Ungenaues Formulieren eines Testaments – das hohe Streit- und Unwirksamkeitsrisiko

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Liebe Mandanten und Freunde, an dieser Stelle möchten wir Ihnen von Zeit zu Zeit interessante Erbrechts-Themen aus der Praxis vorstellen. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und helfen Ihnen bei Fragen gerne. Ihr BBT-Team. 

1. Verwendung unrichtiger/ungenauer Begriffe

Gerade bei testamentarischen Verfügungen, welche auch privatschriftlich verfasst werden können (Einzeltestamente und gemeinschaftliche Testamente wie das Berliner Testament) ist das richtige Formulieren ein großes Thema. Denn oft werden beim Formulieren Begriffe verwendet, welche rechtlich eine ganz andere Bedeutung haben als umgangssprachlich.

Klassiker ist der Begriff des „Vermachens. Umgangssprachlich wird dieser oft mit „vererben“ gleichgesetzt, also der Verfasser wollte damit im Zweifel jemandem zu seinem Erben bestimmen. Rechtlich hat der Begriff jedoch eine andere Bedeutung.  Mit „Vermachen“ ist vielmehr ein sog. „Vermächtnis“ gemeint. Der Vermächtnisnehmer hat aus diesem Vermächtnis (nur) einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben auf Übertragung von Sachen oder Rechten. Der Erbe hingegen wird mit Erbfall automatisch Inhaber des gesamten Vermögens und der gesamten Verbindlichkeiten/Schulden des Erblassers (es sei denn er schlägt die Erbschaft aus).

Umgekehrt wird auch der Begriff des „Vererbens“ oft falsch verwendet. So heißt es z.B., dass jemandem das Auto „vererbt“ wird. Aus dem oben Gesagten ergibt sich jedoch, dass der Erbe automatisch alles erhält und bei der Zuweisung einzelner Gegenstände grundsätzlich eher ein Vermächtnis anzunehmen und gewollt ist. Folge der ungenauen Formulierungen ist, dass das Testament ausgelegt werden muss, was oft zu großen Streitigkeiten zwischen den Beteiligten führt.

Das Oberlandesgericht München führt hierzu im Beschluss vom 09.08.2016 – 31 Wx 286/15 wie folgt aus: „….. Bei der Testamentsauslegung …. kommt es auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH ZEV 1997, 376 FamRZ 2012, 26). Auch vom Erblasser falsch verwendete Wortbedeutungen sind der Auslegung zugänglich, so wenn der Erblasser mit dem Begriff "erben" die Zuwendung eines Vermächtnisses verbindet bzw. umgekehrt mit dem Begriff "vermachen" eine Erbeinsetzung verbindet… Ziel der Testamentsauslegung ist die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte (BGH ZEV 2002, 20 [BGH 26.09.2001 - IV ZR 298/98]; BayObLG ZEV 1994, 377/378). Hat ein Erblasser nicht ausdrücklich einen oder mehrere Erben eingesetzt oder legt die Bezeichnung als Erbe aufgrund sonstiger Umstände den Schluss nahe, dass sie nicht im rechtlich zutreffenden Sinne verwendet worden ist und wurden lediglich Verfügungen über einzelne Nachlassbestandteile getroffen, die aber den gesamten Nachlass erschöpfen, ist nach ganz allgemeiner und zutreffender Ansicht davon auszugehen, dass diese Verfügungen auch eine Erbeinsetzung enthalten, weil nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keinen Erben berufen wollte (BayObLG v. 08.06.2005, 1 Z BR 110/04, NJW-RR 2005, 1245).“

Wie der Entscheidung zu entnehmen ist, kann die Auslegung auch dazu führen, dass die Zuweisung einzelner Gegenstände, welche im Regelfall ein Vermächtnis darstellt, im Einzelfall, wenn denn quasi der ganze Nachlass verteilt wird, auch eine Erbeinsetzung auf eine Quote bedeuten kann.

Im Weiteren wollen wir Ihnen zwei weitere, aktuelle Entscheidungen vorstellen, welche ebenfalls auslegungsbedürftige Testamente zum Thema haben:

2. OLG München, Beschluss vom 25.09.2023, – was bedeutet „pflegen und betreuen“?

In einem handschriftlichen Einzeltestament hatte die Erblasserin wie folgt formuliert:

Die Person, die mich bis zu meinem Tode pflegt und betreut, soll mein gesamtes Vermögen bekommen. Zur Zeit ist es Frau X (Beteiligte zu 1)

Die im Testament genannte Beteiligte zu 1 sah sich als Erbin und beantragte einen Erbschein. Das OLG hatte in der Formulierung jedoch keine eindeutige Erbeinsetzung gesehen und entschied:

