Was kann die neue europäische „Verordnung zur Sicherstellung des Wettbewerbs im Luftverkehr“?

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Seit 2019 besteht die „VO 2019/712 zur Sicherstellung des Wettbewerbs im Luftverkehr“, die das Ziel hat, Wettbewerbsnachteile für europäische Luftfahrtunternehmen abzuwehren. Sie soll der Europäischen Kommission ermöglichen – u.a. aufgrund einer Beschwerde von Luftfahrtunternehmen oder eines Verbandes – Maßnahmen gegen unlautere und diskriminierende Praktiken von gemeinschaftsfremden Luftfahrtunternehmen zu ergreifen. Denn oftmals sind heimische Fluggesellschaften im globalen Wettbewerb staatlich subventionierten Wettbewerbern oder anderen unfairen Praktiken ausgesetzt und erleiden einen entsprechenden Wettbewerbsnachteil. Nationale bzw europäische Wettbewerbsregel greifen in solchen Fällen oft nicht.


Was kann ein Luftfahrtunternehmen tun?


Ein oder mehrere Luftfahrtunternehmen der EU oder ein Verband von Luftfahrtunternehmen der EU hat – neben einzelnen Mitgliedstatten – das Recht, bei der EU-Kommission Beschwerde einzureichen. Die EU-Kommission ist verpflichtet, ein Untersuchungsverfahren einzuleiten, sofern Anscheinsbeweise über folgende Umstände vorliegen:


  • Eine wettbewerbsverzerrende Praxis eines Drittlands oder einer Drittlandstelle (das ist vereinfacht jede natürliche oder juristische Person in einem Drittland, die an der Erbringung von Luftverkehrsdiensten und damit zusammenhängenden Dienstleistungen beteiligt ist, wie z.B. Airlines, Groundhandler etc.) – das sind Fälle von „Diskriminierung“ oder Subventionen;
  • eine Schädigung oder drohende Schädigung eines oder mehrerer Luftfahrtunternehmen der EU; und
  • ein kausaler Zusammenhang zwischen der mutmaßlichen Praxis und der mutmaßlichen (drohenden) Schädigung.


Grundsätzlich hat die Kommission nach Einreichung einer Beschwerde höchstens fünf Monate Zeit, über die Verfahrenseinleitung zu entscheiden.


Als Diskriminierung gilt jede durch keine objektiven Gründe gerechtfertigte Differenzierung durch ein Drittland bzw eine Drittlandstelle in Bezug auf die Bereitstellung der zur Durchführung von Luftverkehrsdiensten genutzten Waren oder Dienstleistungen (inkl öffentlicher Dienstleistungen) oder in Bezug auf deren für diese Dienste relevante Behandlung durch Behörden. Umfasst sind damit auch Praktiken im Zusammenhang mit der Flugsicherung oder mit Flughafeneinrichtungen und -diensten, der Betankung, der Bodenabfertigung, der Sicherheit, Computerreservierungssystemen, der Zuweisung von Zeitnischen, Gebühren und der Nutzung sonstiger Einrichtungen oder Dienste für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten. Meist wird es um die Anwendung unterschiedlicher Preise gehen.


Als Subvention gilt wiederum eine von einer staatlichen oder sonstigen öffentlichen Stelle eines Drittlandes geleistete finanzielle Beihilfe bzw. Einkommens- oder Preisstützung.


Untersuchung


Nach Einleitung des Untersuchungsverfahrens holt die Kommission alle Informationen ein, die sie für die Durchführung der Untersuchung als notwendig erachtet, und prüft deren Richtigkeit. Für die Feststellung einer Schädigung sind alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere:


  • Die Situation der betreffenden Luftfahrtunternehmen der EU, vor allem in Hinblick auf Dienstefrequenz, Kapazitätsauslastung, Netzeffekte, Umsatz, Marktanteil, Gewinn, Rentabilität, Investitionen und Beschäftigung; sowie
  • die allgemeine Situation auf den Märkten der betroffenen Flugdienste, vor allem in Hinblick auf das Preisniveau, Kapazität und Frequenz der Luftverkehrsdienste oder die Netzauslastung.


Verläuft die Untersuchung positiv und liegen keine Aussetzungs- oder Einstellungsgründe vor, stehen Abhilfemaßnahmen gegen die wettbewerbsverzerrende Praxis zur Verfügung (sog „injury track“). Liegt eine Verletzung von Verpflichtungen aus internationalen Luftverkehrsabkommen oder Abkommen über Flugdienste oder anderen Abkommen mit Bestimmungen über Luftverkehrsdienste vor, kann alternativ das Verfahren ausgesetzt und die Verletzung nach dem in einem solchen Abkommen vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus behandelt werden (sog „violation track“).


Abhilfemaßnahmen sollen die sich aus einer wettbewerbsverzerrenden Praxis ergebende Schädigung beseitigen. Sie werden den von dieser Praxis profitierenden Luftfahrtunternehmen eines Drittlandes auferlegt. Die Kommission kann dazu finanzielle Abgaben oder operative Maßnahmen auferlegen. Die Kommission hat bei ihrer Entscheidung auch immer das Unionsinteresse zu berücksichtigen – liegen etwa die übrigen Voraussetzungen für den Erlass von Abhilfemaßnahmen vor, liefe dieser Erlass jedoch dem Unionsinteresse zuwider, muss die Kommission die Untersuchung ohne Abhilfemaßnahmen einstellen.


Erlass, Beibehaltung, Änderung oder Aufhebung von Abhilfemaßnahmen werden durch das sogenannte Ausschussverfahren im Prüfungsverfahren entschieden – hier haben die EU-Mitgliedstaaten ein wesentliches Mitspracherecht. Die Kommission ist damit von diesen abhängig, und die Effektivität der Verordnung muss erst ihren Praxistest bestehen.


Artikel auf shb-law.at



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