Verkehrsunfallflucht, tätige Reue & die Fallstricke der "Selbstanzeige" - vom Fachanwalt erklärt

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Fast jeder hat schon einmal einen (kleinen) Unfall im Straßenverkehr erlebt, vor allem wenn Sie das hier lesen. Oftmals entstehen Verkehrsunfälle in Stresssituationen oder durch Unachtsamkeit. In solchen Situationen ist man schnell überfordert und weiß nicht recht, wie man sich verhalten soll. Der Gedanke weiterzufahren liegt nahe. Teilweise nimmt man den Unfall vielleicht gar nicht wirklich wahr. Sollte sich nun ein Unfall ereignet haben und Sie verbleiben nicht am Unfallort, könnten Sie sich wegen einer Straftat gemäß § 142 StGB wegen unerlaubten Entfernen vom Unfallort schuldig gemacht haben. Diese Straftat wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.

In solchen Fällen werde ich oftmals kontaktiert und um Rat gebeten hinsichtlich der Möglichkeit sich nachträglich selber bei der Polizei zu stellen und Angaben zum Unfall zu machen. Diese Frage nach der „Selbstanzeige“ stellt sich für viele Betroffene aufgrund der im Gesetz genannten „tätigen Reue“ bei der Unfallflucht nach § 142 Abs. 4 StGB. Dieser Paragraph sieht (nur!) eine Milderung der möglichen Strafe vor oder (vielleicht sogar!) ein Absehen von der Strafe vor. 

Im Folgenden soll diese Fragestellung kurz und präzise durch Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Dülmen, Ahaus, Borken) beantwortet werden. Dabei wird zentral die Frage inwiefern eine solche Selbstanzeige sinnvoll ist oder davon abzuraten ist beantwortet.


Was ist die Tätige Reue? 

Im Rahmen der Unfallflucht gem. § 142 StGB ist die so genannte „Tätige Reue“ normiert. Diese lässt sich in § 142 Abs. 4 StGB finden.

Das Gesetz sieht vor, daß wenn die Tat

  • außerhalb des fließenden Verkehrs erfolgte,
  • einen nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hatte,
  • die Meldung nachträglich innerhalb von 24 Stunden nach der Tat erfolgt und
  • die Meldung freiwillig erfolgt

das Gericht die Strafe mildern muss oder gar von dieser absehen kann. Entscheidend ist dabei zu betonen, dass überhaupt erstmal eine schuldhaft verwirklichte Haupttat vorliegen muss. Dies bedeutet, Sie müssen einen Unfall verursacht haben, dies wahrgenommen haben und sich dann vorsätzlich vom Unfallort entfernt haben ohne Feststellungen zur eigenen Person ermöglicht zu haben. Liegt eine schuldhafte Verwirklichung vor, dann kann die tätige Reue zur Strafmilderung bei Erfüllung ihrer Voraussetzungen greifen.


Außerhalb des fließenden Verkehr (Parkplatzunfälle)

Die Tat muss dafür außerhalb des fließenden Verkehrs erfolgt sein. Demnach unterfallen dieser Regelung nur Unfälle im ruhenden Verkehr. Dies liegt vor bei Unfällen beim Einparken, Rangieren auf Parkplätzen oder in Einfahrten. 

Fallstrick: So genannte „Streifunfälle“ wie die Beschädigung von Leitplanken, Verkehrszeichen, Zäunen oder ähnliches unterfallen dieser Regelung jedoch nicht, sondern sind dem fließenden Verkehr zuzuordnen. Wer sich in solchen fällen also freiwillig bei der Polizei meldet, rennt ins offene Messer - die tätige Reue kann ihm nicht zugute kommen. 


Nicht bedeutender Sachschaden

Der Unfall darf nur ausschließlich einen nicht bedeutenden Sachschaden verursacht haben. Somit unterfallen Unfälle mit Personenschaden der tätigen Reue nicht. 

Zur Berechnung der Schadensumme ist lediglich der Fremdschaden maßgeblich. Etwaige Eigenschäden sind für die Schadensumme nicht relevant. Ermittelt wird der Schaden anhand der objektiven Umstände und nicht anhand der Vorstellung des Täters. Die Grenze für einen nicht bedeutenden Schaden liegt ca. bei 1300 €. Die Berechnung des Schadens erfolgt nach Gesichtspunkten wie den Reparaturkosten inklusive Mehrwertsteuer und teilweise auch dem Minderwert des Fahrzeuges. Sind bei einem Unfall mehrere Schäden an verschiedenen Fahrzeugen entstanden, dann sind diese zu addieren. 

Fallstrick: Sie wissen im Zeitpunkt der Meldung gar nicht, wie hoch der durch Sie verursachte Schaden ist. Kommen am Ende mehr als 1.300,- Euro raus, geht ihr guter Wille für Sie nach hinten los. Im Falle der Verurteilung ohne Bonus der tätigen Reue droht Ihnen ab den 1.300 Euro Schaden nämlich je nach Gerichtsbezirk die Entziehung der Fahrerlaubnis für mindestens sechs Monate - mindestens aber ein Fahrverbot bis zu sechs Monaten.


