„Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen sind im Betäubungsmittelstrafrecht weitverbreitet“

  • 6 Minuten Lesezeit
Fiona Pröll anwalt.de-Redaktion
Rechtsanwalt Patrick Welke: „Verdeckte Ermittlungsmaßnahmen sind im Betäubungsmittelstrafrecht weitverbreitet“

Rechtsanwalt Patrick Welke ist Fachanwalt für Strafrecht. Sein Spezialgebiet: Drogendelikte. „Jeder Angeklagte, egal wer er ist, egal was er getan hat, hat das Recht auf die beste Verteidigung, die ihm sein Anwalt bieten kann.“ Dieses Zitat aus dem Gerichtsfilm „Zwielicht" hat Patrick Welke zum Motto seiner Tätigkeit gemacht. Wer ihn so alles um rechtlichen Beistand ersucht, was er über 31er denkt und warum sich die Wahl des richtigen Abiturfachs bei der Arbeit mit Gesetzestexten mitunter auszahlen kann, verrät er im anwalt.de-Interview.

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Warum sind Sie Anwalt geworden? Und wie kam es, dass Sie sich im Strafrecht auf Drogendelikte spezialisierten?

Ich bin Anwalt und insbesondere Strafverteidiger geworden, um den von Strafverfahren betroffenen Personen zur Seite zu stehen und ihre Rechte im Strafverfahren zu wahren. Man steht im Strafrecht als Beschuldigter allein dem Staat mit seinen Strafverfolgungsorganen gegenüber. Da braucht es einen Fachmann an der Seite. Die Spezialisierung auf Drogendelikte kam zunächst dadurch, dass in meiner Kanzlei von Anfang an viele solcher Fälle landeten. Ich habe schnell gemerkt, dass mir diese besonders Spaß machen.

Was fasziniert Sie an Betäubungsmittelstrafsachen?

Im Betäubungsmittelstrafrecht landet man erstaunlich schnell bei ganz erheblichen Strafrahmen mit hohen Mindeststrafen. Beispielsweise benötigt man nur etwa 50 g Marihuana von ordentlicher Qualität (15 %), um bei der nicht geringen Menge zu landen. Schon ist es ein Verbrechenstatbestand mit einem Jahr Mindeststrafe. Dafür reicht sogar der Besitz aus. So drohen zum Beispiel auch bloßen Cannabiskonsumenten ganz erhebliche Strafen.

Waren Sie in der Schule gut in Chemie?

In der Tat hatte ich Chemie im Abitur als Profilfach, also eines der fünfstündigen Fächer neben Deutsch, Mathe, Englisch und Geschichte. Wenn man beispielsweise das NpSG (Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz) anschaut, unter das bestimmte chemische Verbindungen bzw. Strukturen fallen, sind gewisse Chemiekenntnisse sicher hilfreich.

Reine Konsumenten, solche, die zum Eigenverbrauch produzieren, Dealer oder gar Drogenkartell-Chefs: Welche Klientel sucht bei Ihnen rechtlichen Beistand?

Ehrlich gesagt ist es eine Mischung aus allen. Da ich mit dem Deutschen Hanfverband und einigen seiner Ortsgruppen in gutem Kontakt stehe, sind es insbesondere viele Fälle aus dem Cannabisbereich. Da sind es dann auch häufig Personen, die selbst anbauen. Der Übergang zum Verkaufen ist oft fließend, wenn die Pflanzen entsprechenden Ertrag geben und man das gar nicht alles selbst verbrauchen kann. Manchmal hat man es aber auch mit richtig professionellen Strukturen zu tun.

Gibt es DEN typischen Konsumenten? Ist es tatsächlich der männliche Jugendliche aus sozial schwachem Umfeld, der einem stereotyp in den Sinn kommt?

Nein, das kann man aus meiner Sicht nicht sagen. Gerade bei Cannabis geht der Konsum durch alle Schichten. Hier habe ich auch oft mit normalen berufstätigen Erwachsenen zu tun, die voll im Leben stehen und gut sozial integriert sind.

Lässt sich ein Trend erkennen, um welche Drogen es bei Betäubungsmittelstrafsachen am häufigsten geht? Hat sich dieser über die Zeit verändert?

Cannabis ist natürlich am weitesten verbreitet. Aber auch Amphetamin, Ecstasy, Kokain oder Heroin kommen sehr häufig in Betäubungsmittelstrafsachen vor. Neuer ist zum Beispiel Crystal Meth, wobei das immer noch vor allem an der bayerischen Grenze zu Tschechien auftaucht. Bei uns in Baden-Württemberg hat man damit seltener zu tun.

Haben Sie den Eindruck, dass die Richter die Frage, ob Drogenkonsum gesellschaftliche Praxis ist, in einer gewissen Richtung bewerten?

Das kommt leider sehr auf den jeweiligen Richter an. Ich erlebe sowohl Richter, die die weite Verbreitung von zum Beispiel Cannabis durchaus sehen und dann auch gerne bereit sind, einen minderschweren Fall anzunehmen, bei dem die Strafe entsprechend geringer ausfällt. Auf der anderen Seite gibt es noch sehr konservative Richter, die selbst bei Cannabis davon ausgehen, dass man sofort schwer abhängig wäre und dies den sozialen Absturz zur Folge hätte …

Wie gängig ist es, in Betäubungsmittelstrafsachen Telefonüberwachung, verdeckte Ermittler oder V-Personen einzusetzen?

