Unfallflucht, § 142 StGB

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Die Unfallflucht bzw. Fahrerflucht ist ein Verkehrsdelikt, das in § 142 des Strafgesetzbuchs (StGB) unter der Bezeichnung Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort geregelt ist. Die Vorschrift ist kein Straßenverkehrsdelikt, obwohl der Tatbestand ein Handeln im Zusammenhang mit dem (öffentlichen) Straßenverkehr voraussetzt. § 142 StGB ist aber auch keine Straftat gegen die öffentliche Ordnung, obgleich die Regelung im entsprechend genannten (siebten) Abschnitt des StGB platziert ist. Geschützt wird vielmehr das Vermögensinteresse der Unfallbeteiligten. Damit erweist sich diese Regelung als ein abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt. 

Voraussetzungen

Der Tatbestand erfordert einen Unfall, der sich im Straßenverkehr ereignet hat.

Was ist ein Unfall?

Bei einem Unfall handelt es sich um ein plötzliches Ereignis, das von mindestens einem Beteiligten ungewollt verursacht wird. Zum Straßenverkehr zählt der gesamte Verkehrsraum, der einem unbestimmten Personenkreis offensteht. Hierzu zählen öffentliche und private Straßen sowie Rad- und Fußwege, aber auch Tankstellen und Parkhäuser. Notwendig ist ferner, dass der Unfall in ursächlichem Zusammenhang mit den Gefahren des Straßenverkehrs steht, er also die Realisierung eines verkehrstypischen Risikos darstellt. Ein solcher Gefahrenzusammenhang besteht insbesondere bei Kollisionen zwischen Verkehrsteilnehmern. Die Rechtsprechung bejaht ebenso § 142 StGB, wenn der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde, sofern er von wenigstens einem anderen Beteiligten unvorsätzlich herbeigeführt wurde und er für diesen wie die Realisierung eines verkehrstypischen Risikos wirkt. Hiernach liegt beispielsweise auch dann eine Straßenverkehrsunfall vor, falls der Täter während einer Verfolgungsjagd mit der Polizei von einem Polizeiwagen gerammt wird. Eine vorsätzliche Unfallverursachung führt allerdings zum Ausschluss einer Strafbarkeit nach § 142 StGB, falls alle Beteiligten den Unfall bewusst herbeiführen oder ein Beteiligter diesen absichtlich herbeigeführt, da der Unfall dann nicht die Folge einer straßenverkehrstypischen Gefahr, sondern ausschließlich einer deliktischen Planung ist. Der Unfall muss zu einem nicht unerheblichen Personen- oder Sachschaden geführt haben. Ein Personenschaden ist unerheblich, wenn er die körperliche Integrität des Unfallopfers lediglich geringfügig beeinträchtigt, etwa weil es sich lediglich um leichte Verletzungen handelt. Bei Sachschäden ist eine Unerheblichkeit gegeben, wenn es sich um einen Schaden handelt, bei dem typischerweise kein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird. Ausgeschlossen werden solche Bagatellschädigungen, bei einem Grenzwert von 25 Euro bis 50 Euro.

Wer ist Unfallbeteiligter?

Täter im Sinne der Norm kann nur ein Unfallbeteiligter sein. Gemäß § 142 Abs. 5 StGB ist unfallbeteiligt, wer nach den Umständen des Einzelfalls zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. Das Tatbestandsmerkmal setzt nicht voraus, dass der Täter Fahrzeugführer ist. Daher kann sich auch ein Beifahrer nach § 142 StGB strafbar machen. Dies setzt voraus, dass er zum Zeitpunkt des Unfalls anwesend ist und zur Unfallverursachung beitragen kann, beispielsweise durch Ablenken oder Behindern des Fahrers. Gleiches kann gelten, falls ein Fahrzeughalter sein Fahrzeug einer ersichtlich fahruntüchtigen Person überlässt.

Welche Tathandlungen unterfallen § 142 StGB?

§ 142 Abs. 1 StGB legt den Unfallbeteiligten bestimmte Anwesenheits-, Duldungs-, Handlungs- bzw. Warteplichten auf: Nach Nr. 1 muss ein Unbeteiligter die „Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist“, ermöglichen. Die Pflicht, am Unfallort anwesend zu bleiben, endet, wenn die genannten Feststellungen getroffen worden sind oder die Berechtigten darauf verzichten; dabei kann ein (ausdrücklicher oder konkludenter) Verzicht unwirksam sein, wenn er – aufgrund von Täuschung oder Drohung – auf Willensmängeln beruht. Der Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist auch dann erfüllt, wenn der Täter den Unfallort erst nach der letzten feststellungsberechtigten Person verlässt, sofern er zuvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat. 

