Testamentsauslegung: Wie "Barvermögen" zu verstehen ist - Abgrenzung zu Kapitalvermögen

  • 2 Minuten Lesezeit

Streit unter Miterben und sonstigen, von einem Testament begünstigten Personen entsteht immer wieder, wenn der Erblasser einen Begriff verwendet hat, dessen Inhalt mehrdeutig ist. „Zankäpfel“ bei Zuwendungen sind meist das „Inventar“ eines Hauses oder Grundstücks – und das liebe Barvermögen.


Das Vermächtnis – und wie weit reicht „Bares“?


Der Erblasser setzte die Beklagten eines Rechtsstreits zu seinen Erben ein; die Klägerin erhielt folgendes Vermächtnis:


„Das bei Eintritt des Erbfalles vorhandene Barvermögen soll zu 1/3 an die X (die Klägerin), …., ausgezahlt werden.“


Die Vermächtnisnehmerin X verlangte von den Erben Auskunft über die Höhe des Geldvermögens des Erblassers. Dieses umfasste Bargeld, Kontovermögen, Depotvermögen und Genossenschaftsanteile.


Die X war der Meinung, das „Barvermögen“ des Erblassers umfasse seine gesamten liquiden Mittel, insbesondere sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten sowie Wertpapiere und das Bargeld im engeren Sinne. Und so verklagte sie die Erben auf Zahlung von einem Drittel der fraglichen Vermögenswerte.

In erster Instanz obsiegte die X, in der Berufungsinstanz aber unterlag sie teilweise.


Nicht alles Kapitalvermögen ist auch Barvermögen


Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg unterscheid zwischen dem Kapitalvermögen im weitesten Sinne und dem Barvermögen im engeren Sinne:

Das Kapitalvermögen beschreibe das Barvermögen zuzüglich weiterer Kapitalwerte in Geld, zum Beispiel Wertpapiere.


Wie Bargeld heutzutage verstanden wird:


Das OLG führte aus, dass der Begriff des Barvermögens in der heutigen Zeit vor dem Hintergrund des weitverbreiteten bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu betrachten sei. Demnach sei Bargeld im engeren Sinne einschließlich der bei Banken befindlichen sofort verfügbaren Gelder zu verstehen: Durch die vermehrte Kartenzahlung habe sich auch die Verkehrsanschauung des Begriffes „bar“ verschoben.


Alles, was über eine Kartenzahlung verfügbar ist


Der Begriff des Bargelds, so das OLG Oldenburg, umfasse heutzutage das gesamte Geld, das sofort, also auch über eine Kartenzahlung, verfügbar sei. Wertpapiere (und damit das Depotvermögen des Erblassers) fielen nicht unter „Barvermögen“, sie seien über den erweiterten Begriff des Kapitalvermögens mit abgedeckt.

OLG Oldenburg, Urt. v. 20.12.2023, Az. 3 U 8/23, BeckRS 2023, 39974

Besuchen Sie auch gern meine Homepage



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Kathrin Fedder-Wendt

Beiträge zum Thema