Vertriebsrecht – Vertriebssysteme, Gestaltungen & Konflikte

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Das moderne Vertriebsrecht hat heutzutage einen sehr hohen Spezialisierungsgrad erreicht. Es zeichnet sich durch neue Gestaltungsformen und eine netzwerkartige Struktur mit zahlreichen Einzelfragen aus, zum Beispiel kartellrechtlichen Fragen. Diese überfordern oftmals Unternehmer und Vertriebsvermittler. Eine besondere Dynamik bekommen Vertriebssysteme im Bereich E-Commerce bzw. im Online-Handel.

Zu den relevantesten Systemen im Vertriebsrecht zählen: 

System von Handelsvertretern

Im Handelsvertretersystem vertreibt ein Unternehmen seine Waren, indem es Verträge mit selbstständigen Handelsvertretern abschließt. Der Handelsvertreter tritt entweder als Vermittlungsvertreter auf, d. h. er vermittelt (nur) den Kontakt zwischen Kunden und Unternehmer, oder er schließt als Abschlussvertreter den Vertrag für das auftraggebende Unternehmen selbst ab. Vertragspartner der Kunden wird somit immer das Unternehmen und nicht der Handelsvertreter. Der Handelsvertreter verdient für seine Tätigkeit eine Provision.

Vertriebsrechtliche Probleme können sich hier auf vielen Ebenen ergeben. Mögliche Streitpunkte, mit denen ein im Vertriebsrecht tätiger Rechtsanwalt regelmäßig befasst ist, sind:

  • Abrechnung über Provisionszahlungen; als Vorstufe dazu: Streit über die Erteilung eines Buchauszuges;
  • Streit über das Bestehen und die Höhe des im Voraus nicht abdingbaren Ausgleichanspruch gemäß § 89b HGB;
  • Streitigkeiten über nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen, Karenzentschädigungen, Vertragsstrafen.

Vertragshändler

Bei Vertragshändlern handelt es sich um selbstständige Eigenhändler, die fest in ein Vertriebssystem eines Unternehmens eingebunden sind. Der Vertragshändler kauft die Waren bei dem Unternehmen ein und verkauft sie seinerseits an den Endkunden weiter. Durch den Vertragshändlervertrag ist der Vertragshändler mit dem Herstellerunternehmen verbunden, auch wenn er im Rahmen der Verkaufskette auf eigene Rechnung handelt. Im Vertragshändlerrecht können unter Umständen Regelungen des Handelsvertreterrechts, wie z. B. die über den Ausgleichsanspruch, analog herangezogen werden.

Lizenz & Lizenzvertrag

Lizenzverträge sind häufig das rechtliche Rückgrat des Vertriebs. Mit einem Lizenzvertrag wird einem Lizenznehmer ein Nutzungsrecht (Lizenz) z. B. an einer Marke, Urheberrecht, Patent, Gebrauchs- oder Geschmacksmuster eingeräumt. In der Beratungspraxis befasst sich ein Rechtsanwalt dabei insbesondere mit der Vertragsgestaltung, Vertragsprüfung, AGB-Kontrolle, Vertragsstrafen etc.

Franchising

Beim Franchising wird der Vertragshändlergedanke auf gewerbliche Dienstleistungen übertragen, z. B. bei Restaurantketten. Charakteristisch ist dabei, dass meistens eine bestimmte Marke in den Vordergrund tritt bzw. vom Kunden einzig wahrgenommen wird und die Händlerfirma – die als selbstständiger Eigenhändler allein im Rechtssinne nach außen auftritt und Verträge mit den Kunden abschließt – in der Wahrnehmung in den Hintergrund tritt. Vertragshändler und Franchisenehmer zeichnet aus, dass sie ein unternehmerisches Risiko übernehmen.

Kommissionsagentur

Der Kommissionsagent ist wie der Handelsvertreter gegen Provisionszahlung ständig mit der Verkaufstätigkeit für das auftraggebende Unternehmen betraut. Der Kommissionsagent bekommt die Waren vom Unternehmen zur Verfügung gestellt, im Gegensatz zum Handelsvertreter verkauft er sie jedoch im eigenen Namen. Während das Innenverhältnis Unternehmen – Kommissionsagent sich somit kaum vom Fall der Handelsvertretung unterscheidet, tritt der Kommissionsagent im Außenverhältnis zu den Kunden wie ein Zwischenhändler auf und die Kunden schließen nur mit dem Kommissionsagenten Verträge. In der Praxis ergeben sich rechtliche Probleme, die oft mit denen der Handelsvertretung vergleichbar sind.

Einheitsgesellschaft

Bei dieser einfachsten Vertriebsmöglichkeit betreibt ein Unternehmen seine Waren selbst und im eigenen Namen über eine Vielzahl rechtlich unselbstständiger eigener Zweigniederlassungen. Vertragspartner der Kunden ist immer nur das eine Unternehmen.

Konzernstrukturen

Die Vertriebsorganisation im Konzern ähnelt der Einheitsgesellschaft. Anstelle von Zweigniederlassungen erfolgt der Vertrieb der Waren jedoch über rechtlich selbstständige Tochterunternehmen. Die Tochterunternehmen treten am Markt auf, unterstehen aber der Konzernherrschaft der Muttergesellschaft. Im Innenverhältnis zwischen Tochter- und Muttergesellschaft sind sowohl Handelsvertreter- als auch Vertragshändlerbeziehungen denkbar. Konzernstrukturen können vor allem steuerlich interessant sein, um z. B. über die organschaftliche Integration von Tochterunternehmen Gewinne und Verluste bei der Muttergesellschaft zusammenzufassen.


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