Falls feststellungsbereite Personen am Unfallort fehlen, so sind Unfallbeteiligte nach Nr. 2 verpflichtet, eine „nach den Umständen angemessene Zeit“ zu warten. 

Die Länge der Wartezeit ist daher einzelfallabhängig. Sie soll bei eher geringfügigen Schädigungen bei 10–15 Minuten liegen und kann bei gravierenden Unfallfolgen mitunter mindestens eine Stunde betragen. Eventuell getroffene Ersatzmaßnahmen – z. B. das Hinterlassen eines Zettels auf der Windschutzscheibe eines beschädigten Fahrzeugs oder die Benachrichtigung der Polizei – beseitigen die Wartepflicht allein noch nicht; unter Umständen kommt aber eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht, wenn etwa eine persönliche Beziehung zum Geschädigten besteht. Wenn während der Wartezeit feststellungsbereite Personen eintreffen, leben die (Feststellungs-)Pflichten gem. Nr. 1 wieder auf. Nach Ablauf der angemessenen Wartepflicht kann sich der Unfallbeteiligte entfernen; dann trifft ihn aber nach § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB die Pflicht, die Feststellungen „unverzüglich nachträglich“ zu ermöglichen. Diese Nachholpflicht wird in Abs. 3 konkretisiert. Unverzüglich meint ohne schuldhafte Verzögerung, was ebenfalls vom Einzelfall abhängig ist. So kann „bei einem zur Nachtzeit erfolgten Unfall die Benachrichtigung der Polizei erst am nächsten Morgen“ genügen. Die gleiche Nachholpflicht trifft auch denjenigen, der sich noch vor Ablauf der Wartezeit „berechtigt oder entschuldigt“ entfernt hat (Nr. 2). Da ein „Sich“-Entfernen vorausgesetzt wird, greift nach h.M. die Nachholpflicht gem. § 142 Abs. 2 StGB nicht, wenn ein Unbeteiligter zunächst im bewusstlosen Zustand von der Unfallstelle gebracht wird. 

Straferwartung

Neben der Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren kann gemäß § 69 Absatz 2 Nummer 3 StGB bei einer Verurteilung wegen Fahrerflucht die Fahrerlaubnis unter Anordnung einer Sperrfrist entzogen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass bei dem Unfall ein Mensch zumindest nicht unerheblich verletzt worden ist oder ein bedeutender Sachschaden entstanden ist. Weiterhin müssen Sie mit einem Bußgeld, entsprechend des Unfallausmaßes, und mit drei Punkten auf dem Flensburger Punktekonto rechnen. Hat sich der Unfallbeteiligte nach § 142 Absatz 1 oder 2 StGB strafbar gemacht, kann Absatz 4 der Norm zum Zug kommen. Dessen Regelung bietet dem Verursacher die Möglichkeit, eine Strafmilderung oder sogar Straffreiheit zu erlangen, wenn er innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall die notwendigen Feststellungen ermöglicht. Dies gilt jedoch nur, sofern der Täter noch nicht ermittelt wurde und sich der Unfall nicht im fließenden Verkehr ereignet hat. Letzteres trifft etwa auf Parkrempler zu. Ferner darf kein bedeutender Sachschaden entstanden sein. Ein solcher wird überwiegend ab einem Wert von etwa 1300 € angenommen. Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 4 vor, kann das Gericht die Strafe abmildern oder ganz von Strafe absehen.

Verteidigung

Besonders kleinere Blechschäden, wie beispielsweise minimale Kratzer am Fahrzeug, können unter bestimmten Bedingungen manchmal dazu führen, dass der Unfallverursacher den Unfall gar nicht als solchen wahrgenommen hat. Dann hat er die Unfallflucht auch gar nicht bemerkt. Erhält der betreffende Fahrer dennoch nachträglich eine Anzeige wegen Fahrerflucht, weil ein Zeuge den Parkrempler oder Ähnliches beobachtet und an die Polizei weitergeleitet hat, können Sie dagegen vorgehen. Daher ist es bei einer vorgeworfenen Unfallflucht immer ratsam, sich hierbei von einem Anwalt beraten zu lassen. Ist Ihnen der Unfall nämlich gänzlich entgangen, kann Ihnen auch keine Fahrerflucht vorgeworfen werden. Durch ein Unfallgutachten kann hier schnell festgestellt werden, ob es realistisch ist, dass der Unfallverursacher nichts von dem Zusammenstoß gemerkt haben will. Ist dem wirklich so, kann dieser mit der Einstellung des Verfahrens rechnen.

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Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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