Vorsicht bei Willenserklärungen, die per E-Mail abgegeben werden!

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Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Urteil vom 06.10.2022, Az. VII ZR 895/21, mit der Frage beschäftigt, ob ein per E-Mail übermitteltes Vergleichsangebot, das ca. 40 Minuten später ebenfalls per E-Mail widerrufen wurde, noch wirksam war oder nicht. Zudem erklärt der BGH, wann vom Zugang einer E-Mail beim Empfänger in rechtlicher Hinsicht auszugehen ist.


Hintergrund der Entscheidung war eine baurechtliche Auseinandersetzung über noch offenen Werklohn und Nebenforderungen. Der Anwalt des Werkunternehmers unterbreitete am zunächst morgens um 9.19 Uhr ein Angebot auf Abschluss eines Vergleiches, das die Zahlung eines Betrages in Höhe von insgesamt 15.376,58 € vorsah. Das Angebot wurde vom Anwalt per E-Mail an den Gegner versendet. Mit E-Mail vom gleichen Tag um 9.56 Uhr versuchte der Anwalt, der zuvor das Angebot übermittelt hatte, dieses zu widerrufen.

Der Gegner bezahlte ohne weiteren Kommentar am 21.12.2018 die angebotenen 15.376,58 € auf das Konto des Werkunternehmers.

Es entstand Streit über die Wirksamkeit des Vergleiches, woraufhin bis zum Bundesgerichtshof gestritten wurde.

Der BGH entschied, dass der um 9.56 Uhr erklärte Widerruf des Angebots auf Abschluss eines Vergleiches über 15.376,58 € zu spät kam. Dieses Ergebnis wird damit begründet, dass ein Widerruf eines solchen Angebots nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB nur möglich sei, wenn die Widerrufserklärung vorher oder gleichzeitig mit dem Angebot auf Abschluss des Vergleichs zugehe.

Wann E-Mails hiernach als zugegangen gelten, ist in der Rechtsprechung umstritten.

Der BGH führt aus, dass jedenfalls für den Fall, dass die E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird, sie dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen sei. Denn damit sei die E-Mail so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er sie unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis nehmen könne. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen werde, sei für den Zugang nicht erforderlich.

Weiter stellt er sich auf den Standpunkt, dass elektronische Willenserklärungen in Form von E-Mails als Datei gespeichert werden von dem Mailserver des Absenders an den Mailserver des Empfängers weitergeleitet werden. Der Empfänger werde über den Eingang der E-Mail unterrichtet. In diesem Zeitpunkt sei der Empfänger in der Lage, die E-Mail-Nachricht abzurufen und auf seinem Endgerät anzeigen zu lassen.


Kurzum:

Sobald die E-Mail abrufbereit auf dem Mail-Server eingegangen ist, ist nach dem BGH vom Zugang der E-Mail auszugehen. Ab diesem Zeitpunkt ist ein Widerruf eines Angebots nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB, die via E-Mail übermittelt wurde, grundsätzlich nicht mehr möglich. Es ist daher mit großer Sorgfalt der Inhalt einer E-Mail abzuwägen. Der recht schnelle und einfache Versand von E-Mails verleitet oftmals zu sehr schnellem Austausch von Informationen. Die hier dargestellte Entscheidung sollte jedoch zum Anlass genommen werden sehr sorgfältig auch das Medium der elektronischen Post in Form von E-Mails zu nutzen und „Schnellschüsse“ möglichst zu vermeiden. Denn diese können nach dem BGH, wenn die E-Mail einmal auf dem Empfängerserver eingegangen ist (was in der Regel innerhalb weniger Sekunden geschieht), nicht mehr „eingefangen“ werden. Man ist dann an den Inhalt der E-Mail gebunden, auch wenn der Empfänger diese ggf. noch nicht einmal zur Kenntnis genommen geschweige denn gelesen hat.





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