Warum sich eine Scheidung ungerecht anfühlt - und welche 7 Dinge Sie dagegen tun können

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Gibt es bei der Scheidung Streit, haben viele Ehepartner das Gefühl, sie würden ungleich behandelt, benachteiligt oder gedemütigt. Scheidungen dieser Art erscheinen zumindest „gefühlt“ immer ungerecht. Möchten Sie sich nicht als Verlierer sehen, sollten Sie wissen, wer welche Rechte und Pflichten hat und was Sie tun können, wenn es zu scheinbaren Ungerechtigkeiten zu kommen droht. Wie Sie mit einer „intelligenten“ Scheidung Nachteile bei Vermögen, Kindern und der Wohnung vermeiden oder zumindest ausgleichen können, lesen Sie hier!

1 Sie müssen auf Anordnung des Gerichts aus Ihrer ehelichen Wohnung ausziehen

Die Trennung von Ehepartnern bringt meist das Problem mit sich, dass ein Partner aus der ehelichen Wohnung auszieht. Ist darüber keine Verständigung möglich, kann ein Ehepartner beim Familiengericht beantragen, dass die eheliche Wohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen wird. Dies gilt insbesondere, wenn beide Partner ein gemeinsames Kind haben, das möglichst in seiner gewohnten Umgebung verbleiben soll. Sie fühlen sich dann vielleicht ungerecht behandelt, weil Sie Miteigentümer der Wohnung sind und trotzdem ausziehen müssen.

Fühlt sich ungerecht an, aber Sie profitieren vom Wohnvorteil

Sind Sie Miteigentümer der Wohnung, hat der verbleibende Ehepartner einen Wohnvorteil. Sie haben dann Anspruch auf eine angemessene Vergütung, weil Sie dem Partner Ihr Nutzungsrecht überlassen. Das Nutzungsrecht kommt spätestens mit der Scheidung erneut auf den Prüfstand. Darf der Ehepartner auch nach der Scheidung in der Wohnung wohnen, liegt aufgrund der Lebensumstände des Partners offensichtlich ein Härtefall vor, der es rechtfertigt, dass der Ehepartner in der Wohnung verbleibt. Sie haben dann Anspruch darauf, dass ein Mietverhältnis zu ortsüblichen Bedingungen begründet und im Zweifel zeitlich befristet wird. Dies führt dazu, dass Sie eine angemessene Miete, im Zweifel die ortsübliche Vergleichsmiete, verlangen dürfen.

2 Sie wollen per se nicht geschieden werden

Ihr Ehepartner hat die Scheidung beantragt. Da Sie der Auffassung sind, dass Ihre eheliche Lebensgemeinschaft nach wie vor eine Chance hat, möchten Sie keinesfalls geschieden werden. Nach drei Jahren Trennung beabsichtigt das Familiengericht gegen Ihren ausdrücklich erklärten Willen die Scheidung zu beschließen.

Fühlt sich ungerecht an, aber Sie würden umgekehrt genauso profitieren

Nach dem Gesetz beschließt das Familiengericht auch gegen den Willen eines Ehepartners die Scheidung, wenn Sie drei Jahre lang getrennt gelebt haben. Offensichtlich war es so, dass eventuelle Versöhnungsversuche nicht stattgefunden haben oder zum Scheitern verurteilt waren. Sie werden sich wohl über übel mit der Situation abfinden müssen. Für eine Ehe braucht es immer zwei Partner. Sie dürfen sich also nicht ungerecht behandelt fühlen, nur weil Sie gegen Ihren Willen geschieden werden. Wären Sie es, der unbedingt geschieden werden möchte, aber nicht darf, würden Sie sich auch über die Freiheit freuen, es doch zu tun.

3 Das Gericht halbiert mit dem Versorgungsausgleich Ihre Rentenanwartschaften

Das Familiengericht führt bei der Scheidung den Versorgungsausgleich durch. Dadurch werden Ihre Rentenanwartschaften untereinander aufgeteilt. Haben Sie mehr Rentenanwartschaften erworben als der Ehepartner, müssen Sie einen großen Teil Ihrer Rentenanwartschaften an den Ehepartner abtreten.

