Prokura: zehn Fragen und Antworten

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Die Prokura ist essentieller Bestandteil im geschäftlichen Verkehr von Unternehmen. Insbesondere große Unternehmen, die sich regelmäßig neuen Herausforderungen stellen und viele Verträge schließen, können ihren Alltag kaum ohne Prokuraerteilung bewältigen. Aus diesem Grund sollen nachfolgend die wichtigsten Fragen rund um die Prokura beleuchtet werden.

1. Was ist eine Prokura? 

Die Prokura ist eine besondere Form der Vollmacht. Sie ermächtigt den Prokuristen gem. § 49 I des Handelsgesetzbuchs (HGB) zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt.

2. Wer kann Prokura erteilen? 

Die Prokura kann gem. § 48 I HGB ausschließlich vom Inhaber eines Handelsgeschäfts oder von dessen gesetzlichen Vertreter erteilt werden. Hierzu gehören insbesondere:

  • Handelsgesellschaften wie die offene Handelsgesellschaft (OHG), die Kommanditgesellschaft (KG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Unternehmergesellschaft (UG) und die Aktiengesellschaft (AG)
  • in Liquidation befindliche Kapitalgesellschaften
  • eingetragene Genossenschaften
  • Kaufleute kraft Eintragung
  • Erbengemeinschaften, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlasspfleger, die ein Handelsgeschäft des Erblassers führen

In jedem Fall muss die Prokura ausdrücklich erklärt werden. Eine stillschweigende oder konkludente Erteilung der Prokura ist nicht möglich.

3. Wer kann Prokurist sein? 

Prokurist kann jede natürliche und voll geschäftsfähige Person sein. Nicht erforderlich ist, dass der Prokurist dem Unternehmen intern angehört. Folgende Personen können keine Prokuristen sein:

  • persönlich haftende Gesellschafter einer OHG
  • Komplementäre einer KG
  • Vorstandsmitglieder einer AG oder KGaA
  • Geschäftsführer einer GmbH
  • Ständige Vertreter einer Zweigniederlassung
  • Testamentsvollstrecker, die das Handelsgewerbe im eigenen Namen fortführen
  • Insolvenzverwalter

4. Welche Arten der Prokura gibt es? 

Nach Erteilung einer Einzelprokura ist der Prokurist einzelvertretungsberechtigt, d. h. er darf für den Geschäftsherrn allein auftreten und handeln.

Eine echte Gesamtprokura wird zwei oder mehreren Personen gemeinsam erteilt, sodass sie den Geschäftsherrn auch nur gemeinsam vertreten können. Hingegen ist nach Erteilung einer halbseitigen Gesamtprokura einer der Prokuristen zur Einzelvertretung berechtigt, während dem anderen Prokuristen nur Gesamtprokura erteilt wurde. Schließlich handelt es sich bei der gemischten Gesamtprokura um eine Konstellation, in der die Vertretungsmacht eines Prokuristen an die Mitwirkung eines gesetzlichen bzw. organschaftlichen Vertreters gebunden ist.

Außerdem ist es möglich, eine Filialprokura zu erteilen, die auf den Betrieb eines oder einiger Niederlassungen beschränkt ist. In diesem Fall ist erforderlich, dass die Niederlassungen unterschiedliche Firmennamen haben, wobei Namenszusätze ausreichen.

5. Was darf der Prokurist und was nicht? 

Der Prokurist darf für den Geschäftsherrn unter anderem:

  • Darlehen und Kredite aufnehmen oder gewähren
  • Bürgschaften übernehmen
  • Arbeitnehmer einstellen und entlassen
  • anderen Arbeitnehmern Handlungsvollmachten erteilen
  • Zweigniederlassungen errichten oder schließen
  • Grundbesitz kaufen, mieten oder vermieten
  • Gerichtsverfahren führen

Der Prokurist darf für den Geschäftsherrn nicht:

  • Grundstücke verkaufen oder belasten
  • Grundlagengeschäfte tätigen, die den Betrieb des Handelsgewerbes als solchen betreffen
  • anderen Personen Prokura erteilen

6. Was passiert, wenn der Prokurist die Prokura missbraucht? 

Grundsätzlich liegt das Risiko für den Missbrauch einer Prokura beim Geschäftsherrn. Entsprechend bleiben die vom Prokuristen geschlossenen Geschäfte wirksam. Allerdings stehen dem Geschäftsherrn gegebenenfalls Schadensersatzansprüche gegen den Prokuristen zu.

7. Kann die Prokura beschränkt werden? 

Im Außenverhältnis, d. h. zwischen dem Prokuristen und einem Dritten, kann die Reichweite der Prokura nicht eingeschränkt werden. Intern kann der Geschäftsherr die Prokura beschränken. Diese Beschränkung verliert dann im Außenverhältnis ihre Wirkung. Allerdings kann der Prokurist sich gegenüber seinem Geschäftsherrn schadensersatzpflichtig machen, wenn er gegen interne Beschränkungen verstößt.

8. Ist die Prokura übertragbar? 

Die Prokura kann gem. § 52 II HGB nicht auf eine andere Person übertragen werden.

9. Wann endet die Prokura? 

Die Prokura kann vom Geschäftsherrn jederzeit und ohne Einhaltung von Fristen widerrufen werden. Der Widerruf einer Prokura berührt allerdings die Rechte aus einem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis, beispielsweise einem Arbeitsverhältnis, nicht. Abseits dessen erlischt die Prokura auch mit dem Tod des Prokuristen, mit dem Ende des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses, wenn das Handelsgeschäft durch den Geschäftsherrn eingestellt wird oder der Kaufmann insolvent ist.

10. Muss die Prokuraerteilung in das Handelsregister eingetragen werden? 

Gem. § 53 HGB müssen sowohl die Erteilung als auch das Erlöschen bzw. die Veränderung der Prokura beim Handelsregister angemeldet werden. Auch bestimmte Besonderheiten, wie die Erteilung einer Gesamtprokura, sind anzumelden. Zu beachten ist, dass der Anmeldung nur deklaratorische Bedeutung zukommt. Das heißt, dass die Prokuraerteilung auch ohne Handelsregisteranmeldung wirksam ist.

Wollen Sie eine Prokura erteilen oder haben Sie Fragen zum Handelsrecht, kontaktieren Sie Rechtsanwalt Dirk Streifler und lassen Sie sich fachkundig beraten.

Die verkürzte Darstellung bedingt, dass eine vollständige Beschreibung der relevanten Rechtslage hier nicht möglich ist und daher eine professionelle Beratung nicht ersetzt. Trotz sorgfältiger Bearbeitung bleibt eine Haftung ausgeschlossen.

(DS/jz)


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