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Wer haftet bei Unfall vor der Waschanlage?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Wer seinen Wagen in einer Autowaschanlage reinigt, nutzt oftmals auch die Gelegenheit, den Pkw von innen zu putzen. Schließlich stellen die meisten Waschanlagenbetreiber hierfür z. B. Parkbuchten samt Staubsaugereinrichtung zur Verfügung. Doch aufgepasst: Diese Parktaschen befinden sich regelmäßig an der Ausfahrtsstraße – jeder Waschanlagennutzer muss sich daher früher oder später an den „Putzteufeln“ vorbeischlängeln. Kommt es hierbei zu einer Kollision, stellt sich die Frage, wer schuld am Unfall war.

11-Jähriger wird von einem Kfz angefahren

Ein Vater wollte zusammen mit seinem 11-jährigen Sohn die Familienkutsche reinigen. Dazu fuhr er auf das Gelände einer Waschanlage, auf dem sich rechts und links von der Ausfahrtsstraße mehrere Parktaschen mit fest montierten Staubsaugern befanden. Nachdem er sein Kfz dort abgestellt hatte, holte sein Sohn die Abdeckmatte aus dem Kofferraum und bewegte sich dabei ein Stück rückwärts in Richtung der Ausfahrtsstraße.

Diese nur ca. 3,20 Meter breite Straße wurde in diesem Moment jedoch von einem Taxifahrer benutzt. Der war mit ca. 10 km/h unterwegs, konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr dem Jungen über den Fuß. Der prallte gegen das Fahrzeug und verletzte sich so schwer, dass der herbeigerufene Polizeibeamte einen Krankenwagen rief. Später verlangte das Kind Schmerzensgeld – was der Taxifahrer rigoros ablehnte. Schließlich trage der Junge die alleinige Schuld an dem Unfall – für ihn selbst sei die Kollision dagegen unvermeidbar gewesen, weil das Kind ihm ins Auto gelaufen sei. Im Übrigen bestreite er die vorgebrachten Verletzungen. Der Streit der Parteien endete letztendlich vor Gericht.

Taxifahrer war zu schnell unterwegs

Das Amtsgericht (AG) Kassel war der Ansicht, dass der Taxifahrer die alleinige Verantwortung für den Unfall trägt, und verpflichtete ihn daher zur Zahlung von Schmerzensgeld.

Zunächst einmal wies das Gericht darauf hin, dass der Unfall zwar technisch unvermeidbar gewesen sei – rechtlich gesehen habe der Taxifahrer die Kollision jedoch verhindern können. So war vorliegend bereits die Ausfahrtsstraße mit 3,20 Metern erkennbar zu schmal, um ein gefahrloses Vorbeifahren an den Parkbuchten zu ermöglichen. Autofahrer müssen in solchen Fällen stets nach Fußgängern, die um ihr Fahrzeug herumlaufen, Ausschau halten.

Nur wenn ein Passieren ohne Probleme möglich ist, darf weitergefahren werden. Ansonsten muss sich der Autofahrer mit dem Fußgänger – z. B. mittels Blickkontakt – verständigen oder gar anhalten. Vorliegend jedoch war der Taxifahrer einfach die Ausfahrtsstraße entlanggefahren, ohne auf herumstehende bzw. herumlaufende Passanten in den Parkbuchten Rücksicht zu nehmen. Im Übrigen hätte er lediglich mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen, um sicherzustellen, dass er im Notfall schnell anhalten kann. Anstatt der erlaubten 7 km/h war er aber mit 10 km/h unterwegs – und damit zu schnell. Immerhin hätte er jederzeit mit herumlaufenden Fußgängern rechnen müssen.

Kein Mitverschulden des 11-Jährigen

Der Junge hatte den Unfall dagegen nicht nach § 254 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mitverschuldet. Zwar hat er sich beim Herausholen der Kofferraummatte etwas zurück in Richtung der Ausfahrtsstraße bewegt. Ein solches Verhalten ist jedoch als vollkommen normal anzusehen– immerhin waren Vater und Sohn zum Zwecke der Autoreinigung auf das Gelände der Waschanlage gefahren und wollten vor der Reinigung die störenden Gegenstände aus dem Kfz entfernen. Ferner kann das bloße Benutzen eines Parkplatzes nicht als Mitverschulden gewertet werden.

Zwar hat sich ein 11-Jähriger – wie ein Erwachsener auch – nach etwaigen Gefahrenquellen umzusehen, bevor er sich in eine bestimmte Richtung fortbewegt. Allerdings gilt das generell nicht für den Bereich, den die Passanten benutzen dürfen, um den Wagen in der Parkbucht zu reinigen. Da dieser Vorgang – z. B. wegen eines aufgeklappten Kofferraums – für passierende Autofahrer offensichtlich ist, müssen sie ausreichend Sicherheitsabstand halten. Vorliegend hat sich der Junge noch immer in dem Bereich um das parkende Fahrzeug seines Vaters aufgehalten, der Taxifahrer dagegen ist zu dicht an den Parkbuchten vorbeigefahren.

Das Gericht hielt 3000 Euro Schmerzensgeld für angemessen. Schließlich musste der Junge wochenlang mit einem Gipsfuß herumlaufen, hatte Schmerzen und konnte unter anderem einige Zeit nicht bzw. nicht ohne elterliche Hilfe an diversen Freizeitaktivitäten teilnehmen. Nach Ansicht des Gerichts ging damit eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität für den 11-Jährigen einher.

Aufgrund des „unangemessenen Regulierungsverhaltens“ des Taxifahrers erhöhte das Gericht den genannten Betrag um 20 Prozent auf 3600 Euro. Der Taxifahrer hatte nämlich unter anderem nicht nur unberechtigterweise sämtliche Schuld auf das Kind geschoben, sondern auch noch die Verletzungen bestritten, obwohl ein herbeigerufener Polizeibeamter diese selbst gesehen und daraufhin den Rettungswagen gerufen hatte.

(AG Kassel, Urteil v. 21.04.2015, Az.: 435 C 5128/12)

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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