Vorgehensweise bei Beitragserhöhungen in der PKV
- 4 Minuten Lesezeit
Nach einigen Gerichtsentscheidungen können Versicherungsnehmer bei unzureichender Begründung und damit unwirksamer Beitragserhöhung in der privaten Krankenversicherung die gezahlten Beträge zurückfordern. Zugrunde lagen verschiedene Tarife unterschiedlicher Versicherer, so z.B. die Tarife EL-Bonus und Vital-Z-N der AXA. Es können jedoch auch andere Tarife und Versicherer betroffen sein.
Sehen sie zu diesem Thema auch meinen Beitrag: PKV: Beitragserhöhungen der AXA und der Barmenia unwirksam?
Warum können Beitragserhöhungen unwirksam sein?
Versicherer können ihre Beiträge nicht beliebig erhöhen. Es sind nach dem Gesetz strenge Voraussetzungen zu erfüllen. Erforderlich ist u.a., dass eine gravierende Veränderung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage vorliegt, welche sich auf die Prämienkalkulation auswirkt. Der Versicherungsnehmer ist über diese maßgeblichen Gründe zu informieren (Begründungserfordernis). Gesetzlich nicht geregelt ist jedoch, was unter der „Mitteilung der maßgeblichen Gründe“ zu verstehen ist und welche Angaben diese im Einzelnen enthalten muss. Einigkeit besteht darin, dass die Mitteilung die Umstände benennen muss, die die Neufestsetzung der Prämie inhaltlich rechtfertigen. Die Gerichte sind jedoch hinsichtlich der Frage, in welcher Ausführlichkeit dies zu geschehen hat, unterschiedlicher Auffassung.
Was geschieht bei einer unwirksamen Beitragserhöhung?
Wurde die Erhöhung nicht wirksam begründet, kann der Versicherungsnehmer die insofern ohne Rechtsgrund geleistete Beitragserhöhung plus Zinsen zurückfordern bis der Versicherer eine korrekte Begründung nachgereicht hat. Es können demnach sämtliche Beitragserhöhungen zumindest für die vergangenen drei Jahre zurückgefordert werden. Der Versicherungsnehmer muss jedoch selbst tätig werden.
Welche Beitragserhöhungen waren nach den Urteilen unwirksam?
Es werden nicht bei allen veröffentlichen Entscheidungen auch die zugrunde liegenden Tarife der Versicherer benannt. Ganz aktuell sind zwei oberlandesgerichtliche Entscheidungen sowie eine Entscheidung des LG Frankfurt:
OLG Köln, Urteil vom 28.01.2020, Az. 9 U 138/19 (AXA)
Beitragserhöhungen im Tarif EL Bonus zum 01.01.2014 und 01.01.2015 sowie die des Tarifs Vital-Z-N- zum 01.01.2014, nicht hingegen jene des Tarifs EL Bonus zum 01.01.2017 und 01.01.2018.
OLG Köln, Urteil vom 29.10.2019, Az. 9 U 127/18 (AXA)
Beitragserhöhungen im Tarif ECORA 1300 zum 01.01.2015 und zum 01.01.2016 sowie die Beitragserhöhung für die zahnärztliche Heilbehandlung im Tarif 541 zum 01.01.2015.
LG Frankfurt, Urteil vom 16.04.2020, Az. 2-23 O 198-19 (Barmenia)
Beitragserhöhung im Tarif VC3P mit GZN10 zum 01.01.2010, 01.01.2011, 01.01.2012, und zum 01.01.2016 sowie die im Tarif KT42 zum 01.01.2011, 01.01.2012 und 01.01.2018
LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017, Az. 1 O 338/16 (AXA)
Beitragserhöhung im Tarif Vital 250 zum 01.01.2010, zum 01.01.2012 und zum 01.01.2016, die Beitragserhöhung im Tarif Z Pro zum 01.01.2010 sowie die in dem Tarif TV42 (KT) zum 01.01.2012 und zum 01.01.2013.
Sind die Urteile rechtskräftig?
Derzeit nicht. Die AXA hat gegen die Urteile des OLG Köln Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt und das OLG Frankfurt hat über die Berufung der Barmenia zu entscheiden.
Ist es ratsam, schon jetzt gegen Beitragserhöhungen vorzugehen?
Mit Ablauf des 31.12.2020 verjähren (unter Zugrundelegung der Auffassungen der o.g. Gerichte) alle Rückforderungsansprüche für Beitragserhöhungen, soweit sie nach dem 01.01.2017 gezahlt wurden. Dies ist jedoch nicht zu verwechseln mit den Beitragserhöhungen an sich. Das bedeutet, dass auch unwirksame Beitragserhöhungen aus früheren Jahren (z.B. aus dem Jahr 2015) zurückgefordert werden können, jedoch nur, soweit sie in unverjährter Zeit gezahlt wurden. Damit Ansprüche nicht verjähren, sollten daher bis Ende des Jahres verjährungshemmende Maßnahmen eingeleitet werden.
Welche Vorgehensweise ist sinnvoll?
Zunächst sollte geprüft werden, ob die Begründungen zu den Beitragserhöhungen noch vorliegen. Ist dies nicht der Fall, müssten diese bei dem Versicherer angefordert werden. Sodann ist unter Beachtung der von den Gerichten aufgestellten Maßstäbe zu prüfen, ob ein Rückforderungsanspruch in Betracht kommt. Ist dies der Fall, sollte der Versicherer zunächst außergerichtlich unter Fristsetzung zur Rückzahlung auffordert werden.
Ist es sinnvoll, sich an Beginn an anwaltlich vertreten zu lassen?
Es ist sinnvoll, durch einen auf Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen, ob unter Beachtung der o.g. Urteile ein Rückforderungsanspruch in Betracht kommt und das weitere Vorgehen abzustimmen.
Bevor jedoch die Interessenvertretung gegenüber dem Versicherer angezeigt wird, sollte der Versicherungsnehmer diesen selbst unter Fristsetzung zur Rückzahlung aufgefordert und eine Ablehnung vorliegen haben. Kommt der Versicherer, wovon auszugehen ist, der Aufforderung nicht nach, befindet er sich in Verzug. Dies ist von doppelter Bedeutung: Zunächst einmal liegt jedenfalls ab diesem Zeitpunkt ein Versicherungsfall im Sinne der Rechtsschutzversicherungsbedingungen vor. Darüber hinaus hat der Versicherer, sollte er später zu einer Rückzahlung verurteilt werden, auch die entstandenen Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten. Wird der Rechtsanwalt bereits vor der Ablehnung durch den Versicherer beauftragt, sind die insoweit entstandenen Rechtsanwaltsgebühren nicht zu erstatten, da sie bereits vor Eintritt des Verzuges entstanden sind.
Kompetenz im Versicherungsrecht
Aufgrund meiner Erfahrung und langjährigen Tätigkeit als Fachanwältin für Versicherungsrecht auf Seiten der Versicherungsnehmer stehe ich Ihnen bundesweit für eine fachkundige Überprüfung und Durchsetzung Ihrer Leistungsansprüche gern zur Seite.
Artikel teilen: