Was tun bei erneuter Verschuldung im Rahmen einer freigegebenen selbständigen Tätigkeit?

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Wird über das Vermögen einer selbständigen Person das Insolvenzverfahren eröffnet, muss seitens der Insolvenzverwaltung erklärt werden, ob die selbständige Tätigkeit aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben wird oder nicht. Dies gilt auch, wenn der Insolvenzschuldner eine selbständige Tätigkeit erst während des bereits laufenden Insolvenzverfahrens aufnimmt. 

Die Freigabe hat für den Schuldner den Vorteil, dass er seine selbständige Tätigkeit auf eigene Rechnung fortsetzen kann, wohingegen die Verbindlichkeiten, die bereits vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind, als Insolvenzforderungen nicht mehr gegen ihn persönlich, sondern nur über das Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Mit anderen Worten kann die selbständige Tätigkeit quasi wieder neu und ohne Altlasten gestartet werden. 

Auf der anderen Seite ist die Freigabe mit dem Risiko verbunden, dass neue Verbindlichkeiten entstehen, wenn sich die selbständige Tätigkeit (erneut) nicht profitabel gestalten lässt. Da diese Verbindlichkeiten nach der Insolvenzeröffnung entstanden sind, können sie zum einen - ohne Rücksicht auf das laufende Insolvenzverfahren - gegen den Insolvenzschuldner persönlich und direkt geltend gemacht werden und zum anderen werden sie nicht von der Restschuldbefreiung des Insolvenzverfahrens erfasst. 

Der Betroffene wird sich in dieser Situation die Frage stellen, ob er im Hinblick auf seine freigegebene Selbständigkeit ebenfalls einen Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsantrag stellen kann. In einem Beschluss vom 22.07.2021 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein erneuter Restschuldbefreiungsantrag unzulässig ist, solange über die bereits vorher beantragte Restschuldbefreiung noch nicht entschieden wurde. Wann ein erneuter Restschuldbefreiungsantrag wieder möglich bzw. zulässig ist, hängt insoweit also davon ab, wann und wie über den Restschuldbefreiungsantrag des bereits laufenden Insolvenzverfahrens entschieden wurde. Wurde die Restschuldbefreiung erteilt, besteht für einen erneuten Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung eine Sperrfrist von 10 Jahren (bzw. von 11 Jahren für Insolvenzverfahren, die ab dem 01.10.2020 beantragt wurden). Wurde die Restschuldbefreiung versagt, ergibt sich eine Sperrfrist von 3 oder 5 Jahren - abhängig davon, aus welchem konkreten Grund die Versagung erfolgte.

Nach den vorstehenden Feststellungen ist der Betroffene, der im Rahmen seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit erneut in wirtschaftliche Schieflage geraten ist, somit gehalten, die Entscheidung über das bereits laufende Restschuldbefreiungsverfahren abzuwarten und kann dann nach Ablauf der jeweils einschlägigen Sperrfrist erneut ein Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahren in Anspruch nehmen. Folge ist, dass der Betroffene die neuen Verbindlichkeiten vermutlich jahrelang vor sich herschieben muss, bis wieder Zugang zu einem gerichtlichen Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahren besteht. 

Zur Lösung dieser misslichen Situation bestehen zwei Möglichkeiten: 

Zum einen kann der Betroffene versuchen, mit den Neugläubigern Ratenzahlungsvereinbarungen bzw. Vergleiche über die Rückführung der Forderungen zu treffen. 

Ist der Betroffene wirtschaftlich nicht in der Lage, mit den Gläubigern eine entsprechende Lösung herbeizuführen bzw. sind die Gläubiger nicht bereit, die Vorschläge des Betroffenen zu akzeptieren, kann der Betroffene zum anderen in Betracht ziehen, den Restschuldbefreiungsantrag des bereits laufenden Insolvenzverfahrens zurückzunehmen und nachfolgend ein erneutes Insolvenz- bzw. Restchuldbefreiungsverfahren zu beantragen, von dem nun auch die neu hinzugekommenen Forderungen bzw. Gläubiger erfasst werden.

Die Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags ist grundsätzlich jederzeit möglich. Sobald jedoch ein zulässiger Versagungsantrag eines Gläubigers vorliegt, ist die Rücknahme nicht mehr möglich (es sei denn, der Gläubiger, der den Versagungsantrag gestellt hat, stimmt der Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags zu).

Zu erwähnen ist, dass es bei Rücknahme eines Restschuldbefreiungsantrags keine Sperrfristen für die Beantragung eines neuen Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahrens gibt. Gleichwohl ist zu empfehlen, eine gewisse Zeit abzuwarten, bis der neue Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsantrag gestellt wird. Amtsgerichtlich wurde bereits einmal entschieden, dass ein neuer Antrag nur einen Tag nach Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags unzulässig sei.  

Hinweis: Der vorstehende Rechtstipp wurde nach bestem Wissen und mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt. Gleichwohl wird für Inhalt, Richtigkeit und Vollständigkeit keine Gewähr übernommen. Die Rechtslage kann sich zwischenzeitlich geändert haben. Verbindliche und belastbare Auskünfte können nur nach Vereinbarung eines entsprechenden Mandats sowie nach eingehender Betrachtung des Einzelfalles erfolgen.












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