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Untersuchungshaft – Was tun, wenn ein Angehöriger plötzlich in U-Haft sitzt?

  • 10 Minuten Lesezeit

Wenn das Leben von einer Sekunde auf die andere kippt

Ein geliebter Mensch wird plötzlich verhaftet. Der Mann oder der Sohn kehrt von der Arbeit nicht zurück, und erst Stunden später erreicht die Familie die Nachricht: Untersuchungshaft.

In diesem Moment beginnt für Angehörige eine emotionale Ausnahmesituation. Schock. Wut. Angst. Und ganz viele Fragen. Was hat er getan? Warum ist er in Haft? Wie lange bleibt er dort? Was können wir tun?

In Deutschland sitzen jährlich tausende Menschen in Untersuchungshaft – viele davon zu Unrecht oder länger als notwendig. Gerade in den ersten Stunden und Tagen nach der Festnahme ist schnelles, überlegtes Handeln entscheidend. Denn was Sie jetzt tun (oder nicht tun), kann den weiteren Verlauf maßgeblich beeinflussen.


Was ist eigentlich Untersuchungshaft?

Untersuchungshaft, kurz U-Haft, ist keine Strafe. Es handelt sich um eine sogenannte „verfahrenssichernde Maßnahme“, geregelt in den §§ 112 bis 130 der Strafprozessordnung (StPO). Sie dient dazu, das Strafverfahren abzusichern, wenn sonst die Gefahr besteht, dass sich der Beschuldigte:

  • dem Verfahren entzieht (Fluchtgefahr),

  • Beweise manipuliert oder Zeugen beeinflusst (Verdunkelungsgefahr),

  • weitere Straftaten begeht (Wiederholungsgefahr).

Das bedeutet: Auch wer in U-Haft sitzt, gilt rechtlich als unschuldig. Trotzdem ist der Freiheitsentzug oft gravierender als eine spätere Freiheitsstrafe – weil die betroffene Person völlig unvorbereitet in ein hochreguliertes System gerät, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne klare Perspektive.


Wer kann in Untersuchungshaft kommen?

U-Haft kann jeden treffen. Nicht nur vorbestrafte Intensivtäter oder Menschen mit Fluchtabsichten, sondern auch:

  • Studenten ohne Vorstrafen

  • Alleinerziehende Mütter

  • Pflegekräfte oder Saisonarbeiter

  • Unternehmer mit laufendem Geschäftsbetrieb

  • Geflüchtete ohne sicheren Aufenthaltsstatus

In der Praxis wird häufig gegen ausländische Staatsbürger und nicht Deutsch sprechende Personen U-Haft angeordnet – häufig mit der Begründung der „Fluchtgefahr“. Auch Personen ohne festen Wohnsitz in Deutschland sind oft betroffen.


Welche Voraussetzungen braucht die Staatsanwaltschaft?

1. Dringender Tatverdacht

Die Ermittlungsbehörden müssen dem Gericht glaubhaft darlegen, dass die Person mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Straftat begangen hat. Reiner Verdacht reicht nicht – es müssen Beweise oder konkrete Hinweise vorliegen: Zeugenaussagen, Überwachungsvideos, belastende Funde etc.

2. Ein Haftgrund gemäß § 112 StPO

Mindestens einer dieser Haftgründe muss gegeben sein:

  • Fluchtgefahr: Die Person könnte sich dem Strafverfahren entziehen.

  • Verdunkelungsgefahr: Es besteht das Risiko, dass Beweise vernichtet oder Zeugen beeinflusst werden.

  • Wiederholungsgefahr: Bei bestimmten schwerwiegenden Delikten kann bei Wiederholungstätern U-Haft verhängt werden.

  • Schwere der Tat: Bei Verbrechen wie Mord oder Raub wird oft angenommen, dass allein die Tat einen Haftgrund darstellt (§ 112 Abs. 3 StPO).

3. Verhältnismäßigkeit der Maßnahme

Untersuchungshaft darf nur verhängt werden, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht. 


Ablauf: Von der Festnahme zur Untersuchungshaft

Schritt 1: Festnahme durch die Polizei

Die Festnahme erfolgt entweder direkt am Tatort oder aufgrund eines bereits bestehenden Haftbefehls. Der oder die Beschuldigte wird meist sofort zur nächsten Polizeidienststelle gebracht.

Schritt 2: Vorführung beim Haftrichter

Innerhalb von 24 Stunden muss die verhaftete Person einem Richter vorgeführt werden. Dort wird entschieden, ob Untersuchungshaft angeordnet wird. Der Haftrichter prüft:

  • Gibt es einen dringenden Tatverdacht?

