Vertragsaufhebung und Vertragsauflösung durch das Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB: Eine Übersicht.

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1. Einführung

Das Widerrufsrecht ist ein zentrales Verbraucherschutzinstrument im deutschen Recht. Es ermöglicht Verbrauchern, sich von bestimmten Verträgen zu lösen, die sie außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz geschlossen haben.

Die gesetzlichen Regelungen finden sich in den §§ 312 ff. BGB und den §§ 355 ff. BGB.

Das Widerrufsrecht entspringt der EU-Verbraucherrechtlinie (Richtlinie 2011/83/EU) und stellt einen „Fremdkörper“ im Bereich des deutschen Vertragsrechts dar.

Während seit hunderten von Jahren der Grundsatz „pacta sunt servande“ galt (zu Deutsch: geschlossene Verträge sind zu erfüllen), ermöglicht das seit 2014 existierende Widerrufsrecht Verbrauchern die Möglichkeit, sich ohne Grund von einem wirksam geschlossenen Vertrag zu lösen.

Für Verbraucher ist das Widerrufsrecht somit ein starkes Gestaltungsrecht, das in der Zeit schneller Kommunikation vor übereilten und aufgedrängten Vertragsschlüssen schützen soll (so der Gedanke des Gesetzgebers).

Im Folgenden sollen nun einzelne Aspekte des Widerrufsrechts genauer betrachtet werden.


2. Was sind die Voraussetzungen für das Bestehen und die Ausübung eines Widerrufsrechts

Um ein Widerrufsrecht nach Vertragsschluss ausüben zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Gemäß §355 Abs. 1 BGB steht das Widerrufsrecht per Gesetz Verbrauchern (§ 13 BGB) zu, also Personen, die den Vertrag als Privatperson abschließen und nicht in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handeln.

Ein weiteres Erfordernis ist, dass der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen, per Telefon oder über das Internet abgeschlossen wurde. Die jeweiligen Konstellationen an Vertragsschlüssen, welche per Gesetz ein Widerrufsrecht auslösen, finden sich in den §§ 312b ff. BGB.


3. Wie ist das Widerrufsrecht auszuüben?

Das Widerrufsrecht ermöglicht Verbrauchern, einen Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist zu widerrufen und somit den Vertrag rückwirkend aufzulösen.

Gemäß § 355 Abs. 1 BGB muss der Widerruf schriftlich, per Brief, Fax oder E-Mail, erklärt werden.

Es ist wichtig, dass die Erklärung dieses Gestaltungsrechts nachweislich bei der Vertragsgegenseite zugeht.

Die Widerrufserklärung muss innerhalb von 14 Tagen ab Vertragsschluss und Widerrufsbelehrung dem Empfänger zugehen.

Bei fehlerhafter oder nicht erfolgter Widerrufsbelehrung verlängert sich die Widerrufsfrist.


4. Wie wirkt eine ausgeübte Widerrufserklärung zwischen den Vertragsparteien?

Grundsätzlich führt die Ausübung des Widerrufsrechts dazu, dass der Vertrag aufgelöst wird. Das heißt, dass beide Parteien von ihren Pflichten aus dem Vertrag befreit werden. Es entsteht ein Rückabwicklungsverhältnis.

Der Verbraucher kann die Ware oder Dienstleistung zurückgeben und erhält im Gegenzug sein Geld zurück. Der Verkäufer oder Unternehmer ist verpflichtet, die Ware zurückzunehmen und den gezahlten Betrag zu erstatten.

Die Ausübung des Widerrufsrechts löst rückwirkend eine Vertragsauflösung aus. D. h. die Parteien sind so zu stellen, als ob nie ein Vertrag geschlossen worden ist.

In Bezug auf die Kosten der Rücksendung der Ware gibt es eine gesetzliche Regelung: Wenn die gelieferte Ware einen bestimmten Warenwert überschreitet, trägt der Verkäufer die Kosten der Rücksendung. Andernfalls muss der Verbraucher für die Rücksendekosten aufkommen. Es ist daher ratsam, vor der Ausübung des Widerrufsrechts die genauen Bedingungen des Verkäufers zu prüfen.


5. Ist ein vertraglicher Ausschluss des Widerrufsrechtes möglich?

Prinzipiell kann das Widerrufsrecht nicht durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden. Denn der Gesetzgeber wollte klar einem Unterlaufen des verbraucherschützenden Widerrufsrechts entgegenwirken.

D. h. sämtliche Vereinbarungen über einen Verzicht oder den Ausschluss eines Widerrufsrechts sind unwirksam!

Allerdings kann gemäß § 312g Abs. 2 BGB das Widerrufsrecht beispielsweise bei Verträgen über Dienstleistungen vorzeitig erlöschen, wenn der Vertrag teilweise oder vollständig erfüllt wurde und der Verbraucher vor Vertragsschluss ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung beginnen darf und er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung verliert. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Verbraucher vor Vertragsschluss über seine Rechte zu informieren ist.

Ein vertraglicher Ausschluss des Widerrufs kann auch bei Verträgen über Waren vorgenommen werden, sofern die Ware nach den besonderen Wünschen des Verbrauchers angefertigt wurde oder eindeutig auf seine persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten ist. In solchen Fällen entfällt das Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Weitere gesetzliche Ausnahmeregelungen finden sich in § 312g Abs. 2 BGB.

Es ist jedoch zu beachten, dass ein vertraglicher Ausschluss des Widerrufs bei standardisierten Verträgen, wie beispielsweise im Online-Handel, nicht zulässig ist. Die Verbraucherschutzvorschriften sehen vor, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht bei solchen Verträgen uneingeschränkt ausüben kann. Gegenteilige vertragliche Regelungen und Absprachen sind unwirksam.


6. Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Widerrufsrecht ein wichtiges verbraucherschützendes Instrument ist, das durch den Gesetzgeber Verbrauchern gewährt wird, um sich von Verträgen zu lösen, die sie bereuen oder deren Bedingungen sie nicht akzeptieren möchten.

Es hat den Zweck, ihnen eine gewisse Sicherheit beim Abschluss von bestimmten vorschnell geschlossenen Verträgen zu geben und vor unüberlegten oder unfairen Transaktionen zu schützen.

Um das Widerrufsrecht ausüben zu können, gelten bestimmte Voraussetzungen.

Der Verbraucher muss seinen Widerruf in einer angemessenen Frist erklären und die Ware oder Dienstleistung zurücksenden.

Die Kosten für die Rücksendung sind in der Regel vom Verbraucher zu tragen, es sei denn, der Verkäufer hat dies anders vereinbart oder das Widerrufsrecht gilt für digitale Inhalte, bei denen eine Rücksendung nicht möglich ist.

Bei Ausübung des Widerrufsrechts wird der Vertrag rückwirkend aufgelöst, sodass beide Parteien von ihren gegenseitigen Verpflichtungen befreit werden.

Der Verbraucher hat Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten Geldes und der Verkäufer muss die Ware zurücknehmen.

Es ist wichtig zu beachten, dass es auch Ausnahmen gibt, in denen das Widerrufsrecht nicht gilt oder eingeschränkt ist. In einigen Fällen kann der Verkäufer den Widerruf ausschließen, zum Beispiel bei maßgeschneiderter Ware oder Dienstleistungen. Auch beispielsweise bei Verträgen über digitale Inhalte kann das Widerrufsrecht begrenzt sein.




Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


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Foto(s): Dr. Holger Traub

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