Waldorf Frommer: AG Bielefeld bestätigt hohe Anforderungen an sek. Darlegungslast in P2P-Verfahren

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Amtsgericht Bielefeld vom 02.06. 2017, Az. 42 C 406/16

Der vor dem Amtsgericht Bielefeld in Anspruch genommene Anschlussinhaber hatte seine Verteidigung darauf gestützt, dass er zu den maßgeblichen Zeiten der Rechtsverletzung keinen Zugriff auf seinen Internetanschluss gehabt und folglich auch die Rechtsverletzung nicht begangen habe. Vielmehr habe er seine Ehefrau zu einem Arzttermin begleitet. Als Täter käme ein Nachbar des Beklagten in Betracht, der ebenfalls Zugang zu seinem Internetanschluss gehabt habe. Insoweit habe der Beklagte seinem Nachbarn – nach vorheriger Belehrung – das Passwort für den WLAN-Anschluss bekanntgegeben.

Auf Nachfrage habe besagter Nachbar gegenüber dem Beklagten die Rechtsverletzung nicht eingeräumt. Allerdings habe dieser nicht ausschließen können, dass einer seiner Freunde möglicherweise für die Begehung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung verantwortlich sei. Mit diesem Vortrag begnügte sich der Beklagte und stellte keine weiteren Nachforschungen an.

Im Übrigen wurde beklagtenseitig u. a. auch die ordnungsgemäße Ermittlung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung bestritten. Die durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung des klägerseitig angebotenen Zeugen führte zur vollständigen richterlichen Überzeugungsbildung im Hinblick auf die Fehlerfreiheit und Richtigkeit der Ermittlung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung. In den Urteilsgründen führte das Gericht hierzu wie folgt aus:

„Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigte im Vorfeld der eigentlichen Ermittlungen durch das Peer-to-Peer-Forensic-System die jeweilige Datei herunterladen und sodann prüfen, ob diese Datei mit dem Originalwerk übereinstimmt. Weiterhin ist das Gericht auch von der Richtigkeit der Ermittlungen überzeugt.

[…] Der Zeuge Dr. S. hat den Ablauf der Ermittlungen auch schlüssig und nachvollziehbar erläutert. Insbesondere hat er auch die Sicherheitsvorkehrungen die gegen etwaige Ermittlungsfehler getroffen werden dargestellt. Der Zeuge Dr. S. ist glaubwürdig, seine Aussage glaubhaft. Dem Gericht ist bewusst, dass der Zeuge Dr. S. als Entwickler und Verantwortlicher für das Ermittlungsprogramm ein Interesse daran hat, die Software und die durchgeführten Ermittlungen positiv darzustellen.

Dem Gericht erscheint es aber nach der Würdigung aller Umstände, insbesondere der Darstellung der Ermittlungen durch den Zeugen S. fernliegend, dass es bei den streitgegenständlichen Ermittlungen zu Fehlern gekommen ist, zumal die IP-Adresse auch für zwei verschiedene Zeitpunkte dem Beklagtenanschluss zugeordnet wurde.“

Darüber hinaus erachtete das Gericht den beklagtenseitig geleisteten Vortrag als unzureichend, um einer täterschaftlichen Haftung zu entgehen.

Diesbezüglich bestätigte das Gericht zutreffend, dass die Nutzung einer Filesharing-Tauschbörse eine körperliche Anwesenheit gerade nicht voraussetzt und insofern die behauptete Ortsabwesenheit des Beklagten unbeachtlich sei:

„Die Tatsache, dass der Beklagte zum streitgegenständlichen Zeitpunkt nicht zu Hause war ist unbeachtlich, da die Nutzung einer Filesharing-Börse die körperliche Anwesenheit nicht voraussetzt. Soweit der Beklagte behauptet, dass sein Computer nicht eingeschaltet war, so kann das Gericht dem nicht folgen, da der Beklagte bereits keinen plausiblen Sachverhalt dargestellt hat, wie es zu Rechtsverletzung gekommen sein könnte.“

Zudem beurteilte das Gericht auch den bloß pauschalen Verweis auf eine mögliche Täterschaft des Nachbarn bzw. dessen Freunde als unzureichend. Insbesondere habe es der Beklagte unterlassen weitergehende Nachforschungen anzustellen.

„Es ist bereits aber auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht ersichtlich, dass die Rechtsverletzung durch den Nachbarn erfolgt sei. Vielmehr habe dieser erklärt die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben und auf die Möglichkeit der Rechtsverletzung durch seine Freunde verwiesen.

Dass der Beklagte versucht hat im Rahmen seiner Nachforschungspflichten von seinem damaligen Nachbarn die Namen der Freunde zu erfahren ist nicht ersichtlich.“

Im Übrigen seien sowohl die Höhe des geltend gemachten Lizenzschadens, als auch der angesetzte Gegenstandswert in Höhe von EUR 10.000,00 als Bemessungsgrundlage für die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung angemessen.

Das Amtsgericht Bielefeld verurteilte daher den Beklagten antragsgemäß zur Leistung von Schadensersatz, Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie Übernahme sämtlicher Kosten des Rechtsstreits.

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