  • Liegt ein Haftgrund vor?

  • Gibt es mildere Maßnahmen?

Wird die U-Haft angeordnet, erhält die Person einen schriftlichen Haftbefehl und wird anschließend in die nächste Justizvollzugsanstalt gebracht.

Schritt 3: Einlieferung in die JVA (Justizvollzugsanstalt)

Die meisten Untersuchungshäftlinge kommen in den U-Haft-Trakt einer JVA.


Wie lange kann jemand in Untersuchungshaft bleiben?

Ein häufiges Missverständnis ist, dass Menschen glauben, Untersuchungshaft sei gleichbedeutend mit einer sofortigen Verurteilung oder längerer Haftzeit. Tatsächlich kann Untersuchungshaft jedoch nur für eine bestimmte Zeit verhängt werden – und sie muss regelmäßig überprüft werden.

1. Maximale Dauer der Untersuchungshaft

Die maximale Dauer der Untersuchungshaft ist im Strafprozessrecht geregelt :

  • Maximal 6 Monate Untersuchungshaft.

Nach Ablauf dieser Zeit muss das Oberlandesgericht erneut prüfen, ob die Haft weiterhin notwendig ist. Sollte sich der Verdacht gegen den Beschuldigten nicht erhärten, wird die Haft aufgelöst und der Betroffene freigelassen. Fällt der Verdacht weg, wird die Haft nicht verlängert.

2. Haftverlängerung

Wenn das Gericht der Meinung ist, dass die U-Haft weiterhin erforderlich ist (etwa, weil neue Beweise auftauchen oder die Ermittlungen mehr Zeit benötigen), kann es die Untersuchungshaft verlängern. 


Untersuchungshaft und die Bedeutung für das Strafverfahren

Die Untersuchungshaft hat nicht nur eine immense psychische Auswirkung auf den Beschuldigten, sondern auch auf das Strafverfahren selbst. Sie ist Teil des rechtlichen Verfahrens, das letztlich zur Entscheidung über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten führen soll.

Einfluss auf das Strafverfahren

In einigen Fällen kann die Untersuchungshaft bereits als Indiz für Schuld gewertet werden – gerade dann, wenn der Haftbefehl mit schwerwiegenden Straftaten wie Mord oder schwerer Körperverletzung zusammenhängt. Die Haft selbst bedeutet jedoch nicht, dass der Beschuldigte bereits für schuldig erklärt wurde.


Wie kann ein Anwalt helfen, wenn ein Angehöriger in Untersuchungshaft sitzt?

Ein Anwalt für Strafrecht ist in solchen Fällen nicht nur als Verteidiger, sondern auch als Berater für die Angehörigen von entscheidender Bedeutung. Wer nicht weiß, was zu tun ist, fühlt sich oft hilflos und überfordert. Ein erfahrener Anwalt kann die rechtlichen Schritte erklären und sicherstellen, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um den Angehörigen schnellstmöglich aus der Haft zu befreien.

1. Rechtsbehelfe gegen den Haftbefehl

Ein Anwalt kann gegen den Haftbefehl Rechtsbehelfe erheben, wenn er der Meinung ist, dass er nicht gerechtfertigt ist. Dies kann auf verschiedenen Wegen geschehen:

  • Haftprüfung beantragen: Ein Anwalt kann sofort beantragen, dass die Haft überprüft wird und der Haftbefehl aufgehoben wird.

  • Haftbeschwerde einlegen: Darüber hinaus kann der Rechtsanwalt Haftbeschwerde einlegen.

2. Verteidigung im Strafverfahren

Ein Anwalt für Strafrecht übernimmt auch die Verteidigung im gesamten Verfahren, sodass der Beschuldigte nicht nur auf die Haftauflösung, sondern auch auf eine faire und gerechte Verhandlung hoffen kann. Insbesondere im Zusammenhang mit Untersuchungshaft kann die frühzeitige rechtliche Beratung und Strategie entscheidend dazu beitragen, den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen.

3. Angehörigenberatung

Abgesehen von der direkten rechtlichen Verteidigung bietet ein Anwalt auch eine wichtige Beratungsfunktion für die Familie des Angeklagten. Angehörige sind oft mit einer Vielzahl an Fragen konfrontiert, z. B. zur emotionalen Belastung, den rechtlichen Optionen und der möglichen Dauer der Untersuchungshaft. Ein Anwalt kann für die Familie strategische und emotionale Unterstützung bieten, indem er die nächsten Schritte erklärt und ihnen hilft, mit der Situation besser umzugehen.


