übersehene Anzeichen auf ein angeborenes Glau­kom - ein Auge erblindet - 250.000,- €

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gerichtlicher Vergleich in der zweiten Instanz: EUR 250.000,-

augenärztlicher Behandlungsfehler, versäumte Glaukom-Abklärung, Schmerzensgeld, Abfindung


 

Der Kläger (Kind) litt seit seiner Geburt u.a. unter einem Hydrocephalus (griechisch für „Wasser" und "Kopf"), welcher durch Anlage eines Shunts versorgt wurde. Er befand sich bereits als Kind regelmäßig in augenärztlicher Behandlung bei den beklagten Augenärzten.

Ich machte gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche (u.a. Schmerzensgeld) aus Arzthaftung wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler, insbesondere wegen zu spät erkanntem, in diesem Falle angeborenem, Glaukom geltend.

Ich hatte für den Kläger vorgetragen, dass während der augenärztlichen Behandlung bereits im Kindesalter Anzeichen auf ein angeborenes Glaukom bestanden hätten, insbesondere aufgrund einer Optikusatrophie sowie einer Hornhautveränderung, die Beklagten hätten zudem den Augeninnendruck nicht bzw. nicht ausreichend gemessen. Auch weitere erforderliche diagnostische Maßnahmen zur weiteren Abklärung bzw. Ausschluss seien behandlungsfehlerhaft unterlassen worden, insbesondere die Messung des Hornhaut­durchmessers, die Messung der hydrographischen Bulbuslänge sowie eine ausgiebige Spiegelung der Pupille. Dies stelle nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) einen sog. Befunderhebungsfehler dar: nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann auch ein einfacher Befunderhebungsfehler zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich dessen Kausalität für den eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde und dieser Fehler generell geeignet ist, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen, vgl. etwa BGH, Urteile vom 02.07.2013 – VI ZR 554/12 (VersR 2013, 1174 Rn. 11 mwN) wie auch vom 17.11.2015 – VI ZR 476/14 17.

Die Beklagten hätten den Kläger früher in eine Augenklinik überweisen müssen, insbesondere zur Durchführung einer erforderlichen Ausschlussdiagnostik.

Zudem seien die Beklagten über anderweitige erhobene Befunde bzw. einen damit im Zusammenhang stehenden Verdacht der behandelnden Ärzte informiert gewesen, dass der Augeninnendruck ebenfalls zu hoch sei. Die Beklagten hätten aber entsprechende - auch später mitgeteilte - Hinweise stets unter Verweis auf die spezielle Anatomie des Klägers - den Hydrocephalus- abgetan und wären diesen Hinweisen nicht näher nachgegangen. Der Kläger hatte ein angeborenes Glaukom (sog. „Grüner Star"), was nachfolgend dann beidseitig festgestellt wurde und auch mehrfach operativ behandelt werden musste.

Nach alledem wurde von einem groben Behandlungsfehler ausgegangen, der erhebliche kausale Folgen hatte: infolge der Behandlungsfehler der Beklagten war es zu einer verspäteten Behandlung des angeborenen Glaukoms gekommen mit der Folge, dass der Kläger nun auf dem linken Auge vollkommen blind und eine Erblindung des rechten Auges zu befürchten sei; das erblindete linke Auge schmerze zudem an der Hornhaut, es müsse laufend mit Augentropfen versorgt werden. Beim rechten Auge war derzeit das Sichtfeld im Sinne eines Tunnelblicks eingeschränkt. Der Kläger ist deswegen lebenslang in seiner alltäglichen Lebensführung massiv eingeschränkt, er stolpere und stürze häufig.

Nachdem sich die Haftpflichtversicherung zunächst geweigert hatte, die Haftung dem Grunde nach anzuerkennen, wurde nach Beschreitung des Rechtswegs und Berufung der Ärzte zum Oberlandesgericht gem. Entscheidung der Eltern des Klägers ein Vergleich nebst Abfindungszahlung in Höhe von 250.000 Euro geschlossen.


Rainer Beer, Fachanwalt für Medizinrecht





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