Rente von toter Mutter kassiert - Freispruch!

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Dieser aktuelle Fall von mir geht derzeit durch die Medien (u.a. BILD). Da in den Artikeln bei weitem nicht alle Fakten genannt werden, möchte ich hier näher erläutern, weshalb der von mir erwirkte Freispruch das einzig richtige Urteil war. Obwohl er zunächst verwundert. 

Meinem Mandanten Oliver H. (55) wurde vorgeworfen, den Tod seiner Mutter nicht gemeldet und ihre Rente kassiert zu haben. Knapp 21.000 Euro. Das ist so auch korrekt. Doch erfüllt es, wie die Staatsanwaltschaft meinte, wirklich den Tatbestand des Gewerbsmäßigen Betruges? Die Mutter, Jahrgang 1941, wurde Mitte Mai 2019 zuletzt gesehen. 

Polizei verweigert Ermittlungen

Als eine enge Freundin sich Ende Mai 2019 nach ihr erkundigte, antwortet H., sie sei nach Litauen gereist, um dort eine entfernte Verwandte zu pflegen. Die Freundin glaubte dies nicht, wollte eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgeben. Dort war man der Meinung, dass dies der Sohn doch längst getan hätte, würde die Mutter tatsächlich vermisst werden. Ein naiver Trugschluss. Erst als die Freundin eigene Nachforschungen angestellt hatte, u.a. beim Hausarzt der Vermissten, nahm sich die Kripo der Sache schließlich an. Der Sohn begann sich in Widersprüche zu verstricken, rief am 19. Januar 2020 selbst den Notruf und die Polizei entdeckt die mumifizierte Leiche der Mutter in ihrer Badewanne. 

Leiche in Folie eingewickelt

Oliver H’s. Version: Seine Mutter sei im November aus Litauen zurückgekehrt und dann in der Wanne gestorben. Er war mit der Situation überfordert, hätte die Beerdigungskosten nicht tragen können, weshalb er den Leichnam an Ort und Stelle belassen und in Folie eingewickelt hätte. (Ein schönes Beispiel für den Grundsatz: Immer schweigen, bis der Anwalt sich die Sache unter vier Ohren angehört hat.) Vieles daran war nicht glaubwürdig, es gibt keinen Beleg für einen Aufenthalt der Mutter in Litauen. Der Zustand der Leiche ließ zudem erkennen, dass der Tod um einiges früher eingetreten sein muss, als wie angegeben im Oktober. Ende Mai vielleicht? 

Wo keine Pflicht, da auch kein Betrug

Die Staatsanwaltschaft warf meinem Mandanten deshalb Gewerbsmäßigen Betrug vor und beantragte 14 Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Dass der unterschlagene Betrag zurückgezahlt werden muss, davon ging sie ebenfalls aus. Beides ist jedoch nicht berechtigt. Denn tatsächlich gibt es in Deutschland keine gesetzliche Pflicht dazu, den Tod von Angehörigen bei der Rentenkasse zu melden. Und wo keine Pflicht ist, da kann auch kein Betrug sein - sehr einfach. Die Rentenkasse wiederum hätte, um an ihre Erstattung zu kommen, diese innerhalb eines Jahres einfordern müssen. Das war nicht passiert. Ergo: 

Freispruch! 

Das einzige, was mein Mandant Oliver H. zahlen muss, ist ein Bußgeld von 200 Euro, da er laut sächsischem Bestattungsgesetz eine Leichenschau hätte ermöglichen müssen, und zwar unmittelbar nach dem Tod der Mutter. 

Nun mögen sich manche, wie die Freundin der Mutter, echauffieren über das Urteil. In der Tat ließe sich sagen, es sei durch eine Gesetzeslücke zustande gekommen. Doch Gerichte müssen sich nun einmal nach den gegebenen Gesetzen richten. Nicht nach moralischen Maßstäben. Oliver H. lebt inzwischen wieder vom Bürgergeld. Die Rente seiner Mutter ist aufgebraucht.

Herzlichst, 

Gerhard Rahn, Fachanwalt für Strafrecht

AZ 1 Ds 630 Js 7778/20



Foto(s): Symbol-Bild: Pixabay

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