Widerrufsrecht beim Privatkredit – Tipps zur Umschuldung und zum Widerruf

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Privatkredit widerrufen

Verträge, die bereits vor einigen Jahren geschlossen wurden, heute noch widerrufen? Grundsätzlich undenkbar, sind die einschlägigen Widerrufsfristen in der Regel doch schon lange abgelaufen. Eine Ausnahme bilden nun Verbraucherkreditverträge, die nach dem 11.06.2020 mit Banken, Volksbanken oder Sparkassen abgeschlossen wurden. Diese können auch heute noch widerrufen werden. Bedanken können sich Verbraucher beim Europäischen Gerichtshof, der ihnen diesen Widerrufsjoker mit einem aktuellen Urteil (EuGH, Urteil vom 06.03.2020, C-66/19) zugesteht.

Worum geht es in dem Urteil?

Konkret geht es um folgende Widerrufsbelehrung, die sich genauso oder in ähnlicher Form in nahezu allen Verbraucherkreditverträgen findet, die ab dem 11.06.2010 geschlossen wurden:

„Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angaben zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“

Im Zentrum des Urteils steht der zweite Satz der Belehrung, der für den Beginn der Widerrufsfrist auf § 492 Abs. 2 BGB verweist. Selbige Vorschrift enthält allerdings selber noch nicht die „Pflichtangaben“, sondern verweist den Verbraucher erneut weiter, nämlich Art. 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Diese Weiterverweisung – juristisch spricht man von der sogenannten Kaskadenverweisung – genügt nach Ansicht der Richter beim Europäischen Gerichtshof nicht dem in Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Erfordernis, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts in einem Kreditvertrag in klarer und prägnanter Form anzugeben sind.

Welche Folgen hat das Urteil?

De facto führt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs dazu, dass die dem Verbraucher zustehende Widerrufsfrist noch gar nicht begonnen hat. Dies geschieht nämlich gemäß Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/48 erst, wenn der Verbraucher die Informationen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie über die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts in klarer und prägnanter Form erhalten hat. Und genau dies ist aufgrund der diesbezüglich unzureichenden Widerrufsbelehrung bis heute (noch) nicht geschehen.

Da diese 14-tägige Frist, innerhalb derer der Verbraucher den Kreditvertrag ohne Angabe von Gründen widerrufen kann, noch nicht begonnen hat, ist sie selbstredend auch noch nicht abgelaufen. Verbraucher können die in Rede stehenden Kreditverträge also auch heute noch frei widerrufen.

Lohnt sich der Widerruf überhaupt?

Grundsätzlich lohnt sich der Widerruf gerade bei älteren Verträgen aus den Jahren 2010 bis 2014; also bei Verträge aus einer Zeit, als auch für Immobilienkreditverträge noch Zinsen von bis zu 3 % aufgerufen wurden. Gerade hier können Verbraucher die ihnen aufgebürdete Zinslast durch eine Umschuldung erheblich senken.

Wird dieser Vorteil denn nicht dadurch wieder aufgewogen, dass Verbraucher den an sie ausgezahlten Kredit samt eines Nutzungsersatzes an das Kreditinstitut zurückzahlen müssen? Ja und nein. Es ist zwar korrekt, dass sich der Kreditvertrag durch den Widerruf des Verbrauchers in ein sogenanntes Rückgewährschuldverhältnis verwandelt und die Vertragsparteien sämtliche bisher ausgetauschte Leistungen zurückgewähren müssen. Allerdings muss die Bank, Volksbank oder Sparkasse seinem Kunden alle bisher gezahlten Tilgungen und Zinsen zurückerstatten. Und da die Zinsen auf die gezahlten Tilgungen in der Regel höher sind als der Nutzungsersatz, den das Kreditinstitut verlangen kann, ist der vom Verbraucher noch aufzubringende Restbetrag häufig geringer als die noch offene Restschuld, die beim Verzicht auf den Widerruf gezahlt werden müsste.  


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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