Trauerfeier ohne Musik – ein Grund zur fristlosen Kündigung?
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Kann ein Kirchenmusiker fristlos gekündigt werden, weil er seinen Einsatz bei einer Trauerfeier verpasst hat? Mit dieser Frage hat sich das Arbeitsgerichtes Lübeck in seiner Entscheidung vom 15.06.2023 – 1 Ca 323 öD/23 beschäftigt.
Seit 27 Jahren war der Kläger als Kirchenmusiker einer Gemeinde tätig. Gegenüber dem Gemeindebüro erklärte er verbindlich seine Bereitschaft, die musikalische Begleitung einer Trauerfeier zu übernehmen. Die Liedauswahl sprach der Pastor vier Tage vor der Trauerfeier auf den Anrufbeantworter des Klägers. Am Tag der Bestattung war er weder für den Pastor noch für das Bestattungsunternehmen telefonisch erreichbar und erschien auch nicht. Drei Tage später meldete er sich per E-Mail beim Pastor und entschuldigte sich für sein Fehlen. Die Vorbereitungen eines Kindermusicals hätten ihn im Dauereinsatz gehalten und einen Blick in den Kalender und auf den Anrufbeantwortet kaum noch möglich gemacht.
Nach Anhörung der Mitarbeitervertretung kündigte die Kirchengemeinde das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.
Der Kläger wendete sich an das Arbeitsgericht und verlangte die Weiterbeschäftigung. In dem gerichtlichen Verfahren wurden alle Umstände des Einzelfalles abgewogen. Nur, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist, liegt ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB vor, der eine fristlose Kündigung möglich macht.
Eine fristlose Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche mildere Reaktionsmöglichkeiten nicht zumutbar sind. So kann eine Abmahnung grundsätzlich ein milderes Mittel sein. Dies scheidet nur dann aus, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist. Auch bei besonders schweren Pflichtverletzungen kann es für den Arbeitgeber unzumutbar sein, diese hinzunehmen.
Das Arbeitsgericht prüfte in dem Prozess, ob der Kläger vorsätzlich seiner Verpflichtung zur musikalischen Begleitung der Trauerfeier nicht nachgekommen ist und damit beharrlich seine Arbeitsleistung verweigert hat.
Im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung kann das Arbeitsgericht nur dann von einem Vorsatz des Klägers ausgehen, wenn es aufgrund der äußeren Umstände zu der vollen Überzeugung gelangt, dass eine innere Tatsache in der Person des Klägers im Zeitpunkt des Fehlverhaltens vorgelegen hat. Hier konnte die Kirchengemeinde keine äußeren Umstände vortragen, die mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ein vorsätzliches Handeln des Klägers belegen konnten. Trotz seines Fehlens, der Nichterreichbarkeit und des Ausbleibens einer Entschuldigung gegenüber den Angehörigen, stellte das Arbeitsgericht fest, dass ein vorsätzliches Fehlen höchstens wahrscheinlich ist, was nicht genügt, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Die Schilderung des Klägers, er habe aufgrund der parallelen Vorbereitung eines Kindermusicals die Trauerfeier schlicht und einfach vergessen, lässt sich nach Auffassung des Arbeitsgerichtes Lübeck nicht abstreiten. Das Verhalten des Klägers nach der Trauerfeier zeige das gestörte Verhältnis zwischen dem Kirchenmusiker und den für die Gemeinde handelnden Personen. Es ist aber nicht ausreichend, um von einem vorsätzlichen Fernbleiben des Klägers von der Trauerfeier ausgehen zu können. Das Gericht bewertet sein Handeln als fahrlässige Pflichtverletzung, die als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gerade nicht ausreicht. Die Kirchengemeinde wurde zur Weiterbeschäftigung des Kirchenmusikers verpflichtet.
Rechtsanwältin Nadja Semmler
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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