Fühlt sich ungerecht an, aber Sie können abweichende Regelungen treffen

Der Versorgungsausgleich beruht auf der Erwägung des Gesetzgebers, dass Ihr berufliches Engagement darauf aufgebaut war, dass Ihr Ehepartner teils oder überwiegend die Haushaltsführung und vielleicht die Kinderbetreuung übernommen hat, während Sie das Geld verdient haben. Der Erwerb von Rentenanwartschaften beruht also auf der gemeinsamen Lebensleistung beider Ehepartner. Dann erscheint es gerecht, diese Rentenanwartschaften aus Anlass der Scheidung aufzuteilen. Möchten Sie dies vermeiden, sollten Sie in einer Scheidungsfolgenvereinbarung unter Berücksichtigung der Interessen des Partners eine abweichende Regelung treffen.

4 Partner bekommt die Hälfte Ihres Vermögens

Müssen Sie Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin Vermögenswerte übertragen, haben Sie vielleicht die Einschätzung, dass der Partner die Hälfte Ihres Vermögens bekommen soll. Diese Einschätzung ist aber nur eine gefühlte Einschätzung. Rechnerisch ist es wahrscheinlich anders.

Fühlt sich ungerecht an, ist aber nicht wirklich die Hälfte

Soweit der Zugewinnausgleich durchgeführt wird und Sie etwas an den Partner zahlen müssen, haben Sie während der Ehe wahrscheinlich mehr Geld gemacht als er oder sie. Sie müssen zwar die Hälfte dieser Differenz abtreten, jedoch nicht die Hälfte Ihres Vermögens.

Oder es ist so, dass sich auf Ihrem Gemeinschaftskonto bei der Bank Guthaben befindet, Dann steht dieses Guthaben rein rechnerisch beiden Ehepartnern zu, eben weil das Konto als Gemeinschaftskonto geführt wird. Sie können dies vermeiden, indem Sie ein eigenes Girokonto führen.

5 Sie müssen hohen Zugewinn in Form von Geld zahlen

Aus Anlass der Scheidung kann jeder Ehepartner den Zugewinnausgleich beantragen. Haben Sie einen höheren Vermögenszuwachs erzielt, hat der Ehepartner Anspruch auf Zugewinnausgleich in Form von Bargeld. Um den Ehepartner auszuzahlen, sehen Sie sich eventuell veranlasst, Sachwerte möglicherweise unter Wertverlust zu verkaufen.

Fühlt sich ungerecht an, aber können Sie anders vereinbaren

Möchten Sie einen Sachwert unbedingt in Ihrem Besitz behalten, könnten Sie anbieten, den Ausgleich in anderer Form zu leisten. Vielleicht lässt sich der Ehepartner damit zufrieden stellen, dass Sie

  • den Miteigentumsanteil an Ihrer ehelichen Wohnung übertragen,
  • Wertpapiere abtreten,
  • eine Lebensversicherung finanzieren
  • oder höheren Unterhalt leisten.

Sie würden damit also einen „modifizierten“ Zugewinnausgleich verabreden.

6 Sie kriegen das Kind nicht

Haben Sie ein gemeinsames Kind, bleibt das gemeinsame Sorgerecht auch nach der Scheidung erst einmal fortbestehen. Das alleinige Sorgerecht für den anderen Elternteil kommt nur in Betracht, wenn Sie sich nach Einschätzung des Familiengerichts als erziehungsungeeignet erweisen sollten. Ansonsten wird am gemeinsamen Sorgerecht nicht gerüttelt.

Zugleich müssen Sie sich aber darüber verständigen, wer sich künftig um das Kind kümmert. Sind Sie beruflich engagiert oder gibt es Schwierigkeiten, ein Kind in Ihre neue Partnerschaft zu integrieren, muss im Regelfall der andere Partner die Kinder betreuen. Sie fühlen sich vielleicht ungerecht behandelt, werden aber eingestehen müssen, dass es wahrscheinlich gar nicht anders geht.

Fühlt sich ungerecht an, aber Sie können sich aufs Wechselmodell einigen

Sehen Sie sich für Ihr Kind in der Verantwortung, haben Sie das Recht, auch nach der Scheidung in grundlegenden Angelegenheiten des Kindes mitzuentscheiden. Der betreuende Elternteil bleibt auf Ihre Zustimmung angewiesen. Sie entscheiden also mit, welche weiterführende Schule das Kind besuchen soll oder ob es im Krankenhaus operiert werden darf.

