Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz - Strafbefehl oder Anhörungsbogen von der Polizei - was tun?

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Ein Kraftfahrzeug in Deutschland zu besitzen und zu führen, bringt eine Reihe von rechtlichen Verpflichtungen mit sich. Eine der grundlegendsten ist die Versicherungspflicht. Ein Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) ist aus strafrechtlicher Sicht ein sog. Vergehen. In der Regel wird dieses mit Geldstrafe geahndet, kann jedoch in besonders schwerwiegenden Fällen auch Haft zur Folge haben.

 Doch was bedeutet es genau, gegen das Pflichtversicherungsgesetz zu verstoßen, und was können Sie tun, wenn Sie mit einem solchen Vorwurf konfrontiert werden?



1. Wann liegt ein Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz i.S.d §§ 1, 6 PflVG vor?

Ein Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz liegt nach §§ 1, 6 PflVG vor, 

  • wenn ein Fahrzeughalter sein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr benutzt 
  • oder die Benutzung zulässt,

ohne dass für das Fahrzeug eine Haftpflichtversicherung besteht. Von Strafe bedroht ist sowohl die vorsätzliche Begehungsweise - also die bewusste Verwendung eines Fahrzeuges ohne Versicherung, als auch die fahrlässige Begehungsweise - wenn der Beschuldigte also nicht wusste, dass kein Versicherungsschutz besteht, dies aber hätte wissen müssen.

Dabei geht es nicht nur um die aktive Teilnahme am Straßenverkehr, wie das Fahren auf öffentlichen Straßen, sondern auch um das Abstellen des Fahrzeugs im öffentlichen Raum.

Was ist ein Fahrzeug im Sinne des Pflichtversicherungsgesetzes?

Nach dem deutschen Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) besteht eine Versicherungspflicht für eine Reihe von Fahrzeugen. Hier sind einige der Fahrzeugtypen aufgeführt, für die eine Versicherungspflicht besteht:

Kraftfahrzeuge

  • Personenkraftwagen (PKW): Alle privaten und gewerblich genutzten Autos müssen haftpflichtversichert sein.
  • Lastkraftwagen (LKW): Für gewerblich genutzte Fahrzeuge, die Waren transportieren, ist ebenfalls eine Haftpflichtversicherung erforderlich.
  • Motorräder und Mopeds: Zweirädrige Kraftfahrzeuge mit oder ohne Beiwagen sind versicherungspflichtig.
  • Busse: Fahrzeuge, die zur Personenbeförderung genutzt werden, unterliegen der Versicherungspflicht.

Sonstige Fahrzeuge

  • Elektroscooter und ähnliche Kleinfahrzeuge: Für Elektroscooter, die schneller als 6 km/h fahren können und für die Nutzung im öffentlichen Verkehr bestimmt sind, besteht eine Versicherungspflicht. Ähnliches gilt für Segways und andere Elektrokleinstfahrzeuge.
  • Quads und ATVs: Vierrädrige Kraftfahrzeuge, die sowohl auf der Straße als auch im Gelände genutzt werden können, müssen versichert sein.
  • Traktoren und landwirtschaftliche Zugmaschinen: Sofern sie im öffentlichen Verkehr genutzt werden, ist auch für diese Fahrzeuge eine Haftpflichtversicherung notwendig.

Spezialfälle

  • Anhänger: Für Anhänger, die im öffentlichen Verkehr genutzt werden, besteht ebenfalls eine Versicherungspflicht.
  • Selbstfahrende Arbeitsmaschinen: Dazu gehören beispielsweise Baumaschinen, die auf öffentlichen Straßen bewegt werden.

Ausnahmen

Es gibt auch Fahrzeuge, für die keine Versicherungspflicht nach dem PflVG besteht. Dazu zählen in der Regel Fahrräder ohne motorisierte Unterstützung und bestimmte spezialisierte Fahrzeuge, die ausschließlich auf Privatgelände genutzt werden und keinen Zugang zum öffentlichen Straßenverkehr haben.

Ist das Parken im öffentlichen Raum strafbar?

