(Wiederholte) Verletzung der Unterhaltspflicht

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Wer unterhaltspflichtig (Kinder/Ehegatten/Eltern) und leistungsfähig ist, den geschuldeten Unterhalt aber nicht zahlt, macht sich strafbar.

§ 170 Strafgesetzbuch (StGB) bestimmt:

(1) Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so dass der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einer Schwangeren zum Unterhalt verpflichtet ist und ihr diesen Unterhalt in verwerflicher Weise vorenthält und dadurch den Schwangerschaftsabbruch bewirkt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Meiner Erfahrung nach sind Strafverfolgungsbehörden recht „großzügig“ mit der Einschätzung der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Schuldners. Als ich zuletzt bei einem Amtsgericht saß und auf meinen Termin wartete, konnte ich die Diskussion zwischen dem Richter und Staatsanwalt mitverfolgen, die darüber berieten, wie man dem Verhalten des ausgebliebenen Angeklagten Herr werden könne. Von der Unschuldsvermutung war da nichts zu spüren.

Und tatsächlich werden nahezu alle wegen Verletzung der Unterhaltspflicht Angeklagten verurteilt, wenn sie sich nicht verteidigen lassen.

Und sie werden in der Regel mit Freiheitsstrafe bestraft – beim ersten Mal, ausgesetzt zur Bewährung; im wiederholten Falle ohne Bewährung. Das ist aber bereits systemwidrig. Denn die Vorschrift sieht auch eine Geldstrafe vor und eine kurze Freiheitsstrafe soll nur dann verhängt werden, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen (§ 47 Abs. 1 StGB).

Wie bereits gesagt, gilt die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK, Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). D. h., dass die Strafverfolgungsbehörden dem jeweils Verdächtigen nachweisen müssen, dass er zum Zeitpunkt oder im Zeitraum der unterlassenen Unterhaltszahlung leistungsfähig war.

Leistungsfähig ist, wer Einkommen und Vermögen hat, welches über dem jeweils geltenden Selbstbehalt liegt.

Die Anklage muss alle notwendigen Tatsachen zusammentragen, um die Voraussetzungen zu erfüllen.

Deshalb gilt: Arbeiten Sie nicht mit den Behörden zusammen, weil Sie sonst an Ihrer eigenen Verurteilung mitwirken! Machen Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch!!!

Häufig werden in einer Anklage Zeiträume erfasst, in welchen die Unterhaltsleistungen nicht erbracht worden sein sollen. Dazu hatte u. a. das OLG Celle ausgeführt:

"Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit über einen längeren Zeitraum nach Durchschnittssätzen trägt dem Schutzzweck von § 170 StGB, der vorrangig dem Schutz des Unterhaltsberechtigten vor der Gefährdung seines materiellen Lebensbedarfs dient (Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., 2010, § 170 Rn. 1 m. w. N.), nicht genügend Rechnung. Letztlich würde eine Beurteilung nach Durchschnittssätzen zu einer weitgehend fiktiven Bestimmung der Einkünfte und Belastungen des Unterhaltsschuldners führen, die seine tatsächliche Lebenssituation in dem Moment in dem die monatlich geschuldete Unterhaltspflicht zu erbringen ist, nicht erfasst."

Es stellt für das Gericht ein sehr großes Problem dar, die einzelnen Verletzungstatbestände, Monat für Monat, ordnungsgemäß festzustellen, um damit eine Grundlage für eine Verurteilung zu schaffen. Die allermeisten, mir vorliegenden Anklagen sind bereits falsch.

Problem der wiederholten Verletzung der Unterhaltspflicht

Wer einmal wegen Verletzung der Unterhaltspflicht verurteilt worden ist, und gegen den dann erneut wegen weiterer Verletzungen ermittelt wird, hat ein Problem. Wegen der neuen Tat(en) drohen weitere Freiheitsstrafen und wegen der alten Tat ggf. der Widerruf der Bewährung.

Tatsächlich ist eine Anklage wegen weiterer Nichtzahlung in den meisten Fällen gar nicht zulässig. Die Staatsanwaltschaften machen es sich in diesem Bereich aber leicht. Ständig habe ich Anklagen in denen sinngemäß steht:

1. Vom Amtsgericht XY wurde der Angeschuldigte wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, welche zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

2. Der Angeschuldigte hat in dem Zeitraum vom … bis … wiederum die von ihm geschuldete Unterhaltsleistungen nicht erbracht.

Mehr findet sich in den Anklageschriften nicht. Eine solche Anklage darf nicht zur Hauptverhandlung zugelassen werden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl.v. 23.9.2014 – 2 BvR 2545/12) hat zum andauernden Unterlassungsdelikt ausgeführt:

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2. Bei Unterlassungsdauerdelikten müssen die Gerichte sich deshalb nach einer ersten Verurteilung mit der Frage auseinandersetzen, ob durch das weitere Unterlassen überhaupt erneut schuldhaft Unrecht verwirklicht wird. Sie müssen prüfen, ob ein Angeklagter angesichts der Einmaligkeit einer von ihm geforderten Leistung durch die bloße Fortsetzung seines Nichthandelns ein erneutes rechtlich verbotenes Verhalten gezeigt hat, das eigenständiger Sanktionierung zugänglich ist (vgl. BVerfGK 10, 134 <140>). 

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Darüber hinaus haben die Gerichte den Schuldumfang der von ihnen angenommenen zweiten Tat im Verhältnis zur ersten Tat zu erörtern. Dass der Staat durch einen bloßen, nicht näher begründeten Verweis auf die dogmatische Figur der „Zäsurwirkung“ einer vorausgegangenen Verurteilung selbst die Voraussetzungen für die Verurteilung wegen einer vermeintlich neuen Tat schafft, stellt einen offensichtlichen Verstoß gegen das Schuldprinzip dar, denn nicht die individuelle Schuld ist in einem solchen Fall Grund der Bestrafung und Grundlage der Strafzumessung, sondern die von Zufälligkeiten abhängige Geschwindigkeit der Strafverfolgung (vgl. BVerfGK 10, 134 <140 f.>). 

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Dies bedeutet aber nicht, dass der ersten Verurteilung keinerlei Abgrenzungsfunktion zukäme. Sie markiert die zeitliche Grenze für den möglichen Beginn der Verwirklichung neuen schuldhaften Unrechts durch die Fortsetzung des Nichthandelns entgegen der durch die jeweilige Strafnorm begründeten rechtlichen Verpflichtung. Fasst der Verurteilte einen neuen, von dem ersten qualitativ verschiedenen, weil die erste Verurteilung außer Acht lassenden Tatentschluss, bleibt eine zweite Verurteilung ohne Verstoß gegen das Schuldprinzip möglich (vgl. BVerfGK 10, 134 <141>). (…)“

In diesen Fällen ist die Beiordnung als Pflichtverteidiger immer geboten!


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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