Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte gem. §§ 113, 114 StGB - Hilfe vom Fachanwalt

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Einen kleinen Konflikt mit der Polizei gehabt? Passiert häufiger als man meint! Viele Bürger kommen im Rahmen von Veranstaltungen, Demonstrationen oder gar im Alltag (z.B. allgemeine Verkehrskontrolle) in Kontakt mit den sogenannten Vollstreckungsbeamten / Amtsträgern. Das Verhältnis steht oft unter Anspannung, die sich mitunter von beiden Seiten (Polizei und/oder Bürger) entlädt. Nun kann ein solcher Konflikt schnell strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. In diesem Beitrag erklärt Ihnen Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Ahaus, Borken), was es bedarf damit eine Strafbarkeit wegen eines Widerstandes gegen oder eines Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten entsteht und was Ihnen als Rechtsfolge droht.


Vollstreckungsbeamte und Vollstreckungshandlung

Wer gegen einen Vollstreckungsbeamten Widerstand leistet, der wird gem. § 113 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Um diesen Tatbestand zu erfüllen, müssen verschiedene Voraussetzungen vorliegen. 

Zuerst stellt sich die Frage, was überhaupt Vollstreckungsbeamte sind. Das sind Personen die zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Verfügungen, Urteilen oder Beschlüssen berufen sind. In der Praxis fallen vor allem Polizeibeamte, Gerichtsvollzieher, Soldaten der Bundeswehr, Zollbeamte oder Strafvollzugsbeamte darunter.

Die genannten Personen müssen in der Situation des Vorfalls jedoch ausdrücklich eine konkrete Vollstreckungshandlung vornehmen. Es muss eine konkrete Handlung gegen eine oder mehrere Personen durch den Beamten erfolgen. Die Handlung darf noch nicht beendet sein, sondern es muss zur Erfüllung des Tatbestandes ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang der Tat zur Vollstreckungshandlung bestehen.

Mögliche Vollstreckungshandlungen eines Polizisten: 

  • Entfernung eines Beschuldigten aus der Polizeiwache
  • Vornahme einer allgemeinen Verkehrskontrolle
  • Suche nach einem Straftäter oder Wohnungsdurchsuchung


Nicht darunter fallen: Die Begleitung eines Demonstrationszuges, die Vernehmung eines Beschuldigten oder der allgemeine Streifendienst. Achtung: Diese Handlungen können aber Diensthandlungen darstellen, welche unter den Tatbestand des § 114 StGB fallen. 


Widerstand leisten § 113 StGB

Um sich strafbar zu machen, muss nun gegen den Vollstreckungsbeamten Widerstand geleistet werden. Widerstand leistet wer sich aktiv gegen den Vollstreckungsbeamten wehrt und somit die Vollstreckungshandlung erschwert oder verhindert. Dabei muss der Täter Gewalt anwenden oder dem Vollstreckungsbeamten mit Gewalt drohen. Bei der Anwendung von Gewalt muss der Täter den Vollstreckungsbeamten direkt körperlich angreifen also beispielsweise schlagen. Sogar der Sprung vor ein fahrendes Polizeiauto kann eine entsprechende Gewaltanwendung darstellen. Auch das bloße Losreißen aus dem Polizeigriff ist strafbar oder das Stemmen gegen das Abführen.  

Keine Gewalt liegt vor, wenn man sich weigert den Anweisungen der Beamten Folge zu leisten und sich wegdreht. Das bloße Sich-Entziehen aus einem locken Festhaltegriff oder das bloße Sitzen-Bleiben stellen keine Gewalt dar. Diese Handlungen sind folglich nicht strafbar. 

Achtung: Das Sitzen-Bleiben mit vorherigem Festkleben auf der Straße ("Klimakleber") wird durch die Rechtsprechung derzeit als Widerstandshandlung eingestuft. Denn die Räumung der Straße durch Wegtragen des Klimaaktivisten wird durch das vorherige Festkleben mit Sekundenkleber erschwert.    

