Verborgene Gefahren des Gesellschafterstreits: Wie Unternehmen sich gegen missbräuchliche Auskunftsansprüche wehren

  • 4 Minuten Lesezeit

Von Rechtsanwalt u. FA für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Marc Laukemann*



Die Gratwanderung des Auskunftsrechts: Missbrauchsfälle in der GmbH

Das Informationsrecht der Gesellschafter ist ein fundamentales Prinzip in der deutschen Gesellschaftsstruktur. Doch was passiert, wenn dieses Recht missbraucht wird? Die Rechtsprechung hat klare Grenzen gezogen: Missbräuchliche Anfragen, die die operative Tätigkeit einer Gesellschaft stören oder irrelevant sind, sind nicht gestattet. Ein typischer Fall ist das wiederholte Stellen bereits beantworteter Fragen oder das Verlangen nach Informationen zu ungünstigen Zeiten, was die Arbeit der GmbH unnötig erschwert (OLG Jena ZIP 2004, 2003; OLG Stuttgart ZIP 2019, 1425). Diese Urteile betonen, dass das Informationsverlangen der Gesellschafter verhältnismäßig und sachlich begründet sein muss, um als legitim zu gelten.

Neues Urteil des LG Hannover stärkt das Recht auf Auskunftsverweigerung

Das Landgericht Hannover hat in einer bemerkenswerten Entscheidung (LG Hannover, Beschluss vom 21.2.2024 – 23 O 4/24, NZG 2024, 538) die Grenzen des Auskunftsrechts von Gesellschaftern einer GmbH umrissen. Diese Entscheidung wirft ein Schlaglicht auf die komplexen Spannungsfelder, die entstehen, wenn Gesellschaftsinteressen, Geheimhaltungsabreden und individuelle Gesellschafterrechte aufeinandertreffen.

Sachverhalt

Im Kern geht es um die Frage, inwiefern ein Alleingesellschafter einer Komplementär-GmbH, die eine KGaA betreibt, Auskünfte über das Abstimmungsverhalten des von ihm bestellten Geschäftsführers verlangen kann, insbesondere wenn dieses Abstimmungsverhalten von entscheidender Bedeutung für strategische Unternehmensentscheidungen ist. Der Gesellschafter begehrte Auskunft darüber, wie der Geschäftsführer bezüglich eines Investoreneinstiegs gestimmt hatte, was letztlich abgelehnt wurde.

Die Entscheidung des Landgerichts Hannover

Das Gericht stellte fest, dass ein Auskunftsverlangen dann unzulässig ist, wenn der Gesellschafter die erstrebten Kenntnisse nicht zur sachgerechten Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte benötigt. Interessant ist hierbei die Anwendung der Geheimhaltungsabrede und die dadurch bedingte unzumutbare Informationserteilung, die nicht der Zustimmung durch einen Gesellschafterbeschluss bedarf.


Kommentierung

  1. Rechtsmissbräuchlichkeit: Die Entscheidung betont, dass das Informationsrecht des Gesellschafters nicht missbräuchlich oder schikanös ausgeübt werden darf. Das Gericht sieht im Verhalten des Gesellschafters eine rechtsmissbräuchliche Ausübung, da die Auskunft letztlich dazu dienen sollte, öffentlichen Druck zu erzeugen und nicht die Mitgliedschaftsrechte sachgerecht auszuüben.
  2. Geheimhaltungsabreden: Von besonderer Bedeutung ist die Feststellung, dass Geheimhaltungsabreden das gesetzliche Informationsrecht nicht eliminieren, aber seine Ausübung faktisch limitieren können, wenn die Gesellschaft ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse hat. Dies stellt eine wichtige Weichenstellung für die Praxis dar, da hierdurch die Balance zwischen Transparenz und notwendiger Vertraulichkeit in der unternehmerischen Entscheidungsfindung neu justiert wird.
  3. Kontrahierungsfähigkeit: Das Gericht folgt der Argumentation, dass die Kontrahierungsfähigkeit der Gesellschaft einen legitimen Grund für die Verweigerung der Auskunft darstellen kann, besonders wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige wirtschaftliche Konsequenzen für die Gesellschaft nach sich ziehen könnte.


