Was tun bei einer Festnahme – ein Leitfaden

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Eine Festnahme oder Verhaftung sind Situationen, die für die meisten Menschen unbekannt sind. Wie soll ich mich verhalten, was kommt auf mich zu, und wie komme ich aus dieser Situation heraus – sind nur einige der Fragen, die den Betroffenen in diesem Augenblick durch den Kopf schießen. Was Sie nicht tun sollten, was Sie tun können, und was ein Anwalt für Sie tun kann – wir haben die wichtigsten Informationen für Sie in einem Leitfaden zusammengefasst.

Was Sie tun können

1. Bewahren Sie Ruhe und machen Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch

Machen Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch und lassen Sie sich nicht auf eine polizeiliche Befragung ein. Grund ist, dass viele Verhandlungen mit einem Schuldspruch enden, weil sich der Beschuldigte unmittelbar nach seiner Festnahme zu den Tatvorwürfen geäußert hat. Das ist eine prekäre Situation, die emotional aufgeladen ist und zu spontanen Äußerungen verleitet. Viele Betroffene haben in dieser Situation einen erhöhten Redebedarf, auch, um mögliche Missverständnisse schnell aus der Welt zu schaffen. Auch der Aufforderung der Polizei, sich zu erklären, sollten Sie nicht nachkommen. Oftmals stellt die Polizei die Gründe für die Festnahme fadenscheinig dar. Auf diese Weise soll der Beschuldigte, der bezüglich dieser Situation unerfahren ist, dazu verleitet werden, diese Vorwürfe ganz schnell klarstellen und die Sachlage zurechtrücken zu wollen. Deswegen ist Schweigen die beste Lösung. Schweigen darf niemals zum Nachteil des Beschuldigten ausgelegt werden. Ohnehin ist die Polizei verpflichtet, Sie zu belehren und darauf hinzuweisen, dass Sie das Recht haben zu schweigen.

Die Polizei darf Sie nicht ohne Weiteres freisetzen, unabhängig davon, was Sie ihr erzählen. Mit einer Einlassung können Sie sich einer Verhaftung oder Festnahme nicht entziehen. Das gilt insbesondere im Falle einer Verhaftung. Hier entscheidet nicht die Polizei, sondern ein Richter im Rahmen der sogenannten Haftvorführung innerhalb von 48 Stunden darüber, ob Sie in Haft bleiben oder nicht. Da Sie an Ihrer Situation zunächst nichts ändern können, sollten Sie Ruhe bewahren und freundlich sein. Die erste Möglichkeit einzugreifen ist die Haftvorführung, und das sollten Sie Ihrem Anwalt überlassen.

2. Leisten Sie keinen Widerstand

Auf aktiven Widerstand gegen die Polizei oder gegen polizeiliche Maßnahmen sollten Sie verzichten. Diese Aktivitäten bestärken den Verdacht, dass eine Straftat vorliegt. Im schlimmsten Fall wirken sie sich strafschärfend aus, da aktiver Widerstand nach § 113 StGB (Strafgesetzbuch) strafbar ist. Wenn Sie das Gefühl haben, dass nicht alles rechtmäßig ist, was die Polizei verlangt, sollten Sie das mit Ihrem Anwalt besprechen. Das sind Umstände, die später vor Gericht geklärt werden können, sofern es zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Fehler der Polizei können dazu führen, dass es zu einem Beweisverwertungsverbot kommt. Beweisverwertungsverbote können zur Folge haben, dass bestimmte Beweisergebnisse bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt werden dürfen.

Was Ihr Anwalt tun kann

Wichtig ist, dass Sie Ihren Verteidiger möglichst frühzeitig kontaktieren, denn er kann einiges für Sie tun. Im Falle einer Untersuchungshaft ist der Haftbesuch Ihres Anwalts dringend notwendig, damit Sie eine Vollmacht unterzeichnen können, die Ihren Verteidiger handlungsfähig macht. Erst nach der Erteilung der Vollmacht kann er sich einen Überblick verschaffen. Diesen Überblick erhält er zum einen durch das Mandantengespräch, also das Gespräch mit Ihnen, und zum anderen durch die Akteneinsicht.

Mögliche anwaltliche Aktivitäten:

1. Ein Anwalt kann Sie bereits bei der Haftvorführung unterstützen und möglicherweise bewirken, dass Sie aus der Haft entlassen werden. Um das zu erreichen, muss er den Richter davon überzeugen, dass gegen Sie kein Haftgrund vorliegt. Zu den in § 112 Abs. 1 StPO (Strafprozessordnung) genannten Haftgründen gehören Fluchtgefahr, Wiederholungsgefahr und Verdunkelungsgefahr.

