Tierhalterhaftung: Reitunfall und Mitverschulden des Verunfallten – nur 15 % Abzug möglich

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Nach einem zwischenzeitlich rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Hechingen (1 O 33/16) kann unter bestimmten Umständen die Mithaftung eines verunfallten Reiters bei lediglich 15 % liegen.

Das Landgericht hatte über den nicht seltenen Fall zu entscheiden, dass im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses ein Reitpferd ausgeliehen, zusammen mit dem Verleiher ausgeritten wird und sich dabei ein folgenschwerer Reitunfall ereignet.

Der zu entscheidende Fall war dadurch gekennzeichnet, dass der Reiter nur mäßig geübt war, die Gangart Galopp nicht beherrschte, andererseits aber der Verleiher diese Umstände kannte und auch wusste, dass das Reitpferd gewohnheitsmäßig an einer ganz bestimmten Stelle der Reitstrecke in den Galopp geht. Genau dort ereignete sich dann auch ein folgenschwerer Reitunfall, in dem das Pferd aufgrund einer leichten Handbewegung des Verleihers spontan in den Galopp ging und den Reiter abwarf. Dieser zog sich schwere Knochenbrüche zu. Eine lange Rehabilitationsphase schloss sich an.

Die bisherige Rechtsprechung gelangte überwiegend zu relativ hohen Mithaftungsanteilen verunfallter Reiter. Auch im Rahmen von Gefälligkeitsverhältnissen gelten die allgemeinen Vorschriften über die Tierhalterhaftung, insbesondere die §§ 833, 834 BGB. Im Fall des ausgeliehenen Pferds wird der Reiter in der Regel als Aufseher betrachtet und mit einer Mithaftung analog § 834 BGB wegen vermuteten Verschuldens belegt. Hierbei sind Mithaftungsanteile von mindestens einem Drittel die Regel. Nur ausnahmsweise wurde die Mithaftung auch schon einmal vollständig ausgeschlossen, dabei war die verunfallte Person jedoch erst 13 Jahre alt.

Im vorliegenden Fall wurde dem Reiter als anspruchsmindernd lediglich die mangelnde reiterliche Befähigung angelastet und die Tatsache, ein fremdes Pferd zu reiten, dessen Eigenschaften er nicht genau kannte. Festgestellt wurde indessen aber auch, dass der Reiter keine unfallursächlichen Reitfehler begangen hatte. Daraus folgt, dass allein die Eigenschaften des Reitpferds, insbesondere die Neigung, spontan an einer bestimmten Stelle oder wegen einer bestimmten Handbewegung in den Galopp zu gehen, zu einer ganz überwiegenden Haftung des Pferdehalters, hier in Höhe von 85 %, führen können. Dieses hohe Haftungsrisiko wirkt sich nicht nur im Bereich des Schadensersatzes und des Schmerzensgeldes aus, sondern auch bei der Feststellung der Pflicht zur Leistung künftigen Schadensersatzes (Zukunftsschäden, Verdienstausfall) mit derselben Quote.

Nach dieser Entscheidung muss jedem, der ein Reitpferd verleiht, geraten werden, sich in besonderem Maß über gefahrerhöhende Eigenschaften (also solche, die über das ohnehin erwartbare Risiko beim Ausreiten als solchem hinausgehen) des Pferds Gedanken zu machen. Diese sollten dem Reiter mitgeteilt und mit ihm besprochen werden, gegebenenfalls sollte das betreffende Pferd gar nicht erst in fremde Hände gegeben werden. Keinesfalls sollte man sich dem Irrglauben hingeben, dass man einem unerfahrenen Reiter Könnensmangel derart als eigenes Verschulden vorwerfen kann, sodass man selbst mit einer niedrigen Haftung bei einem Unfall davonkommt.


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