Wie beeinflusst Untersuchungshaft das Leben der Angehörigen?

Wenn ein naher Verwandter oder Partner in Untersuchungshaft genommen wird, ist dies nicht nur ein harter Schlag für den Betroffenen, sondern auch für alle Angehörigen. Die emotionale Belastung, die mit der U-Haft verbunden ist, kann enorme Auswirkungen auf das persönliche, berufliche und soziale Leben der Familie haben.

1. Psychische Belastung und Stress

Die Untersuchungshaft eines geliebten Menschen bringt sowohl für den Betroffenen als auch für seine Familie und Freunde eine enorme psychische Belastung mit sich. Ungewissheit, Angst vor einer langen Haftstrafe, Sorgen um die Zukunft und die Frage, wie es mit der Familie weitergeht, sind nur einige der emotionalen Belastungen.

  • Die Familienmitglieder erleben oftmals Schock und Verzweiflung.

  • Ständig wechselnde Informationen können zu noch mehr Unsicherheit führen.

  • Für Kinder, die oft nicht verstehen, warum ihr Elternteil im Gefängnis sitzt, ist dies eine traumatische Erfahrung.

2. Praktische und finanzielle Auswirkungen

Die Auswirkungen der Untersuchungshaft sind nicht nur emotional, sondern auch praktisch und finanziell spürbar. Wenn der Hauptverdiener plötzlich in Haft genommen wird, kann dies die gesamte Familie in eine finanzielle Notlage bringen.

  • Verlust des Einkommens: Falls der Verdächtige der Hauptverdiener in der Familie ist, kann die Familie ohne finanzielle Unterstützung dastehen.

  • Rechtskosten: Die Kosten für einen Anwalt, die Gerichtskosten und mögliche Gebühren für Kautionen können eine zusätzliche Belastung darstellen. Diese Kosten müssen oft ohne Unterstützung von außen getragen werden.

  • Soziale Stigmatisierung: Die Familie kann unter sozialer Isolation leiden, da Nachbarn und Kollegen sich möglicherweise abwenden.

3. Die Bedeutung der Unterstützung durch Anwalt und Experten

Ein Anwalt hilft nicht nur dabei, den rechtlichen Prozess zu verstehen, sondern kann auch als Berater und emotionaler Rückhalt für die Angehörigen des Beschuldigten fungieren. Ein erfahrener Strafverteidiger kann die Familie auf dem Weg durch die rechtlichen Herausforderungen begleiten, sodass die Angehörigen weniger überfordert sind.

Es ist wichtig, dass die Familie des Beschuldigten sich nicht alleine fühlt und rechtzeitig psychologische Beratung und Unterstützung sucht. Es gibt Organisationen und Fachleute, die Familienangehörigen von Inhaftierten zur Seite stehen.


Wie lange dauert es, bis ein Angehöriger aus der Untersuchungshaft entlassen wird?

Die Dauer der Untersuchungshaft ist von verschiedenen Faktoren abhängig und lässt sich im Voraus nur schwer genau vorhersagen. Ein Haftbefehl wird immer dann erlassen, wenn der Verdacht besteht, dass der Beschuldigte:

  • Fluchtgefahr besteht

  • Verdunkelungsgefahr besteht (z. B. Beweismittel vernichten oder Zeugen beeinflussen)

  • Wiederholungsgefahr besteht (dass der Beschuldigte die Tat erneut begeht)

Die Entscheidung über die Entlassung aus der Haft erfolgt in der Regel durch das zuständige Gericht. Wenn sich der Verdacht nicht erhärtet oder neue entlastende Beweise auftauchen, kann der Haftbefehl aufgehoben werden.

Wichtige Faktoren, die die Haftdauer beeinflussen

  • Schwere des Tatvorwurfs: Bei besonders schweren Straftaten wie Mord oder Raub kann die Untersuchungshaft länger dauern.

  • Verdunkelungsgefahr: Wenn der Beschuldigte Beweise manipulieren oder Zeugen beeinflussen könnte, bleibt er möglicherweise länger in Haft.

  • Verlängerung der Ermittlungen: Wenn die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind und der Fall komplex ist, kann sich die Haftdauer verlängern.


Untersuchungshaft und Strafverfahren – Was passiert nach der Haft?

Nachdem der Betroffene möglicherweise einige Zeit in Untersuchungshaft verbracht hat, stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Der nächste Schritt ist das Hauptverfahren. In diesem Abschnitt werden die wesentlichen Schritte im Verfahren nach der Untersuchungshaft erläutert.

