Weil es alle so machen, oder: Was antworte ich der Bußgeldstelle?

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Der Anhörungsbogen trifft ein, manchmal auch in Gestalt eines Zeugenfragebogens. Was nun? Vielleicht ist es die erste Eingebung, vielleicht auch erst eine Idee nach längerem Nachdenken: Einen anderen Fahrer angeben!

Natürlich ist man mit dieser Idee nicht der Erste. Die Bußgeldstellen wissen wohl ein Lied davon zu singen. Die genannten üblichen Verdächtigen sind Omas, Opas, Ausländer (möglichst weit weg) oder Bedürftige, die sich ihren selbstlosen Einsatz als Namensgeber vielleicht sogar noch bezahlen lassen, aber allesamt Menschen, denen Punkteeintrag und Fahrverbot gleichgültig wären.

Die Frage, die sich hier stellt, lautet: Kann diese Methode Erfolg haben?

Ja, grundsätzlich und theoretisch kann man damit durchkommen. Das setzt aber eine ziemlich schlafmützige Sachbearbeitung in der Bußgeldstelle voraus, was nach meiner Erfahrung der eher seltene Fall ist. Man sollte sich den Ablauf der Bearbeitung vergegenwärtigen:

Nach Eingang des Messfotos in der Bußgeldstelle erfolgt eine erste Auswertung. Aus dem Bild wird das Kennzeichen in eine Datei übertragen und zusätzlich schon vom Auswerter markiert, ob es sich bei dem Fahrer um Mann oder Frau handelt oder man dies nicht erkennen kann. Danach werden die Daten nach Flensburg zum Kraftfahrbundesamt geschickt, von wo nach kurzer Zeit die Antwort mit den Daten des Fahrzeughalters kommen. Diese Daten werden automatisch übernommen und Anhörungen oder Zeugenfragebögen ausgedruckt. Schon an dieser Stelle unterscheidet die Software nach Geschlecht oder zwischen natürlichen oder juristischen Personen. Ist der Fahrer ein Mann und wird als Antwort auf dem Anhörungsbogen eine Frau angegeben und deren Daten in den Datensatz eingegeben, fällt vermutlich schon der Software der Widerspruch zwischen erster Eintragung zum Fahrergeschlecht und Ergebnis der Anhörung auf. Das kann also nicht erfolgreich im Sinn der Anfangsfrage werden.

Nicht mehr automatisch aber vermutlich wird dennoch auffallen, dass der benannte Opa mit seinen 76 Jahren nicht zum Erscheinungsbild des nur 30-jährigen Fahrers passt. Auch dieser Weg dürfte demzufolge bei eklatanten Altersunterschieden versperrt sein.

Bleibt der Ausländer. Aber auch Antworten in diese Richtung zählen zum Standardrepertoire von Ausreden und werden daher gewöhnlich in den Bußgeldstellen nicht anders behandelt. Meine Meinung (und Erfahrung) ist daher, dass man mit einer solchen Antwort gerade deswegen nichts erreichen kann.

Wie ein aktueller Fall beweist, kann die Sache sogar richtig danebengehen: Im Anhörungsbogen wurde ein Pole mit polnischer Adresse als Fahrer benannt. Die Behörde vermutete wie üblich eine Ausrede und betrieb das Bußgeldverfahren gegen den Auskunftsgeber normal weiter. Es folgte Bußgeldbescheid, Verhandlung und Verurteilung. Parallel gab man das Verfahren aber auch an die Staatsanwaltschaft weiter. Dort wurde ein Ermittlungsverfahren wegen falscher Verdächtigung (§ 164 StGB) eröffnet und schließlich ein Strafbefehl beantragt, der auch vom Amtsgericht erlassen wurde. Vorläufiges Ergebnis (wir haben Einspruch eingelegt; das Verfahren läuft noch) der „Notlüge" auf dem Anhörungsbogen war dann eine Geldstrafe von 2.000 EUR und eine weitere Eintragung in Flensburg von 5 Punkten.

Fazit: Früher waren Verfahren wegen falscher Verdächtigung die absolute Ausnahme. Der Umstand, dass ich aber in jüngerer Zeit mehrfach mit solchen Verfahren zu tun bekommen habe, zeigt mir, dass bei den Behörden ein Umdenken eingesetzt hat. Wer selbst der Fahrer war und die falsche Auskunft gibt, geht inzwischen ein gewisses Risiko ein, wegen einer Straftat belangt zu werden. Wer als Halter eine falsche Auskunft gibt, trägt natürlich gleichfalls dieses Risiko. In seiner Situation kann aber die Ausgangslage etwas anders sein. Als Halter wird man zwar mitunter auch gefragt, wer der Fahrer war; oft zielt die Frage aber richtigerweise dahin, wem der Wagen überlassen worden war. Das Wissen zur zweiten Frage darf man meines Erachtens von einem Halter erwarten, angesichts undeutlicher Fahrerfotos nicht aber die Kenntnis, wer konkret zur Tatzeit mit dem Wagen gefahren ist. Derjenige, der den PKW bekommen hat, könnte schließlich auch einen Dritten ans Steuer gelassen haben. Dieser Möglichkeit steht im Übrigen auch nicht eine eventuelle vertragliche Verpflichtung entgegen, den Wagen nur selbst fahren zu dürfen. Dagegen kann schließlich auch verstoßen worden sein.

Übrigens: Wer eine erfundene oder schon verstorbene Person als Fahrer benennt, kann sich nicht strafbar machen, weil diese vermeintlichen Fahrer objektiv keinem Straf- oder Bußgeldverfahren ausgesetzt werden können. Das wird in der Bußgeldstelle aber schon deshalb auffallen, weil der Anhörungsbogen vermutlich als unzustellbar zurückkommt.

Und zu guter Letzt: Wenn man einem Mandanten diese Lage lang und breit erläutert und auch noch darauf hingewiesen hat, dass die Rechtsschutzversicherung für diese Beratung nicht aufkommt und das halbstündige Anwaltsgespräch bei durchschnittlichem Honorarsatz etwa 80 bis 100 EUR netto kostet, kommt meist die Frage: Und was raten Sie mir?

RA Klaus Kucklick, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Tel. (0351) 80 71 8-70, kucklick@dresdner-fachanwaelte.de

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