Die Frage, ob auch das bloße Parken eines Fahrzeugs im öffentlichen Raum ohne gültige Haftpflichtversicherung einen Verstoß nach §§ 1, 6 PflVG darstellt, ist häufig von praktischer Relevanz Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen der aktiven Benutzung des Fahrzeugs und dem bloßen Abstellen im öffentlichen Raum. Der Grund dafür ist, dass auch ein geparktes Fahrzeug potenziell Schaden verursachen kann, sei es durch herabfallende Teile, unerwartetes Wegrollen oder auf andere Weise. Somit ist es erforderlich, dass jedes Fahrzeug, das im öffentlichen Raum abgestellt wird, über eine gültige Haftpflichtversicherung verfügt. Die Versicherung dient dazu, Schäden zu decken, die anderen im Falle eines Unfalls oder eines anderen schädigenden Ereignisses entstehen könnten, selbst wenn das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Schadensereignisses nicht aktiv benutzt wurde.

Was ist öffentlicher Raum?

Im Zusammenhang mit dem Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) und der Frage, was als öffentlicher Raum gilt, ist es wichtig zu verstehen, dass der Begriff "öffentlicher Raum" weit gefasst wird. Öffentlicher Raum umfasst alle Flächen, die der Allgemeinheit zugänglich sind oder auf denen ein öffentlicher Verkehr stattfinden kann. Dies schließt nicht nur Straßen, Wege und Plätze ein, die offiziell für den Verkehr freigegeben sind, sondern auch Parkplätze, die öffentlich zugänglich sind, und sogar bestimmte private Grundstücke, wenn sie ohne besondere Einschränkungen von der Allgemeinheit genutzt werden können.

Beispiele für öffentlichen Raum:

  • Straßen und Wege: Dies umfasst alle Arten von Straßen und Wegen, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, unabhängig davon, ob sie sich in städtischen oder ländlichen Gebieten befinden.
  • Öffentliche Parkplätze: Parkplätze, die für jedermann zugänglich sind, unabhängig davon, ob sie gebührenpflichtig sind oder nicht.
  • Öffentliche Plätze und Parks: Offene Bereiche, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind und für verschiedene Aktivitäten genutzt werden können.
  • Private Wege und Plätze mit öffentlichem Verkehrsrecht: In bestimmten Fällen können auch private Grundstücke zum öffentlichen Raum zählen, wenn sie einen Wegerecht für die Allgemeinheit haben oder aufgrund langjähriger Übung von der Öffentlichkeit genutzt werden


2. Strafmaß bei Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz (§§ 1, 6 PflVG)

Ein Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz wird nach § 6 des Gesetzes geahndet. Dabei wird zwischen fahrlässigem und vorsätzlichem Handeln unterschieden, was erhebliche Auswirkungen auf das Strafmaß hat.

Vorsätzlicher Verstoß gegen § 6 PflVG

Bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor. Vorsätzlich bedeutet in diesem Kontext, dass der Fahrzeughalter wissentlich ohne die erforderliche Haftpflichtversicherung handelt. Dies zeigt eine bewusste Missachtung der gesetzlichen Vorschriften und wird dementsprechend strenger geahndet.

Fahrlässiger Verstoß nach § 6 Abs. 2 PflVG

Im Falle eines fahrlässigen Verstoßes, also wenn der Fahrzeughalter aus Unachtsamkeit, Irrtum oder einer anderen Form von Nachlässigkeit ohne gültige Haftpflichtversicherung agiert, sieht das Gesetz ein milderes Strafmaß vor. Nach § 6 Abs. 2 PflVG wird ein fahrlässiges Handeln mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit einer Geldstrafe geahndet.

Bedeutung der Unterscheidung

Die Unterscheidung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln ist von zentraler Bedeutung für das Strafmaß: Während vorsätzliches Handeln eine bewusste Entscheidung gegen die Einhaltung des Gesetzes darstellt, wird fahrlässiges Handeln als weniger schwerwiegend eingestuft, da es keine direkte Absicht gegen das Gesetz zu handeln impliziert. Diese Unterscheidung ermöglicht eine angemessene Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bei der Strafzumessung.