Meldung der Tat 

Zusätzlich muss der Täter innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall freiwillig die nachträglichen Feststellungen ermöglichen. Dies bedeutet der Täter muss ohne äußeren Zwang an geeigneter Stelle die erforderlichen Angaben machen. Ausgeschlossen ist dies, wenn der Täter (irrtümlich) davon ausgeht er wäre gesehen worden und sich nur deswegen stellt. 


In § 142 Abs. 3 StGB sind die konkreten Voraussetzungen der nachträglichen Meldung normiert. Die nachträgliche Mitteilung muss entweder gegenüber dem Beschädigten des Unfalls oder einer nahe gelegenen Polizeistelle erfolgen. Dort muss die Beteiligung am Unfall, die eigene Anschrift, das Kennzeichen und der Standort des eigenen Fahrzeuges angegeben werden. Dies ist innerhalb von 24 Stunden nach dem konkreten Unfallzeitpunkt möglich. Nimmt die Person den Unfall nicht sofort wahr, sondern erst später ist dies für den Beginn der 24-Stunden-Frist irrelevant. 

Hier drohen also gleich mehrere Fallstricke, trotz guten Willens ebenfalls nicht in den Genuss einer milden Strafe oder Verfahrenseinstellung zu kommen.  


Fazit - die beste Verteidigung ist leider, auf keinen Fall sich selbst anzuzeigen

Liegen die zuvor genannten Voraussetzungen vor, dann muss das Gericht zwingend eine Strafmilderung vornehmen oder kann alternativ von der Strafe absehen. Jedoch ist noch entscheidend zu erwähnen, dass dies mit einer Verurteilung einhergeht. Demnach ist eine Eintragung ins Fahreignungsregister zu erwarten. Ebenfalls kommen zwei Punkte ins Fahreignungsregister (Anlage 13 Nr. 2.1.7 FeV). Bei zusätzlicher Entziehung der Fahrerlaubnis werden sogar drei Punkte ins FAER eingetragen.

Hinsichtlich der zentralen Frage, ob nun zu einer nachträglichen Meldung zu raten ist, sei Folgendes gesagt: Die Voraussetzungen der tätigen Reue sind sehr tückisch. 

  • Es beginnt damit, dass man durch die Selbstanzeige quasi ein Geständnis darüber ablegt, einen Unfall bemerkt zu haben. 
  • Schon der ausschließlich nicht bedeutende Sachschaden erzeugt mehrere Hürden. Zunächst ist es faktisch fast unmöglich den wirklichen Schaden als Laie zu bestimmen, sodass die nachträgliche Meldung oftmals ein Risiko sein kann und schon anhand der Höhe des Schadens scheitern wird. 
  • Hat man sich einmal gemeldet, dann kann dies eben nicht rückgängig gemacht werden. Die versprochene Strafmilderung bleibt jedoch aufgrund der fehlenden Erfüllung der tätige Reue aus.
  • Ebenso ist das Absehen von der Strafe keine zwangsläufige Folge, sodass oftmals noch mit einer Strafe zu rechnen ist.

Man hat es also in vielerlei Punkten mit erheblichen Unwägbarkeiten zu tun, die Ihren Führerschein, Ihr Portemonnaie und auch bürgerliche Reputation gefährden. 

Erfahrungsgemäß fährt man besser damit, keine tätige Reue zu üben und eine Selbstanzeige zu unterlassen. Denn:

  • In der Praxis kann nach ordnungsgemäßer Verteidigung ein Verfahren trotz Tatnachweisbarkeit informell durch Einstellung des Verfahrens gem. §§ 153, 153a StPO beendet werden, sodass die tätige Reue nicht zwangsläufig erforderlich ist. 
  • Bleiben "Bermerken" des Unfalls oder gar die Fahrereigenschaft durch ordnungsgemäße Strafverteidigung nicht nachweisbar, winkt sogar der "kleine Freispruch" gemäß § 170 Abs. 2 StPO.

   

Man muss immer im konkreten Einzelfall anhand der vorhandenen Fakten abwägen inwiefern die tätige Reue sinnvoll ist. Zusammenfassend ist jedoch grundsätzlich von der „Selbstanzeige“ abzuraten. Werden Sie wegen einer Unfallflucht beschuldigt, dann schweigen Sie und kontaktieren Sie einen erfahrenen Strafverteidiger der mit Ihnen auf eine Einstellung des Verfahrens hinarbeitet. Rechtsanwalt Urbanzyk ist Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für Verkehrsrecht im Kreis Coesfeld (nahe Stadtlohn, Gescher, Steinfurt), verteidigt Sie jedoch gerne in ganz Deutschland gegen den Vorwurf Unfallflucht.  

Foto(s): Heiko Urbanzyk

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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