2. Ihr Verteidiger wird außerdem Akteneinsicht beantragen und Sie detailliert über den genauen Sachverhalt informieren und darüber, was Ihnen zur Last gelegt wird. Erst nach dem Mandantengespräch wird der Anwalt entscheiden, ob es sinnvoll ist, dass Sie sich als Beschuldigter mündlich einlassen oder weiterhin von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Möglich ist auch, dass der Anwalt mit Ihrer Unterstützung eine schriftliche Einlassung erarbeitet, die den Ermittlungsbehörden vorgelegt wird. Aus den vorliegenden Informationen kann der Anwalt eine auf Ihren Fall zugeschnittene Verteidigung entwickeln, sofern das erforderlich ist, und gegebenenfalls Rechtsmittel einlegen. Mögliche Rechtsmittel gegen die Anordnung der Untersuchungshaft sind die Haftprüfung und die Haftbeschwerde. Regelmäßig müssen Rechtsmittel begründet werden, wobei der Anwalt diese Details – Durchführung und Begründung – übernimmt.

3. Immer wieder passiert es, dass Haftbefehle nicht nur vorschnell, sondern auch rechtlich falsch erlassen werden. Das bedeutet, dass die Chancen nicht schlecht stehen, dass ein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt oder sogar aufgehoben wird. Das hat zur Folge, dass der Festgenommene sofort wieder auf freien Fuß gesetzt wird.

Beispiele für fehlerhafte Haftbefehle:

  • Rund 90 Prozent aller Haftbefehle begründen den Haftgrund mit Fluchtgefahr, ohne dass eine entsprechende rechtliche Begründung vorliegt, ganz zu schweigen von Tatsachen, die die vermeintliche Fluchtgefahr belegen.
  • Voraussetzung für einen Haftbefehl ist außerdem ein sogenannter dringender Tatverdacht. Das bedeutet, dass aufgrund bestimmter Tatsachen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat. Auch diese Voraussetzung wird oftmals übersehen oder nicht ausreichend dargelegt, sodass eine notwendige Begründung für den Haftbefehl fehlt.
  • Außerdem darf ein Haftbefehl nicht unverhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass die Verhaftung im Verhältnis zu der Rechtsfolge stehen muss, die im Falle einer möglichen Verurteilung erwartet wird. Auch die Verhältnismäßigkeit ist eine Fehlerquelle, weil sie oftmals pauschal angenommen wird, ohne dass eine tatsächliche Prüfung vorgenommen wird.

Der Unterschied zwischen einer Festnahme und einer Verhaftung

Die vorläufige Festnahme wird vollzogen, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für einen Haftbefehl vorliegen beziehungsweise wenn eine Person auf frischer Tat ertappt wird oder Gefahr im Verzug ist. Die Festnahme ist zeitlich begrenzt. Das Festnahmerecht besteht nur bis zum darauf folgenden Tag. Das bedeutet, dass die festgenommene Person unverzüglich, jedoch spätestens einen Tag nach der Festnahme einem Richter vorzuführen ist, der die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls prüft. Dazu gehören neben einem dringenden Tatverdacht auch Haftgründe wie Fluchtgefahr, Wiederholungsgefahr und Verdunkelungsgefahr sowie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Ergeht kein Haftbefehl, muss die betreffende Person nach § 115a StPO unverzüglich freigelassen werden.

Umgekehrt ist es möglich, dass bereits ein Haftbefehl erlassen wurde, bevor der Verdächtige festgenommen wird. Dann muss der Beschuldigte unmittelbar nach seiner Festnahme einem Richter vorgeführt werden. Dieser verkündet den Haftbefehl und prüft, ob der Festgenommene in Untersuchungshaft kommt. Eine Verhaftung ist eine der einschneidendsten rechtlichen Eingriffe des Staates, denn durch die Verhaftung verliert der Beschuldigte seine Freiheit. Eine Verhaftung erfolgt regelmäßig überraschend und plötzlich. Das entspricht dem Kalkül der Ermittlungsbehörden, die auf diese Weise Druck aufbauen und den Beschuldigten zu einem möglichst raschen Geständnis bewegen möchten. Das geht einher mit einer entsprechenden Kommunikation, indem dem Beschuldigten im Falle eines Geständnisses beispielsweise eine Strafmilderung oder ein Aussetzen des Haftbefehls in Aussicht gestellt werden.

Festzuhalten ist, dass bei einer Festnahme noch kein Haftbefehl vorliegt, während die Verhaftung nur aufgrund eines Haftbefehls erfolgt. Der Haftbefehl kann jedoch nur vom Ermittlungsrichter auf der Grundlage eines Antrags seitens der Staatsanwaltschaft erlassen werden. Ist der Beschuldigte aufgrund eines Haftbefehls verhaftet worden, kommt er in Untersuchungshaft, nachdem er dem Ermittlungsrichter vorgeführt wurde. Unter Umständen ist eine Haftverschonung möglich.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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