Individuelle Faktoren bei der Strafzumessung

Neben der Unterscheidung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln spielen auch individuelle Faktoren eine Rolle bei der Strafzumessung. Dazu gehören unter anderem die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters, die Dauer des Versicherungsverstoßes sowie eventuelle Vorstrafen. Diese Faktoren können das Strafmaß sowohl in Richtung einer höheren als auch einer niedrigeren Strafe beeinflussen.

3. Verteidigungsmöglichkeiten gegen den Vorwurf des Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz (§§ 1, 6 PflVG)

Es bestehen verschiedene Verteidigungsmöglichkeiten, die von der spezifischen Situation abhängen. 

Positive Auswirkungen auf das Strafmaß sind grundsätzlich dann zu erwarten, wenn es gelingt, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht davon zu überzeugen, dass nur ein fahrlässiger Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz vorliegt.

Wurde Ihnen das Fahrzeug beispielsweise von einem Bekannten überlassen, kann durchaus das Argument ins Feld geführt werden, dass die Kennzeichen darauf hindeuteten, dass das Fahrzeug versichert gewesen ist, oder dass der Freund vor dem Fahrtantritt bestätigt, dass die erforderliche Versicherung vorliegt.

Argumente könnten ein nur kurzer Zeitraum der Abmeldung des Fahrzeugs oder die Tatsache, dass das Fahrzeug nur kurzzeitig und nicht zur aktiven Benutzung im öffentlichen Raum stand, sein.

Ein in der anwaltlichen Praxis häufig anzutreffender Fall sind Cross-Maschinen, die über keine deutsche Zulassung verfügen und dementsprechend nicht zur Versicherung angemeldet werden können. Diese dürfen - sofern es sich nicht um öffentlichen Raum handelt - durchaus in Wäldern oder ähnlichem zu Sport- und Erholungszwecken betrieben werden. Gleichwohl trifft den Fahrer stets das gleiche Problem: Er mussdas Kraftrad irgendwie dorthinschaffen. Dies geschieht in der Regel durch einen Anhänger. Der Weg vom öffentlichen Raum in den Nicht-öffentlichen Raum, in dem die Benutzung zulässig ist, müsste jedoch geschoben werden.

Mit entsprechenden Argumenten ist in vielen Konstellationen jedoch häufig eine Einstellung oder eine Einstellung gegen Auflage (Zahlung eines Geldbetrages) zu erreichen.

4. Erhalt eines Anhörungsbogens von der Polizei wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz (§§ 1, 6 PflVG)

Sofern Sie einen Anhörungsbogen bzw eine Vorladung von der Polizei erhalten, in dessen Rahmen Sie dazu aufgefordert werden, Angaben zur Sache zu machen, sollten sie 

schweigen.

Sofern die Polizei sie zu einer Vernehmung auf die Polizeidienststelle "bestellt": 

nicht hingehen!

Dazu sind Sie nicht verpflichtet, es sei denn, der Vernehmung liegt ein staatsanwaltschaftlicher Auftrag zugrunde.

Als Beschuldigter im Strafverfahren haben Sie das Recht zu schweigen (sog. Aussageverweigerungsrecht). Wie dieses im Einzelnen funktioniert und was es umfasst, können Sie in diesem Artikel nachlesen.

Konsultieren Sie in jedem Falle einen Rechtsanwalt / Strafverteidiger.

Im ersten Schritt sollte Ihr Verteidiger zunächst Akteneinsicht nehmen um die der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft bekannten, genauen Umstände über die Tat in Erfahrung zu bringen.

Danach sollte eine gemeinsame, umfassende Verteidigungsstrategie entworfen werden, die darauf gerichtet ist entweder

  • die Strafbarkeit entfallen zu lassen und eine Verfahrenseinstellung zu erreichen; oder - sofern das nicht möglich ist - 
  • das Strafmaß so weit wie möglich zu reduzieren.

