So gibt es spezielle Prüfungssoftware-Programme, die auch für eine etwaige Kontrolle bei einem womöglichen Täuschungsindiz protokollieren können, welche Tastaturanschläge gemacht wurden, so dass es gesichert werden kann, dass keine Dokumente im Rechner zur Hilfe aufgeschlagen werden können. Manche Prüfungsstellen verwenden auch Software von zoom oder andere ähnliche, bei der man die Teilnehmer und Teilnehmerinnen per Videokonferenz durch die Aufsichtsperson genauso im Blick hat beim Arbeiten, wie in der Präsenz-Klausur, und dies bei Täuschungsvorwürfen überprüfen kann. 

Täuschungsvorwurf in Online-Prüfung widerlegen 

Insbesondere technische Störungen während der Online-Prüfungen führen wieder und wieder zu zunehmender Anzahl von Täuschungsvorwürfen und Streit darüber, und damit Widerspruchs- und Klageverfahren gegen Nichtbestehens-bescheide.  Tritt nun eine technische Störung in einer Prüfungssituation auf (etwa: gestörter Internet-Leitungszugang, Abbruch des Prüfungssoftware-/Überwachungsprogramms, Rechnerprobleme), muss und kann der Prüfling jederzeit sofort die Aufsicht bzw. den technischen Support erreichen, um dies zu kommunizieren, zu dokumentieren, und Hilfe bei der Beseitigung des Problems erhalten. Im Regelfall gibt es einen gesonderten Link für die Hilfestelle, und/oder eine Telefonnummer. Den Anweisungen zum technischen Support ist Folge zu leisten. 

Es ist jedem Prüfling zu empfehlen, eine etwaig auftretende technische Störung zu dokumentieren. Dies  und die Störungskontrollmaßnahmen mit dem Prüfungssupport wird ggf. bei Rechtsstreit später über das Nichtbestehen oder der Nicht-Anerkennung der Prüfungsarbeit von den Gerichten später überprüft. 

Anscheinsbeweis für Täuschungshandlung und -vorsatz

Bei einem sich auf Indizien von Sachverhaltsteilen stützenden Täuschungsvorwurf - etwa: eine technische Störung sei keine technische, sondern eine händisch verursachte, gewesen, oder: es habe im Hintergrund ggf. über Medien, eine andere Person geholfen -, ergibt die Kette von Sachverhaltselementen, die einen objektiven Täuschungstatbestand auslösen, den sog. Beweis des ersten Anscheins. Mit dem ist, wenn schlüssig von der Hochschule dargelegt,  zunächst der objektive Tatbestand des Täuschungsversuchs belegt. Diesen Anscheinsbeweis muss dann der Prüfling zuverlässig widerlegen, was am Ende heisst, dass dies so zuverlässig widerlegt ist, dass es das Gericht überzeugt, dass kein Täuschungsfall gegeben war. 

Das Widerlegen eines solchen Anscheinsbeweises kann bei Online-Prüfungen durch technische Beweise gelingen, dass tatsächlich eine technische unverschuldete Störung auftrat und kein „provozierter“ technischer Aussetzer. Es muss schlüssig dargelegt und belegt werden, dass und welche unvermeidbare technische Störung vorlag, die dem Prüfling nicht als verursacht zuzurechnen war, und dass er diese auch nicht hat zügig beseitigen können mit Hilfe des Supports bei der Prüfung. 

Die Störungsmeldungen werden ggf. technisch vom Gericht, bei dem der technische IT-Sachverstand oftmals nicht aus eigener Kraft vorliegen wird, von einem technischen Sachverständigen geprüft. 

Widerlegung des Vorwurfs gelungen

Ist die Widerlegung des Anscheinsbeweises dem Prüfling gelungen, so erhält er je nach Prüfungsordnung einen Wiederholungsversuch, der nicht auf die begrenzte Anzahl der Prüfungsversuche angerechnet wird, oder auch ggf. die Anerkennung der Prüfungsleistung als abgeleistet, so dass diese dann auch inhaltlich bewertet werden kann. 

Fazit

Tatsächliche technische Störungen bei Online-Prüfungen können den Vorwurf eines Täuschungsversuchs widerlegen helfen, wenn es nachgewiesen wird technisch, dass die Störung auf unverschuldetes Technik-Versagen beruhte und nicht zügig beseitigt werden konnte. Die materielle Beweislast dafür hat der Prüfling, sie zu erfüllen erfordert saubere technische Darlegungen und Beweise. 


Dieser Artikel dient zur allgemeinen Information. Die Informationen entsprechen dem Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 24.10.2021. Durch den Artikel wird keine individuelle Beratung ersetzt. Individuelle Beratung von Einzelfällen erfordert die Prüfung der konkreten Einzelfallumstände sowie die Rechtslage zum Zeitpunkt der Prüfung des konkreten Einzelfalles, die sich in vielen Rechtsgebieten sehr schnell verändert. Ohne detaillierte Einzelfallberatung in der Kanzlei kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung ist nur mit schriftlicher vorheriger Genehmigung der Verfasserin zulässig.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Iris Schuback

Beiträge zum Thema