Überholen mehrerer Fahrzeuge – Automatische Mitschuld bei Unfall?

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Wer ein anderes Fahrzeug im Verkehr überholen möchte, hat die Vorgaben der Straßenverkehrsordnung sowie die bestehende Verkehrssituation zu beachten. Kommt es bei dem Überholmanöver zu einer Kollision, stellt sich in der Regel die Frage, welcher Verkehrsteilnehmer den entstandenen Schaden zu tragen hat. In einem aktuellen Fall hatte sich das OLG Celle damit zu beschäftigen, ob den Überholenden bei dem Überholen einer Kolonne automatisch ein Mitverschulden trifft (Urteil vom 08.06.2022, Az. 14 U 118/21).

Fahrzeugkolonne überholt: Motorradfahrer kollidiert mit PKW

Gegenstand des Verfahrens war ein Verkehrsunfall, bei welchem ein links überholendes Motorrad mit einem aus einer Kolonne ausscherenden PKW zusammenstieß. Der betroffene PKW war dabei eines von neun oder zehn Fahrzeugen, die in geringem Abstand zueinander fuhren. Durch den Zusammenstoß stürzte der Motorradfahrer und erlitt mehrere Verletzungen sowie eine Lähmung des linken Armes. Das Landgericht Verden erlegte dem Motorradfahrer eine Mitschuld von 50 Prozent auf. Dies begründete es damit, dass der Motorradfahrer in Anbetracht der Verkehrssituation hätte erkennen müssen, dass das Überholen der Fahrzeugkolonne ein erheblich risikobehafteter Vorgang gewesen sei. Insofern habe er sich nicht wie ein Idealfahrer verhalten.

OLG Celle zur Mitschuld eines Motorradfahrers beim Überholen einer Fahrzeugkolonne

Das OLG kam in zweiter Instanz zu einer anderen Einschätzung der Rechtslage und sprach dem Motorradfahrer einen Anspruch auf Ersatz des Schadens in Höhe von 75 Prozent zu. Die Richter führten aus, dass zwar das Überholen bei unklarer Verkehrslage gem. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO nicht erlaubt sei. Im vorliegenden Fall könne aber nicht allein wegen des Überholens mehrerer Fahrzeuge davon ausgegangen werden, dass die Verkehrslage unklar ist. Ein Überholender müsse nicht unbedingt damit rechnen, dass ein in der Kolonne fahrendes Fahrzeug unvermittelt nach links ausschert.

Erhöhte Betriebsgefahr und hohe Geschwindigkeit als Grund für Haftungsverteilung

Zwar war das Überholen der Fahrzeugkolonne nicht generell verboten. Dennoch musste der Motorradfahrer sich 25 Prozent Mitverschulden zurechnen lassen, da bei dem Fahren eines Kraftrades eine leicht erhöhte Betriebsgefahr bestehe. Die Länge der Kolonne von neun bis zehn Fahrzeugen sei mit erheblichen und vielfältigen Gefahren verbunden. Zudem wurde eine entsprechende Reaktion der Verkehrsteilnehmer durch die hohe Geschwindigkeit von 100 km/h erschwert.

Unfall beim Überholen: Vorrang gegenüber ausscherenden Fahrzeugen sorgt nicht automatisch für Mitverschulden

Bei  Unfällen ist neben dem Unfallhergang oft vor allem die Frage der Haftungsverteilung streitig. In diesen Fällen ist es unabdinglich, eine durchdachte Strategie auf seiner Seite zu haben. Um seine Rechte bestmöglich durchzusetzen und alle Aspekte juristisch einzubringen, sollte ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden. Unsere Rechtsanwältin Charleen Pfohl steht Ihnen bei Verkehrsunfällen mit fachlicher Kompetenz zur Seite. Schildern Sie uns gerne schnell und unkompliziert Ihren Fall über die unverbindliche Online-Beratung oder rufen Sie uns an (0202 245 67 0).

Foto(s): https://unsplash.com/@chuttersnap

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