„Allerdings kann die Beteiligte zu 1 aus dem Testament keine Rechte herleiten, denn dieses Testament enthält keine Erbeinsetzung zu ihren Gunsten. Zwar wird die Beteiligte zu 1 in diesem Testament namentlich genannt, eine Erbeinsetzung ist damit aber nicht verbunden, denn die Erblasserin hat als Erbin gerade keine bestimmte Person eingesetzt ….. Vielmehr hat sie lediglich Voraussetzungen festgelegt, die ein Erbe erfüllen muss und festgehalten, dass die Beteiligte zu 1 diese Voraussetzungen derzeit erfüllt. Welche Voraussetzungen genau das sind, lässt sich jedoch nicht feststellen, so dass sich auch nicht feststellen lässt, welche Person diese Voraussetzungen erfüllt.“

„Grundsätzlich ist bei nicht eindeutigem und daher auslegungsbedürftigem Testamentswortlaut gemäß §§ 133, 2084 BGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr ist der Wortsinn der vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten sagen wollte und ob er mit ihnen genau das unmissverständlich wiedergab, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH, Urteil vom 08.12.1982, IVa ZR 94/81, NJW 1983, 672; BGH, Urteil vom 07.10.1992, IV ZR 160/91, NJW 1993, 256).“

Das OLG kam zu dem Schluss, dass sich auch im Wege der Testamentsausle-gung nicht feststellen lasse, welche Kriterien nach dem allein maßgeblichen Erblasser-Willen erfüllt sein müssen, damit der Erbe benannt werden kann. Insbesondere lasse sich im Wege der Auslegung nicht mit hinreichender Sicherheit ermitteln, was die Erblasserin inhaltlich genau unter „pflegt und betreut“ verstanden habe. 

Im Ergebnis stellt das Gericht fest, dass das vorliegende Testament nichtig ist, da der Wortlaut der Verfügung so unbestimmt ist, dass die Auslegung ergebnislos bleiben muss. Im Zweifel greift damit die gesetzliche Erbfolge, die vom Erblasser im Zweifel nicht gewollt war.

3.  OLG Oldenburg, Urteil v. 20.12.2023 – was bedeutet „Barvermögen“?

Hier hatte der Erblasser den Erben mit folgendem Vermächtnis beschwert:

Das bei Eintritt des Erbfalls vorhandene Barvermögen soll zu einem 1/3 Anteil an meine Tochter cc, geb. am…., ausgezahlt werden.“

Aufgrund dieses Vermächtnisses forderte die Tochter vom Erben die gesamten liquiden Mittel des Erblassers, also sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere und Bargeld im engeren Sinne. Der beschwerte Erbe war hingegen der Auffassung, dass unter den Begriff des „Barvermögens“ nur das vorhandene Bargeld zu verstehen sei.

Da der Begriff des Barvermögens zwischen den Parteien streitig und in seiner Bedeutung unklar gewesen ist, bedurfte es zur Ermittlung des Inhalts der niedergelegten letztwilligen Verfügung auch hier der Testamentsauslegung.

Das OLG Oldenburg kam nach Auslegung des Testaments zu folgendem Ergebnis: „Der Begriff des Barvermögens ist zur Überzeugung des Senats in der heutigen Zeit des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs so zu verstehen, dass damit das Bargeld im engeren Sinne (vorliegend also das von der Klägerin aufgefundene und in Besitz genommene Bargeld in Höhe von 1.968,08 € und das weitere im Nachlass vorgefundene Bargeld in Höhe von 70,15 €) einschließlich der bei Banken befindlichen sofort verfügbaren Gelder zu verstehen ist. Die Verwendung von Bargeld im eigentlichen Sinne ist heute bei Weitem nicht mehr in dem Maße üblich, wie dies früher einmal der Fall war. Durch die vermehrte Kartenzahlung hat sich damit auch die Verkehrsanschauung des Begriffes "bar" verschoben. Der Begriff des Bargeldes umfasst heutzutage das gesamte Geld, das sofort, also auch über eine Kartenzahlung, verfügbar ist. Wertpapiere fallen (jedoch) nicht unter den Begriff des "Barvermögens". Vielmehr werden Wertpapiere durch den erweiterten Begriff des Kapitalvermögens mit abgedeckt, der das "Barvermögen" einschließlich weiterer Kapitalwerte in Geld beschreibt.“

Auch hier wurde also durch eine ungenaue Formulierung Streit verursacht und das Testament musste in seinem Inhalt durch ein Gericht ausgelegt werden.

4.  Fazit

Die Beispiele zeigen, dass ungenaue oder unjuristische Formulierungen zu Streit zwischen den Beteiligten führen können. Oft findet dieser zwischen Familienangehörigen statt, was der Erblasser sicher nicht gewollt hat. Überdies kann die erforderliche Auslegung zur Nichtigkeit der Verfügung oder zu Ergebnissen führen die (trotz Ermittlung des wirklichen Willens im Rahmen der Auslegung) vielleicht doch nicht vom Erblasser gewünscht waren.

Die korrekte Formulierung eines Testaments ist mithin von enormer Wichtigkeit. Wir beraten und unterstützen Sie gerne bei der Erstellung oder Änderung/Ergänzung Ihres Testaments, dies sowohl in rechtlicher als auch in steuerlicher Hinsicht! Besuchen Sie uns unter www.bbt-partner.de. Oder schreiben Sie uns gerne unter m.lingenberg@bbt-partner.de.

Foto(s): BBT

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