Was Sänger Gil Ofarim getan hat. Und was er jetzt dringend tun sollte!

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Nein, das Leben ist kein Lied. 

Ein Grund, weshalb ich Jurist geworden bin: Ich mag das Prinzip des (weltlichen) Gerichts. Fakten sammeln, die eine Geschichte erzählen, welche dann nach klaren gesetzlichen Vorgaben bewertet wird. Wenig verachte ich mehr als das Vertreten einer „Wahrheit“, die nicht auf Fakten beruht. Sondern auf Befindlichkeit. Wahrheit ist keine Befindlichkeit. Sie ist meist viel klarer, als wir es wahrhaben (!) wollen. 

Faktenfindung vor dem Prozess

Diese Woche wurde wieder ein Beispiel dafür vorgelegt: Gil Ofarims tausendfach geteiltes Instagram-Video (ja, auch von unserer Kanzlei), in dem der Sänger die Mitarbeiter eines Hotels des Antisemitismus beschuldigt. Doch statt als Opfer steht Ofarim nun bald als Angeklagter vor Gericht: Wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung (§ 164 Abs. 1 StGB). Im Prinzip sind Prozesse vor einer Bewertung natürlich abzuwarten, hier jedoch liegt eine Besonderheit vor: Das Video hatte für so großes Aufsehen gesorgt - sogar in den USA war ausführlich darüber berichtet worden - dass eine Ermittlung in Gang gesetzt wurde, die der Faktenfindung eines Prozesses in nichts nachsteht. 

Er wollte wohl Rache

DER SPIEGEL hat Einblick in diese Ermittlung, in die Befragungen sowie in die Analysen der Videoaufnahmen. Zwei Hotelgäste, die hinter Ofarim in der Schlange standen, wurden vor ihm eingecheckt. Der Grund dafür war jedoch nicht der von Ofarim behauptete, sondern dass ihr Check-In vorbereitet, also fertig war. Mit Antisemitismus hatte das null zu tun, mit einer David-Stern-Kette ebenso wenig, das sagen über 30 Zeugen, Hotelgäste wie -personal. Ofarim fühlte sich zurückgesetzt, er wollte wohl Rache. So simpel sind die Fakten. 

Gefühltes Recht?  

Ich empfehle den entsprechenden SPIEGEL-Artikel, wäre ich Ofarims Anwalt, würde ich ihm dazu raten, sofort umfangreich zu gestehen. Denn hier geht es nicht darum - wie auf Social-Media nun oft behauptet - dass Ofarim „sehr wahrscheinlich schon Antisemitismus erlebt“ hat (und deshalb gefühlt eben doch irgendwie im Recht sei), hier geht es allein um die von ihm erzählte und verbreitete, offensichtlich falsche Geschichte. 

Der Fall Gina Lisa

Mich erinnert das an Gina Lisa. Obwohl dem Gericht damals (2012) ein Video vorlag, das das wahre Gesamtgeschehen zeigte, blieb sie stur bei ihrer Behauptung, vergewaltigt worden zu sein. Derart medienwirksam, dass der Fall Gina Lisa sogar zu einer, gesellschaftlich richtigen, juristisch jedoch schwierigen Gesetzesänderung führte. Auch Lisa sprangen damals viele mit dem „Argument“ zur Seite, dass sie sich eben - nach dem Geschehen - so wie von ihr behauptet „gefühlt“ hatte. Und dies ausreichend sei. Was natürlich Unsinn ist. Der Fall brachte uns dann das schlampig erarbeitete „Nein heißt nein“-Gesetz (in § 177 StGB) ein, dem kaum mit üblicher Faktensammlung beizukommen ist. Gerichte, die sich damit befassen, werden oft gezwungen, einer Seite mehr zu glauben, als der anderen. Mein anfangs genannter Grund, weshalb ich Jurist geworden bin, hat damit nicht mehr viel zu tun.  

Schwer zu ertragen

Gina Lisa wurde letztlich zur Zahlung von 20.000 Euro wegen Vortäuschung einer Straftat (§ 145d StGB) verdonnert. Entweder hat Gil Ofarim das nicht mitbekommen, oder solche Strafen sind in Social-Media-Zeiten einfach zu gering, um abzuschrecken. „Irgendwas bleibt immer hängen“, heisst es über Falschbehauptungen. Gina Lisa hat es geschafft, bis heute von der deutschen Öffentlichkeit als Opfer gesehen zu werden. Und Ofarim hat das so immens wichtige Anliegen Deutschlands „Nie wieder Antisemitismus!“ international mit einem kurzen Instagram-Video mal eben in die Tonne getreten. Das ist schwer zu ertragen, und noch schwerer zu entschuldigen. 

Doch genau darum sollte Gil Ofarim nun bitten, um Entschuldigung. So rasch es geht! 

Herzlichst, 

Gerhard Rahn (Fachanwalt für Strafrecht) 

#Ofarim #GilOfarim #Verleumdung #Vortäuschung #Straftat #Falschbehauptung #GinaLisa #Antisemitismus

(Redaktion Rahn: Frank Jaspermöller) 


Foto(s): Privat (Screenshot Instragram-Video Gil Ofarim)

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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