Bei der Vornahme einer Drohung genügt die Drohung mit Gewalt gegen den Vollstreckungsbeamten. Dem Vollstreckungsbeamten muss demnach ein Übel in Aussicht gestellt werden auf dessen Verwirklichung der Drohende Einfluss hat. Beispielsweise würde die Drohung den Vollstreckungsbeamten niederzuschlagen, wenn er eine andere Person nicht loslässt, den Tatbestand erfüllen. Die Drohung mit möglichen späteren Rachehandlungen ist nicht nach § 113 StGB strafbar, aber eine Strafbarkeit gem. § 240 StGB könnte vorliegen. 


Tätlicher Angriff § 114 StGB 

Strafbar ist es gemäß § 114 StGB, einen Amtsträger während einer Diensthandlung tätlich anzugreifen. Der Begriff des Amtsträger ist etwas weiter gefasst als der des Vollstreckungsbeamten aber stimmt größtenteils mit dem des Vollstreckungsbeamten überein, sodass die vorherige Aufzählung als Anhaltspunkt dienen kann. 


Diensthandlungen sind anders als bei § 113 StGB keine konkreten Vollstreckungshandlungen, sondern es genügt die Ausübung des Dienstes wie

  • Streifendienst
  • Vernehmungen
  • Vorführungen
  • Begleitung eines Demonstrationszuges
  • Entgegennahme/Aufnahme von Strafanzeigen.

Wird der Polizist nun bei einer solchen Tätigkeit unmittelbar körperlich angegriffen, dann macht sich der Täter gemäß § 114 StGB strafbar. Dabei muss nicht die Diensthandlung als solches verhindert werden, sondern eine allgemeine Feindseligkeit genügt. Zu beachten ist hierbei, dass anders als bei § 113 StGB eine Drohung nicht genügt, sondern es einen tatsächlichen körperlichen Angriff geben muss. 

Das Anspucken mit einem Blut-/Speichelgemisch stellt einen solchen tätlichen Angriff auf den Vollstreckungsbeamten dar. Auch ein Tritt gegen das Schienbein des Beamten oder ein Faustschlag ins Gesicht erfüllen den Tatbestand. Wird der Amtsträger angespuckt, angeniest oder angehustet mit dem Wissen, dass man eine ansteckende Krankheit hat, ist dies ebenfalls als Gewaltanwendung einzustufen. 

Achtung: 

  • Nicht nötig für die Straftatverwirklichung ist, dass z.B. der Polizist berührt wird. Es genügt z.B. ein Flaschenwurf in Richtung der Polizeibeamten, der die Beamten verfehlt.  
  • Ebenfalls ist kein Körperverletzungsvorsatz nötig, um sich wegen eines tätlichen Angriffs strafbar zu machen. 

Bestraft wird der tätliche Angriff auf einen Amtsträger gem. § 114 StGB mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.


Rechtmäßigkeit der Handlung und Irrtumskonstellationen

Die Vollstreckungs- oder Diensthandlung muss rechtmäßig sein ansonsten ist die Tat nicht strafbar. Dies bedeutet unabhängig davon was der Täter denkt, wenn die Handlung faktisch nicht rechtmäßig war, entfällt die Strafbarkeit.

 Anders ist es, wenn der Täter davon ausgeht die Handlung sei nicht rechtmäßig, aber sie ist es. Dann liegt ein Irrtum vor, welcher in § 113 Abs. 4 StGB geregelt ist. Dabei wird unterschieden, ob der Irrtum vermeidbar war oder nicht. War der Irrtum vermeidbar, also konnte der Täter erkennen, dass die Maßnahme rechtmäßig war, dann kann das Gericht die Strafe mildern oder bei geringer Schuld von einer Strafe absehen. Bei einem unvermeidbaren Irrtum, der Täter konnte also nur davon ausgehen, dass die Maßnahme unrechtmäßig war, dann ist die Tat nicht strafbar.


Wie erkennt man, ob eine Handlung rechtmäßig war?

Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Indizien, dass eine Handlung nicht rechtmäßig war, sind zum Beispiel:

  • fehlende Belehrung des Beschuldigten
  • bei Identifizierungsmaßnahme wurde der Tatverdacht nicht eröffnet
  • bei der Zwangsvollstreckung sind keine Zeugen vor Ort
  • die ausdrückliche Erteilung eines Platzverweises erfolgte nicht vor der zwangsweisen Durchsetzung des Verweises.