1. Hauptverhandlung und Prozess

  • Anklageerhebung: Nachdem die Ermittlungen abgeschlossen sind, erhebt die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen den Beschuldigten. In vielen Fällen wird der Betroffene weiterhin in Haft gehalten, bis die Hauptverhandlung stattfindet.

  • Hauptverhandlung: In der Hauptverhandlung wird der Fall vor einem Gericht verhandelt. Beweise werden präsentiert, Zeugen gehört, und der Beschuldigte hat die Gelegenheit, sich zu verteidigen.

In dieser Phase ist es entscheidend, dass der Anwalt für Strafrecht aktiv und kompetent auftritt, um die bestmögliche Verteidigung zu gewährleisten.

2. Mögliche Folgen nach der Hauptverhandlung

Wenn der Angeklagte während der Hauptverhandlung für schuldig befunden wird, wird er verurteilt. Mögliche Strafen sind:  

  • Freiheitsstrafe

  • Geldstrafe

  • Nebenstrafen, z.B. Fahrverbot (§ 44 StGB)

Im besten Fall kann es auch zu einer Einstellung des Verfahrens oder einem Freispruch kommen, was jedoch stark von der Stärke der Beweislage abhängt.


Wie Sie vorgehen sollten, wenn ein Angehöriger in Untersuchungshaft sitzt

Wenn Sie erfahren, dass ein Angehöriger in Untersuchungshaft sitzt, ist es wichtig, sofort zu handeln. Ihr erster Schritt sollte sein, einen erfahrenen Strafverteidiger zu kontaktieren, um alle rechtlichen Optionen zu besprechen. Der Anwalt kann dann nicht nur versuchen, die Haft aufzuheben, sondern auch die bestmögliche Strategie für das weitere Verfahren entwickeln.

1. Rechtsbehelfe gegen den Haftbefehl

Ein Anwalt kann sofort Rechtsbehelfe gegen den Haftbefehl prüfen und einlegen, dass Ihr Angehöriger freigelassen wird, wenn es keine ausreichenden Haftgründe gibt.

2. Haftprüfung 

Ein erfahrener Anwalt prüft, ob der Haftbefehl aufgehoben oder außer Vollzug gesetzt werden kann.

3. Strafverteidigung vorbereiten

Wenn Ihr Angehöriger weiterhin in Haft bleibt, muss der Anwalt bereits frühzeitig die Verteidigungsstrategie im Strafverfahren entwickeln. Dies kann den Unterschied zwischen einer Verurteilung und einer Einstellung des Verfahrens oder sogar einem Freispruch ausmachen.


Fazit – Der richtige Umgang mit Untersuchungshaft

Untersuchungshaft ist eine sehr belastende Situation, die nicht nur den Beschuldigten, sondern auch seine Familie und Freunde betrifft. Der Weg durch die rechtlichen Herausforderungen einer U-Haft kann lang und emotional anstrengend sein. Doch es gibt zahlreiche Wege, wie Sie den Haftbefehl anfechten und für Ihren Angehörigen die bestmögliche Lösung finden können.

Zögern Sie nicht, rechtlichen Rat einzuholen, wenn Ihr Angehöriger in Untersuchungshaft sitzt. Ein erfahrener Anwalt kann die richtigen Schritte einleiten, um Ihre Rechte zu wahren und eine Entlassung zu ermöglichen. Kontaktieren Sie mich noch heute, um die beste Lösung für Ihre Situation zu finden und Ihre Angehörigen schnellstmöglich wieder nach Hause zu bringen.

1. Was ist Untersuchungshaft?

Untersuchungshaft bezeichnet die vorläufige Freiheitsentziehung eines Verdächtigen, der einer Straftat beschuldigt wird. Sie wird angeordnet, wenn der Verdacht besteht, dass der Beschuldigte fliehen könnte, Beweismittel vernichten oder die Ermittlungen beeinträchtigen könnte.

2. Wann wird Untersuchungshaft angeordnet?

Untersuchungshaft kann angeordnet werden, wenn Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr (z. B. das Beeinflussen von Zeugen oder das Vernichten von Beweismitteln) oder Wiederholungsgefahr besteht. Auch bei schweren Straftaten wird häufig Untersuchungshaft angeordnet.

3. Wie lange kann jemand in Untersuchungshaft bleiben?

Die Dauer der Untersuchungshaft ist nicht festgelegt. In der Regel wird die Haft so kurz wie möglich gehalten, solange die Ermittlungen andauern. Die Höchstdauer einer Untersuchungshaft ohne Anklageerhebung beträgt grundsätzlich 6 Monate.

Foto(s): https://www.pexels.com/de-de/@kindelmedia/

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