Sehen Sie sich in der Lage, trotz Ihrer Scheidung vernünftig miteinander umzugehen und können sachlich miteinander kommunizieren, kommt auch die Betreuung im Wechselmodell in Betracht. Beim Wechselmodell betreuen beide Elternteile das Kind zeitlich und organisatorisch gleichermaßen. Das Sorgerecht wird praktisch zeitlich aufgeteilt. Damit kommt auch Ihr Sorgerecht optimal zur Geltung. Auch nach der Scheidung lässt sich das Wechselmodell ggf. gerichtlich einklagen, allerdings immer unter der Voraussetzung, dass die Elternteile kooperations- und kommunikationsfähig sind.

7 Sie müssen nach der Scheidung wieder arbeiten bzw. Sie müssen selbst nach der Scheidung noch Ehegattenunterhalt zahlen

Nach der Scheidung ist jeder Ehegatte dem Grundsatz nach selbst für seinen Lebensunterhalt verantwortlich. Dies bedeutet, dass ein Ehepartner arbeiten und Geld verdienen muss. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine eigene Sichtweise.

Sichtweise des unterhaltsberechtigten Ehepartners

Das Unterhaltsrecht schreibt den Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Scheidung fest. Dies ist das Ergebnis der Unterhaltsrechtsreform aus dem Jahr 2008. Sie haben nur noch Anspruch auf Ehegattenunterhalt nach der Scheidung, wenn Sie beispielsweise ein Kleinkind betreuen, krank oder gebrechlich sind, unverschuldet arbeitslos sind oder Ihr Einkommen für Ihren Lebensunterhalt nicht ausreicht. Lässt sich daraus kein Unterhaltsanspruch begründen oder sind Sie mit der Höhe des Unterhaltsanspruchs unzufrieden, müssen Sie wohl oder übel eigenes Geld verdienen oder im Wege des Aufstockungsunterhalts Ihre liquiden Mittel aufstocken.

Sichtweise des unterhaltspflichtigen Ehepartners

Sind Sie unterhaltspflichtig, gibt es dafür Gründe, die in der Lebenssituation des Ehepartners begründet sind. Das Gesetz erkennt nur ehebedingte Gründe an, für die Sie beide als Ehepartner Verantwortung tragen. Sind Sie danach zum Unterhalt verpflichtet, besteht Ihre Unterhaltspflicht nur so lange, als der Unterhaltsgrund fortbesteht. Wird das Kleinkind beispielsweise drei Jahre alt, endet der Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Oder leisten Sie Arbeitslosenunterhalt, endet Ihre Pflicht, wenn der Ehepartner wieder Arbeit findet. In begründeten Fällen lässt sich der Unterhaltsanspruch auch zeitlich befristen, in der Höhe einschränken oder in besonderen Fällen sogar vollständig ausschließen. Sie haben Anspruch darauf, dass der Unterhalt mindestens angepasst wird, wenn sich die maßgeblichen Umstände ändern.

Machen Sie Ihre Scheidung zusammen ein Stück weit gerechter

In den letzten 1000 Wörtern über eine ungerecht wirkende Scheidung hat sich wahrscheinlich jeder Ehepartner mindestens einmal wiedergefunden. Es könnte wahrscheinlich noch mehr Beispiele geben. Fakt ist: Es liegt in der Natur der Sache, dass es Kompromisse geben muss, und diese können nur gemeinsam geschlossen werden. Möchten Sie unnötige Nachteile vermeiden, sollten Sie alles daransetzen, Ihre Scheidung einvernehmlich zu bewerkstelligen. Eventuelle Scheidungsfolgen regeln Sie am besten außergerichtlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung. 

Wir unterstützen Sie bei der Abwicklung Ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft jederzeit – fühlen Sie sich besonders ungerecht behandelt und es ist noch nicht zu spät, stehen wir Ihnen erst recht beiseite. Nehmen Sie gern Kontakt über das untenstehende Kontaktformular auf, und Sie erhalten unter Angabe Ihrer Telefonnummer binnen 24h werktags einen Rückruf!

Foto(s): iurFRIEND

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