Wer pflegt, bekommt im Erbfall mehr!

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Jedes Jahr werden immer mehr Senioren von ihren Angehörigen daheim gepflegt. 

Da der Pflegebedarf aufgrund der Altersstruktur in Deutschland von Jahr zu Jahr weiter zunehmen wird, ist das Engagement der Familie weiterhin sehr wichtig. Die Pflege, die innerhalb der Familie gewährt wird, erfolgt oft ohne finanziellen Ausgleich.

Einen Ausgleich für die Pflegeleistungen eines Angehörigen kann man unter Umständen durch das Erbrecht erlangen.

Denn der Gesetzgeber hat bereits im Jahre 2010 geregelt, dass die häusliche Pflege im Erbfall besser honoriert wird. Davon profitieren pflegende Kinder und Enkelkinder.

Das Gesetz bietet in § 2057a BGB einen Ausgleich:

§ 2057a

Ausgleichungspflicht bei besonderen Leistungen eines Abkömmlings

(1) Ein Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit, durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde, kann bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen verlangen, die mit ihm als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen; § 2052 gilt entsprechend. Dies gilt auch für einen Abkömmling, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat.

Hiernach kann ein Kind, Enkelkind, Adoptivkind oder nichteheliches Kind, welches gesetzlicher Erbe ist, bei der Erbauseinandersetzung vor der Verteilung des Nachlasses einen Ausgleichbetrag verlangen, wenn es den Erblasser längere Zeit gepflegt hat.

Nach dieser Regelung erhalten jedoch Schwiegertöchter, Ehegatten, Eltern oder andere Freunde und Verwandte keinen Ausgleich.

Auch regelt § 2057a BGB nur den Fall der gesetzlichen Erbfolge.

Hat der Erblasser ein Testament errichtet und wurde dort eine Ausgleichung für Pflege nicht erwähnt, dann kann unter Umständen auch nichts verlangt werden. Hier kommt es dann auf die ausdrückliche Regelung im Testament an. Bei der Testamentserrichtung kann daher nur empfohlen werden, genau zu bedenken, ob ein pflegendes Kind später eine Ausgleichung bekommen soll, und wenn ja, dies ausdrücklich zu regeln

Der Anspruch auf den Ausgleich für die Pflegeleistungen richtet sich nur gegen andere gesetzliche Erben, die „Abkömmling“ sind.

Der Anspruch richtet sich also nicht gegen die Ehefrau, den Ehemann, gegen Geschwister des/der Verstorbenen.

Der Ausgleichsanspruch ist ausgeschlossen, wenn bereits vor dem Erbfall eine Gegenleistung für die Pflege erbracht wurde. Hierunter fallen z. B. Geldleistungen oder die Übertragung von Eigentum.

Es sei denn, die gewährten Gegenleistungen sind wertmäßig wesentlich geringer als der Wert der Pflegeleistung, dann kann eventuell ein Restanspruch bestehen.

Die Höhe der Pflegeleistung hat der Gesetzgeber leider nicht geregelt.

Denn der Gesetzgeber hat hier nur den Ansatzpunkt geliefert, dass sich die Höhe der Vergütung an den Pflegesätzen der Pflegeversicherung orientiert.

Zudem muss die erbrachte Pflegeleistung intensiv sein und über einen längeren Zeitraum erfolgt sein.

Wie wird die erbrachte Pflege im Erbfall nun vergütet?

Hierzu ein Beispiel: Ein Vater war in den letzten 15 Monaten seines Lebens pflegebedürftig und wohnte bei seiner Tochter. Diese ist voll berufstätig und hat sich neben ihrem Beruf um den Vater gekümmert. Der Bruder konnte sich an der Pflege des Vaters aus persönlichen Gründen nicht beteiligen. Der Vater hinterlässt beiden Kindern ein Geldvermögen von 150.000 Euro. 

Die Tochter macht nun im Erbfall geltend, dass sie 100 Stunden an Pflegeleistungen im Monat erbracht hat – bei einem unterstellten Stunden­lohn von 8,50 Euro für Pflegekräfte macht das 850,00 Euro pro Monat. Für die gesamte Pflegezeit von 15 Monaten hat sich das auf 12.750 Euro summiert. 

Diesen Betrag kann die Tochter als Pflegevergütung beanspruchen.

Bei der Verteilung des Erbes wird dieser Betrag vorab von den 150.000 EUR abgezogen, d. h., die 12.750 EUR gehen an die Tochter vorab. Der Restbetrag von 137.250 EUR wird dann unter den Geschwistern hälftig geteilt (sofern kein abweichendes Testament vorliegt). Der Sohn bekommt somit 68.625 EUR und die Tochter die 68.625 EUR + zusätzlich die 12.750 EUR als Pflegevergütung für den Vater, insgesamt 81.375 EUR

In der Praxis gibt es jedoch häufig dadurch Probleme, dass ein Geschwister die Pflege oder deren Umfang bestreitet. Für das pflegende Kind heißt das dann, dass es seine erbrachte Pflege beweisen muss. Es sollte daher eine Art Pflegetagebuch geführt werden, in dem der pflegerische Aufwand festgehalten wird, eventuell, sofern noch möglich, ist auch eine schriftliche Bestätigung des zu pflegenden Elternteils hilfreich.

Solche Unstimmigkeiten zwischen den Geschwistern können aber z. B. durch eindeutige Regelungen im Testament vermieden werden. Dort kann der Pflegebedürftige schon zu Lebzeiten möglichst detailliert auflisten, wer ihn ab wann gepflegt hat und wie diese Leistung als Vo­rausvermächtnis aus dem Nachlass finanziell ausgeglichen werden soll. Es kann auch vermerkt werden, dass sofern ein Kind zukünftig pflegt dann einen besonderen finanziellen Ausgleich erhalten soll.

Eine Regelung im Testament hat weiter den Vorteil, dass auf diesem Weg der Pflegebedürftige auch diejenigen bedenken kann, die ohne Testament leer ausgehen würden, nämlich Schwiegertöchter und -söhne ebenso wie Nachbarn, Bekannte oder Freunde.

In diesem Sinne wünsche ich aber, dass Sie gesund bleiben

Rechtsanwältin Diana Wollinger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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