Solche verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sind im Betäubungsmittelstrafrecht weitverbreitet. Natürlich sind diese auch mit großem Aufwand und Kosten verbunden, sodass man jetzt nicht direkt bei jedem potenziellen Dealer eine Telefonüberwachung schalten kann. Wenn es aber um gewisse Mengen oder härtere Drogen geht, sind die Behörden sehr schnell bereit, diese Maßnahmen einzusetzen. Insbesondere die Frage der Tatprovokation durch den Staat bei verdeckten Ermittlern oder VPs ist dann immer eine spannende Frage.

Sie übernehmen auch Fälle als Pflichtverteidiger. Inwiefern unterscheiden sich diese von anderen?

Da mache ich ehrlich gesagt keinen Unterschied. Jeder Mandant hat die bestmögliche Verteidigung verdient. Weil – wie bereits angesprochen – die Strafrahmen im Betäubungsmittelstrafrecht schnell relativ hoch sind, liegen auch oft die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigung vor.

Wie häufig sieht die Staatsanwaltschaft z. B. in Fällen geringer Mengen zum Eigenbedarf von einer Strafverfolgung ab? Werden viele Verfahren eingestellt?

Beim Ersttäter ist das schon die gängige Praxis. Dafür haben die Bundesländer aber unterschiedliche Grenzen festgelegt. Während zum Beispiel in Berlin ein Fall mit bis zu 15 g Marihuana als geringe Menge eingestellt werden kann, ist das in den meisten Bundesländern nur bei bis zu 6 g der Fall. Bayern ist sicher am strengsten und hier kann man nur schwer eine Einstellung erreichen.

Stichwort 31er: Raten Sie Ihren Mandanten, nach § 31 BtMG als Beschuldigter Aufklärungshilfe zu leisten, auch wenn das andere belastet?

Davon rate ich aus guten Gründen ab. Das Problem dabei ist, dass sich die Polizei meist nicht mit der bloßen Nennung der Quelle für die aufgefundenen Betäubungsmittel zufriedengibt. Vielmehr will sie ganz genau wissen, wie oft auch früher schon bei der Person gekauft wurde. Da legen viele unverteidigte Beschuldigte dann eine Lebensbeichte ab und legen viele noch unbekannte Käufe offen. Aus dem einen Fund werden plötzlich ganz viele Fälle, auf die man sonst nie gekommen wäre. Das bisschen an Strafmilderung lohnt sich dann keinesfalls.

Lassen sich viele drogenabhängige Mandanten auf einen Entzug ein, um eine Zurückstellung Ihrer Strafe zu erzielen?

Ja, auch das kommt in meiner täglichen Praxis sehr häufig vor. Insbesondere wenn eine Strafe von mehr als zwei Jahren zu erwarten ist, die also nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ist eine Zurückstellung nach § 35 BtMG eine sehr gute Chance. So kann man nach einigen Monaten Untersuchungshaft auf Therapie gehen und bei deren erfolgreichem Abschluss wird die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Leider ist die Abbruchquote bei diesen Therapien aber auch relativ hoch.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Fall vor Gericht? Haben Sie ihn gewonnen

Ja, daran erinnert man sich immer noch. Es gab die gewünschte Strafaussetzung zur Bewährung. Ein Freispruch war bei der klaren Beweislage nie infrage gekommen. Aber in dem Fall konnte man die Bewährung durchaus als Erfolg werten.

Wie sind Sie auf anwalt.de gekommen? Und wie nutzen Sie anwalt.de?

Wir haben mit unserer Kanzlei anwalt.de als gute Werbemöglichkeit entdeckt. Insbesondere die Bewertungsmöglichkeit wird von uns als sehr positiv empfunden. Viele Mandanten geben an, dass sie sich aufgrund der positiven Bewertungen bei unserer Kanzlei gemeldet haben. Da man die Bewertungen ja auch auf der eigenen Homepage verlinken kann, wird das sehr gut wahrgenommen.

Wir beobachten, dass gerade im Bereich Strafrecht das Internet für viele Rechtsratsuchende die erste Anlaufstelle darstellt. Können Sie das bestätigen?

Ja, das ist auch ganz klar unsere Erfahrung. Ich denke, dass man mit einem strafrechtlichen Vorwurf nicht so gerne im Bekanntenkreis nach einer Empfehlung herumfragt. Wer dagegen einen Anwalt für ein Testament oder eine Mietsache sucht, kann leichter bei Bekannten nachfragen. Bei einem strafrechtlichen Vorwurf sucht man doch oft eher im Internet nach einem guten Anwalt.

Rechtsanwalt Patrick Welke, Fachanwalt für Strafrecht, ist seit 2018 mit einem persönlichen Profil auf anwalt.de vertreten. Er gehört zu der Kanzlei Rechtsanwälte und Fachanwälte Becker | Behlau aus Heidelberg/Mannheim, die sich auf Strafrecht und Familienrecht spezialisiert haben.

(FPR; ZGRA)

Foto(s): Patrick Welke

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