Wirecard AG: Untersuchungsergebnisse über die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers

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Im Handelsblatt vom 11. November 2021 ist unter dem Link www.handelsblatt.com/wambach der Bericht über die Ergebnisse des Ermittlungsauftrags der beauftragten Wirtschaftsprüfer von Rödl & Partner zur Unterstützung der Arbeit des 3. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Deutschen  Bundestags (Wirecard-Untersuchungsausschuss) abrufbar. Schwerpunkt der Sonderprüfung war im Wesentlichen die Fragestellung zur Tätigkeit des Abschlussprüfers Ernst & Young, Stuttgart. Gefragt wurde, welches Verständnis der Prüfer vom Geschäftsmodell der Wirecard AG hatte, insbesondere betreffend das TPA-Geschäft (TPA = Third Party Acquirer). Der Whistleblower, der die Sache ins Rollen brachte, war Mitglied des indischen Prüfungsteams von Ernst & Young. Die Wirecard AG hatte simulierte Forderungen gegenüber abhängigen Gesellschaften im Ausland ausgewiesen. Bei diesen Dritten handelt es sich um sogenannte Third Party Acquirer. Die Ermittlungen von Rödl & Partner konzentrierten sich ferner auf die folgenden Fragen.

  1. Wie ist das Prüfungsurteil zum Konzernabschluss 2016 entstanden?
  2. Wie bildet sich das TPA-Geschäft in den Arbeitspapieren zu den Abschlussprüfungen des Geschäftsjahres 2014 ab? Wie wurde mit Betrugsindikatoren (den sog. Fraud-Triggering-Events) umgegangen?
  3. Sind die Angaben zur Altersstruktur der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen im Konzernanhang 2016 vollständig?
  4. Welche Nachweise wurden für die bilanzielle Beurteilung des TPA-Geschäfts in den Jahren 2014-2016 herangezogen?
  5. Welche Nachweise wurden für die bilanzielle Beurteilung des Ausweises der „EscrowAccounts“ (Treuhandkonten) in 2015 herangezogen?
  6. Welche prüferischen Konsequenzen werden aus der Tatsache gezogen, dass Wirecard die Dritt-Acquirer (TPAs) als „ausgelagerte Dienstleister“ nutzt?

In dem Prüfungsbericht von Rödl & Partner werden die Ergebnisse der Sonderprüfung zusammengefasst. Hiernach habe sich der Prüfer Ernst & Young intensiv mit dem TPA-Geschäftsmodell auseinandergesetzt. Es hätten sich Ansatzpunkte gezeigt, dass der Abschlussprüfer die Vorgaben der IDW-Prüfungsstandards nicht vollumfänglich umgesetzt habe. Eine systematische Analyse der Betrugsindikatoren gemäß IDW PS 210 (2012), Tz. 35, hätte in Bezug auf das TPA-Geschäft zu einer erhöhten kritischen Grundhaltung und weitergehenden Prüfungshandlungen führen können. Die Qualität der dokumentierten Prüfungsnachweise, auf die sich der Abschlussprüfer stütze, sei nicht durchgehend von hoher Verlässlichkeit, da es sich häufig nicht um Drittbestätigungen, sondern um unternehmensintern erstellte Unterlagen und mündliche Auskünfte handeln würde. Im Konzernanhang 2016 würden möglicherweise entscheidungsrelevante Angaben zur Altersstruktur von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen fehlen. Für die TPAs sei keine erkennbare Beurteilung des internen Kontrollsystems bei der Auslagerung der Rechnungslegung erfolgt, IDW-PS 331 (2010). Das TPA-Geschäft hätte im Prüfungsbericht zum Konzernabschluss 2015 als sachverhaltsgestaltende Maßnahme erläutert werden können. Die kaum erkennbare Berichterstattung über das TPA-Geschäft im Konzernlagebericht 2015 habe eine sachgerechte Beurteilung und Analyse von Geschäftsverlauf und Lage durch einen verständigen Adressaten erschwert.

Fazit: Der Untersuchungsbericht von Rödl & Partner belegt eine Anzahl von Regelverstößen in Bezug auf unterlassene Prüfungshandlungen bei der Wirecard AG durch den Abschlussprüfer Ernst & Young, Stuttgart. Der Bericht stellt die bisher qualifizierteste  Grundlage zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen dar. Die Erfahrungswerte aus dem Sonderprüfungsbericht Wirecard AG bezüglich der konkreten Eigenschaften überhöhter Forderungen dürfen nicht lösgelöst von der Rechtspraxis gesehen werden. Sie lassen sich auf nahezu alle größeren Insolvenzverfahren mit geringer Quote übertragen. Sie stützen sich – in einfachen Worten formuliert - darauf, dass nicht alle zum Konzern zugehörigen Gesellschaften in einer Konzernbilanz mit den gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten erfasst werden. Gegenseitige Forderungen und Verbindlichkeiten würden sich dann aufheben.


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