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Unfallflucht: Personalienfeststellung

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Dauerbrenner Unfallflucht

In der alltäglichen Praxis eines Strafverteidigers spielt das Thema Unfallflucht eine große Rolle. Die Unfallflucht zeichnet sich dadurch aus, dass es wirklich jedem passieren kann, beim Rangieren oder Ausparken einen fremden Pkw zu berühren. Und wenn wir ehrlich sind, fragt sich doch jeder in diesem Moment, wie er sich jetzt verhalten soll. Es schießen einem viele Dinge durch den Kopf, wie etwa „das ist doch nur eine Kleinigkeit“ oder „dafür ist die Stoßstange doch da.“ usw.

Aber wenn dann irgendwann doch Post von der Polizei da ist, realisiert man als Betroffener schnell, dass man ein Problem hat. Rund um das Thema Unfallflucht ranken sich viele Probleme. Man kann nicht alles in einem Artikel zusammenfassen, das geht nicht. Deswegen greifen wir ein Thema auf, welches tagtäglich auf den Straßen relevant ist.

Teilverzicht des Geschädigten auf Personalienfeststellung

Stellen wir uns folgenden Sachverhalt vor (Namen sind frei erfunden!):

Bei Dunkelheit und Regen befährt Gustav Golf mit seinem Pkw eine Straße. Als er einen Parkplatz erblickt, biegt er schräg nach rechts in eine Parklücke ein. Er fährt mit seinem Auto dabei schräg auf die Bordsteinkante rauf und bringt sein Fahrzeug zum Stillstand. In der Zwischenzeit hat sich ein weiterer Pkw eingefunden, der auch diesen Parkplatz haben wollte. Durch eine Unachtsamkeit bemerkt der zweite Pkw – Pia Porsche – den ersten Parkvorgang nicht und setzt rückwärts mit dem Pkw zurück. Es kommt zu einer Kollision beider Fahrzeuge. An dem Fahrzeug von Gustav Golf entsteht im linken unteren Bereich eine größere Schrammspur (Die Reparaturkosten würden sich auf 1.400,00 EUR belaufen)

Pia Porsche steigt zunächst aus Ihrem Fahrzeug aus und stellt fest, dass an ihrem Fahrzeug kein Schaden entstanden ist. Die Schrammspuren bei Gustav Golf nimmt sie nicht wahr. Gustav Golf macht Pia Porsche auf den Schaden aufmerksam und kündigt an, die Polizei zu rufen. Pia Porsche zeigt sich irritiert und meint, bei dem Schaden handele es sich um einen Vorschaden, der nicht durch die leichte Berührung entstanden sein kann. Gustav Golf, auch sichtlich irritiert ob der Wahrnehmung von Pia Porsche, betrachtet weiter den Schaden an seinem Auto. Entgegen seiner Ankündigung verständigt er aber nicht die Polizei. Es vergehen 15 Minuten. Gustav Golf macht Fotos von dem entstandenen Schaden. Pia Porsche ist genervt und setzt sich in ihr Auto.

Nachdem Gustav Golf den Schaden fachmännisch dokumentiert hat tritt er an den Pkw von Pia Porsche heran und verlangt die Herausgabe der Personalien. Pia Porsche ist aber nicht bereit, ihre Daten einer fremden Person mitzuteilen. Gustav Golf besteht weiter auf die Angaben. Nach weiteren nervenaufreibenden 15 Minuten hat Pia Porsche die Nase voll und entfernt sich von dem Ort.

Zwei Tage nach diesem Geschehen geht Gustav Golf zur Polizei und erstattet Anzeige.

Frage: Unfallflucht?

Das Oberlandesgericht legt sich fest: Nein.

Auch wenn sich Pia Porsche gegen den Willen von Gustav Golf von dem Unfallort entfernt hat, hat sie damit nicht gegen den Tatbestand des § 142 Absatz 1 Nr. 1 StGB verstoßen.

Was steht in dem Gesetz?

§ 142 StGB Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er

1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder...

Das Gericht führt aus:

Der Senat spricht von einer teleologischen Reduktion des Tatbestandes, die man zu berücksichtigen hätte.

Wir übersetzen:

Die Pflicht des Unfallbeteiligten, durch seine Anwesenheit am Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB Feststellungen zu ermöglichen, entfällt, wenn der Geschädigte darauf verzichtet, die Polizei herbeizurufen, obwohl der Unfallbeteiligte nur bereit ist, seine Personalien von der Polizei feststellen zu lassen und weitere nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu treffende Feststellungen nicht mehr erforderlich sind.

Gustav Golf hat also in dieser konkreten Situation selbst als Geschädigter die Nichterfüllung seines Feststellungsinteresses selbst zu vertreten.

Fazit:

Die rechtliche Einordnung einer Unfallflucht kann sich kompliziert gestalten. Der beschriebene Sachverhalt soll aber als Beispiel dafür dienen, dass man im Hinblick auf ein Strafverfahren nicht voreilig die Flinte ins Korn werfen sollte. Manchmal verbirgt sich zwischen den Zeilen ein lupenreiner Freispruch. Gerne helfen wir Ihnen bei der rechtlichen Einschätzung Ihres Sachverhaltes weiter.

Jan Marx

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Strafrecht

Pohl & Marx Rechtsanwälte

Fachanwälte für Strafrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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