VG Frankfurt am Main: kein unzulässiger Asylantrag bei unbekanntem Verfahrensausgang in Ungarn

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Ein pakistanischer Staatsangehöriger flieht aus seinem Heimatland über die sogenannte „Balkanroute“ nach Deutschland und stellt einen Asylantrag.

Der Betroffene berichtet wie er im Rahmen seiner Flucht über die Türkei mit dem Boot kommend in Griechenland eingereist ist. In Griechenland hat man ihm nach informatorischer Anhörung ein Dokument für Asylbewerber ausgestellt und nahegelegt weiterzureisen. Über Mazedonien und Serbien kam der Betroffene sodann in Ungarn an. Dort wurde er zunächst festgenommen und inhaftiert. Anschließend erhielt der Betroffene auch von den ungarischen Behörden ein amtliches Dokument und zugleich die Information, er könne nun in das von ihm in Aussicht genommene Land weiterreisen. Als er sodann zunächst einige Tage auf einem Gelände neben der ungarischen Polizeiwache verbrachte und sich lediglich freiwillige Helfer um die spärliche Verpflegung der Flüchtenden kümmerten, während keinerlei weitere behördlichen Maßnahmen ergriffen wurden, reist der Betroffene schließlich nach Deutschland und äußert im Juni 2015 im Bundesgebiet sein Schutzersuchen.

Nach zweimaliger Befragung entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im November 2016, dass der Antrag des Betroffenen unzulässig sei, weil in Ungarn ein Asylverfahren für ihn registriert sei und er nicht darlegen könne, wie das Verfahren ausgegangen ist. Gemäß der Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU dürfe ein Asylantrag nur von einem Mitgliedstaat geprüft werden. Wenn aber ein Asylverfahren in einem Mitgliedstaat noch offen sei oder keine Erkenntnisse über den Verfahrensstand vorliegen, dann sei von einer sonstigen Erledigung ohne Schutzgewährung auszugehen. Im vorliegenden Fall gehe man aufgrund der Ausreise aus Ungarn von einer stillschweigenden Erledigung infolge Nichtbetreibens des Verfahrens aus.

Rechtsanwalt Zeljko Grgic erhebt gegen diesen ablehnenden Bescheid Klage und beantragt die Gewährung von Akteneinsicht in den Verfahrensvorgang des Bundesamtes sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, da der Betroffene anderenfalls noch während des laufenden Klageverfahrens abgeschoben werden könnte. Rechtsanwalt Grgic weist zum einen darauf hin, dass gemäß der Dublin-Verordnung grundsätzlich der erste Mitgliedstaat – und somit Griechenland – für die Prüfung des Antrages zuständig sei, jedoch aufgrund der anerkanntermaßen prekären Situation keine Zurückweisungen nach Griechenland erfolgen. Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass das Bundesamt den Antrag des Betroffenen nur dann als unzulässig zurückweisen durfte, wenn es sich zum Ausgang des Verfahrens in Ungarn durch Einholung einer Auskunft bei der dortigen Asylbehörde vergewissert hätte. Der Verfahrensakte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge können solche Anstrengungen aber nicht ansatzweise entnommen werden, sodass die Entscheidung infolge mangelnder Sachaufklärung als rechtswidrig zu beurteilen sei.

Das Verwaltungsgericht stellt fest, dass ganz ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes und der damit verbundenen Abschiebungsandrohung bestehen, weil ein Asylantrag gemäß § 71a AsylG nur dann als unzulässiger Zweitantrag abgelehnt werden dürfe, wenn das Bundesamt gesicherte Erkenntnis über eine negative Asylerstentscheidung in einem anderen Mitgliedstaat hat. Im vorliegenden Fall stehe jedoch nur fest, dass ein Asylantrag in Ungarn gestellt worden sei.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main ordnet daraufhin infolge der Ermittlungsdefizite des Bundesamtes mit Beschluss vom 16.01.2017, Az. 4 L 5143/16.F.A, die aufschiebende Wirkung der Klage an.


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