Auch Tatsachen wie eine fehlende Zuständigkeit bzw. eine fehlende Eingriffsermächtigung sind maßgeblich für unrechtmäßige Handlungen. Die meisten Umstände zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit sind im Zeitpunkt der Tathandlung für Unerfahrene nicht offenkundig. 

Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme durch einen erfahrenen Strafverteidiger ist demnach unumgänglich, um zu überprüfen inwiefern der jeweilige Amtsträger / Vollstreckungsbeamte die Handlung vornehmen durfte. Dies übersteigt regelmäßig die Kenntnisse des Beschuldigten. 


Besonders schwere Fälle 

Im zweiten Absatz des § 113 StGB sind besonders schwere Fälle normiert, welche sowohl für § 113 StGB als auch für § 114 StGB gelten. Diese besonders schweren Fälle stellen bestimmte Konstellationen dar, indem der Gesetzgeber eine erhöhte Strafdrohung als angemessen erachtet hat. Liegt ein besonders schwerer Fall vor, dann ist die Tat mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

Als Beispiele für einen besonders schwere Fall sind genannt:

  • Beisichführen einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs
  • Gewalttätigkeit des Täters bringt Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung
  • gemeinschaftliche Begehung mit anderen Beteiligten

Das Beisichführen beinhaltet nicht das Benutzen des jeweiligen Gegenstandes, sondern es genügt, dass der Täter diesen Gegenstand in seinem Gewahrsam hat. 

Unter den Begriff der Waffe fallen Schusswaffen, Messer, Schlagstock oder ähnliches. Als gefährliches Werkzeug gelten bspw. Holzknüppel, Elektroschockgeräte, Pfefferspray oder Küchenmesser. 

Als Gewalttätigkeit gelten aggressive Handlungen also die unmittelbare gegen die Person wirkende physische Kraft. Dies können Schüsse, Steinwürfe oder schnelles Zufahren mit einem Kfz sein. Durch diese Handlung muss das Opfer in die Gefahr des Todes kommen oder der schweren Gesundheitsschädigung. 

Eine gemeinschaftliche Begehung liegt vor, wenn mindestens zwei Personen die Tat begehen und sich dadurch die tatbestandsspezifische Gefahr erhöht.


Kein Strafverfahren ohne Verteidiger!

Die Verfolgung von Straftaten nach §§ 113, 114 StGB ist sehr akribisch.

Die Strafen sind wesentlich härter als bei gleichwertigen Taten gegenüber anderen Zivilisten. Verfahrenseinstellungen, z.B. gegen Geldauflage, sind bei erwiesener Strafbarkeit ungleich schwieriger zu erkämpfen, als wenn ein Zivilist geschädigt worden wäre.

Die Prozeßlage ist zudem komplizierter: Polizisten sind selten alleine und sprechen ihre Aussagen untereinander ab. Eigenes Fehlverhalten von Polizisten soll zumeist gerade durch die "Widerstandsanzeige" überspielt werden. Vor Gericht sind Polizeizeugen nur schwierig "zu knacken" und sie genießen sozusagen systembedingt eine höhere Glaubhaftigkeit vor Gericht, als jeder andere Zeuge.         

Demnach sollte der Vorwurf einer solchen Straftat äußerst ernst genommen werden und das Engagieren eines Strafverteidiger ist unerlässlich. Die Einstellung eines solchen Verfahrens muss zumeist wie gesagt hart erkämpft werden. Ein erfahrener Strafverteidiger kann Ihnen beratend zur Seite stehen, für Sie entlastende Umstände geltend machen, die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns prüfen und mit Ihnen besprechen, was nötig ist, um eine solche Einstellung des Verfahrens anzustreben. Wenden Sie sich vertrauensvoll an Rechtsanwalt Urbanzyk aus Coesfeld (bei Dülmen, Gescher, Stadtlohn), Fachanwalt für Strafrecht, wenn die Staatsmacht Ihnen das Gefühl gibt, Widerstand sei zwecklos.  

Foto(s): Heiko Urbanzyk

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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