5. Verhalten bei Erhalt eines Strafbefehls wegen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz (§§ 1, 6 PflVG)

Gegen einen Strafbefehl kann der Angeklagte Einspruch einlegen. Dies hat zur Folge, dass der Strafbefehl keine Rechtskraft erlangt - die Verurteilung wird also nicht "wirksam". Eine im Strafbefehl festgelegte Strafe oder ein Fahrverbot müssen dann (vorerst) nicht gezahlt bzw. angetreten werden. Wichtig:  Der Einspruch muss innerhalb 2 Wochen nach Erhalt des Strafbefehls eingelegt werden. Für die Frist kommt es auf das Datum der Zustellung beim Angeklagten an - dieses wird auf dem gelben Umschlag, in dem der Strafbefehl den Angeklagten erreicht, vermerkt.

Beim Einspruch gegen einen Strafbefehl wird der Fall in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung verhandelt. Dabei kann der Angeklagte seine Sicht der Dinge darlegen und eigene Beweismittel (z.B. Zeugen) zu seiner Entlastung benennen. 

a) Was sind Tagessätze?

In Deutschland werden Geldstrafen im Strafrecht in Form von Tagessätzen verhängt. Dieses System stellt sicher, dass die Strafe sowohl gerecht als auch individuell angepasst ist. Aber was genau sind Tagessätze und wie funktionieren sie?

Ein Tagessatz entspricht dem Betrag, den eine Person pro Tag  verdient. Die Höhe eines Tagessatzes wird individuell festgelegt und basiert auf dem Nettoeinkommen des Verurteilten pro Tag. Dieses Tageseinkommen wird ermittelt, indem das monatliche Nettoeinkommen durch 30 geteilt wird. Wenn jemand beispielsweise 3.000 Euro netto im Monat verdient, wäre ein Tagessatz in seinem Fall 100 Euro.

Die Gesamtzahl der Tagessätze bestimmt die Schwere der Straftat. Kleinere Vergehen können beispielsweise mit 15 Tagessätzen geahndet werden, während schwerere Straftaten zu Hunderten von Tagessätzen führen können. Die maximale Anzahl der Tagessätze, die für eine einzelne Tat verhängt werden kann, ist 360.

Interessant ist, dass bei der Berechnung der Tagessätze nicht nur das Einkommen, sondern auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass Arbeitslose, Studierende oder Rentner entsprechend ihrer finanziellen Lage geringere Tagessätze zahlen müssen.

Tagessätze führen dazu, dass der Einschlag der Strafe je nach finanzieller Situation stets gleich bleibt. 

b) Was passiert, wenn das Gericht bei der Berechnung der Höhe der Tagessätze ein zu hohes Nettoeinkommen zugrunde gelegt hat?

Weder der Staatsanwaltschaft noch dem Gericht dürfte ohne Hautverhandlung ihr monatlicher Nettoverdienst bekannt sein. Sofern Sie keine weiteren Angaben zu Ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht haben, wird bei der Bemessung der Tagessatzhöhe im Strafbefehl eine Schätzung vorgenommen. Fällt diese zu Ihren Ungunsten aus (Tagessatzhöhe ist mehr als Ihr monatliches Nettoeinkommen / 30) dann sollten Sie in jedem Falle Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen. Der Einspruch kann auch auf die Höhe der Tagessätze beschränkt werden - die Strafe wird dann ohne Gerichtsverhandlung reduziert.

6. Ladung vom Gericht

Erhalten Sie eine Ladung vom Gericht, sollten Sie ohne Akteneinsicht und ohne anwaltliche Vertretung nicht erscheinen. Die Sachlage ist in der Regel erheblich komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheint. 


Gerne berate ich Sie in allen Fragen rund um das Strafrecht und vertrete Sie in NRW (Bonn, Euskirchen, Sankt Augustin, Sinzig, Koblenz, Hürth etc. und im Raum Köln) sowie bundesweit.

Ich vertrete Sie als Ihr erfahrener Verteidiger und stehe Ihnen in allen strafrechtlichen Belangen zur Seite. 

Kontaktieren Sie mich - gerne über das Kontaktformular bei anwalt.de oder über meine Internetpräsenz.


Rechtlicher Hinweis:   

Die vorliegende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll lediglich einen ersten Überblick über die Gesetzeslage schaffen. Sie kann eine auf den Einzelfall bezogene Beratung nicht ersetzen.



Philip Bafteh
Rechtsanwalt

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