Fazit

Diese Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit, dass Gesellschafter ihre Rechte im Einklang mit den gesellschaftlichen Interessen und den satzungsmäßigen sowie vertraglichen Rahmenbedingungen ausüben müssen. Sie verdeutlicht auch, dass die richterliche Kontrolle des Informationsrechts sich an den realen wirtschaftlichen Gegebenheiten und den spezifischen Unternehmensinteressen orientieren muss.

Für Gesellschafter und Geschäftsführer von GmbHs, GmbH & Co. KGS und KGaAs ist es daher von höchster Bedeutung, die Voraussetzungen und Grenzen des Auskunftsrechts genau zu kennen und bei der Formulierung von Geheimhaltungsabreden sowohl die rechtlichen als auch die praktischen Implikationen zu berücksichtigen.


Rechtliche Konsequenzen unberechtigter Auskunftsverweigerung

Nicht nur der Missbrauch des Auskunftsrechts, sondern auch dessen unberechtigte Verweigerung kann schwerwiegende Folgen haben. Wenn eine GmbH das Auskunftsrecht eines Gesellschafters rechtswidrig verweigert, kann dies zu Schadensersatzansprüchen führen. Die rechtliche Basis für solche Ansprüche ist oft das mitgliedschaftliche Sonderrechtsverhältnis, welches durch die unberechtigte Verweigerung verletzt wird (Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, 3. Aufl. 2017, GmbHG § 51a Rn. 231-233). Dies unterstreicht die Notwendigkeit für Unternehmen, Auskunftsersuchen sorgfältig und im Einklang mit dem Gesetz zu bearbeiten.



Ihre Experten für GmbH-Recht: LFR Wirtschaftsanwälte

Bei LFR Wirtschaftsanwälte verstehen wir die Komplexität des Gesellschaftsrechts und die Herausforderungen, die mit dem Auskunftsrecht verbunden sind. Unsere Expertise ermöglicht es uns, sowohl Unternehmen als auch Gesellschafter effektiv zu beraten, um Missbrauch zu verhindern und die Rechte unserer Mandanten zu wahren. Wenn Sie mit der Herausforderung konfrontiert sind, das Gleichgewicht zwischen Transparenz und Unternehmensschutz zu finden, stehen wir Ihnen mit kompetenter und erfahrener Rechtsberatung zur Seite.


* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK). Er berät seit über 20 Jahren Unternehmen, Gesellschafter und Geschäftsführer bei Gesellschafterstreitigkeiten.


Über #LFR Wirtschaftsanwälte

LFR Wirtschaftsanwälte sind Ihr Partner bei Wirtschaftskonflikten aller Art, insbesondere im Gesellschaftsrecht. Wir verfügen seit über 20 Jahren über umfangreiche Expertise in allen typischen Formen der Gesellschafterkonflikte, insbesondere Auseinandersetzungen in Familien- und Freiberuflergesellschaften, bei Startups und VC-finanzierten Gesellschaften, bei Personengesellschaften, AGs, Vereinen, Stiftungen, bei Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen (M&A-Dispute) oder Unternehmensnachfolge, bei der Verteidigung von (ehemaligen) Gesellschaftern, Geschäftsführern, Vorständen, Aufsichts- und Beiräten gegen Ansprüchen von Insolvenzverwaltern oder Firmenkäufern, bei der Abberufung, Bestellung und Durchsetzung von Geschäftsführern, Vorständen und geschäftsführenden Gesellschaftern.

Foto(s): https://unsplash.com/de/fotos/schwarzes-smartphone-in-der-nahe-der-person-5QgIuuBxKwM

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann

Beiträge zum Thema