Vorstandshaftung in der AG – die wichtigsten Fragen und Antworten

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Vorstände haften häufiger, als die Öffentlichkeit denkt.

Hierfür gibt es letztlich zwei Hauptgründe: Zum einen sind die Vorstandspflichten sehr umfassend und tangieren meist finanziell besonders relevante Sachverhalte. Zum anderen steht der Aufsichtsrat unter einem eigenen Haftungsdruck – er ist zur Geltendmachung der Ansprüche gegen den Vorstand verpflichtet. Doch unter welchen Voraussetzungen haftet der Vorstand?

Ausgangspunkt: Welche Pflichten hat der Vorstand?

Der Vorstand hat letztlich zwei Hauptpflichten:

  1. Er muss zum einen „sein“ Unternehmen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters (Kaufmanns) leiten.
  2. Er muss zum anderen das Unternehmensinteresse über die wirtschaftlichen Interessen Dritter und über eigene wirtschaftliche Interessen stellen.

Der Vorstand genügt der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters, wenn er zum einen alle eigenen Maßnahmen und Handlungen entsprechend den Regelungen des Gesetzes vornimmt und dabei das Ziel eines wirtschaftlichen Erfolges der Aktiengesellschaft verfolgt. Grundsätzlich hat der Vorstand dabei im Einzelnen einen weiten Ermessensspielraum. Leitplanken des Vorstandshandelns sind dabei der Unternehmensgegenstand, die betreffende Branche und die konkreten Aufgabenbereiche des betreffenden Vorstandsmitglieds.

Die primäre Wahrung der Unternehmensinteressen verpflichtet den Vorstand, zu der Gesellschaft nicht in Wettbewerb zu treten und Geschäftschancen im Geschäftsbereich der Gesellschaft nicht selbst zu nutzen.

Konkret: Business Judgement Rule und Geschäftsleiterermessen

In der Praxis ist zumeist fraglich, ob der Vorstand in der konkreten Situation tatsächlich die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters eingehalten bzw. erfüllt hat. Eine gewisse Orientierung gibt die sogenannte Business Judgement Rule. Hiernach gilt vereinfacht Folgendes:

Der Vorstand haftet für eine unternehmerische (Fehl-)Entscheidung nicht, wenn

  • es sich nicht um eine gebundene Entscheidung handelt (d. h. keine Handlungspflicht, welche sich direkt und konkret aus Gesetz oder Satzung ergibt);
  • der Vorstand im guten Glauben für das (zukünftige) Unternehmensinteresse handelt;
  • der Vorstand ohne Sonderinteressen und ohne sachfremde Einflüsse gehandelt hat (kein Eigeninteresse);
  • der Vorstand auf Grundlage angemessener Informationen handelt, d. h. der Vorstand Entscheidungen auf der Basis eines – unter Kostengesichtspunkten sinnvollen – Informations- und Risikomanagements fällt.

Dem Vorstand wird auf diesem Weg – wie jedem Geschäftsleiter – ein unternehmerischer Ermessensspielraum eingeräumt. Ohne diesen würde wohl jeder Geschäftsleiter nur die Absicherung im Kopf haben und nur risikoaverse Entscheidungen treffen.

Ausgehend von den vorgehend dargestellten Kriterien ist jedem einzelnen Vorstandsmitglied zu raten, die Entscheidungsfindung sorgfältig zu dokumentieren. Konkret ist insbesondere die Informationsbasis, welche dem Vorstandsmitglied als Entscheidungsgrundlage dient, in der einen oder anderen nachvollziehbaren Form zu konservieren. Nur auf diese Weise kann das Vorstandsmitglied sein pflichtgemäßes Handeln beweisen, wenn der Vorwurf der Pflichtverletzung seitens der Gesellschaft erhoben wird.

Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand durch Aufsichtsrat und Aktionäre

Für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Vorstandsmitglieder ist zunächst der Aufsichtsrat berufen. Er ist das Kontroll- und Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft. Seine Aufgabe erschöpft sich daher nicht in der Aufsicht; er muss vielmehr den Vorstand im Fall von Pflichtverletzungen zu Rechenschaft ziehen.

Dem Aufsichtsrat kommt bei der Entscheidung, ob er Ansprüche gegen ein aktuelles oder ehemaliges Vorstandsmitglied geltend macht, im Grundsatz kein Ermessensspielraum zu. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes ist der Aufsichtsrat grundsätzlich verpflichtet, gegen den Vorstand auch gerichtlich vorzugehen und auf diesem Wege Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kann der Aufsichtsrat auf ein Vorgehen gegen den Vorstand verzichten.

Den Aktionären kommen nur beschränkte Möglichkeiten zu, Ansprüche gegen den Vorstand selbst geltend machen. Zum einen kann die Hauptversammlung im Wege des Beschlusses den Aufsichtsrat zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Vorstand verpflichten. Zum anderen kann die Hauptversammlung einen sogenannten besonderen Vertreter bestimmen, der die Ansprüche gegen den Vorstand gerichtlich geltend macht. Schließlich können Minderheitsaktionäre unter bestimmten Bedingungen die Zulassung einer eigenen Klage bei Gericht beantragen.

Rolle des Rechtsanwalts bei Haftungsfragen zum Vorstand

Der Rechtsanwalt bzw. Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht unterstützt Vorstände, Aufsichtsräte und Aktionäre bei allen Fragen zur Geltendmachung und Abwehr von Haftungsansprüchen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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