Wirtschaftsprüfertestat: Haftungsgefahren bei Fehlern in Vorjahresabschlüssen

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Fehlerhafte Darstellungen von Jahresabschlüssen führen in Insolvenzverfahren mit einer geringen Insolvenzquote zur Frage der Haftung.

Die tatsächliche Vermutung, dass es dem Anleger für seine Anlageentscheidung auf die Richtigkeit aller wesentlichen Prospektangaben ankomme, erfasse Feststellungen in einem veröffentlichten Wirtschaftsprüfertestat grundsätzlich auch dann, wenn es sich auf einen überholten Stichtag beziehe und ein neuer bestätigter Jahresabschluss zu erwarten war. Auch ein überholter Bestätigungsvermerk begründe zumindest das Vertrauen, dass die Anlage in dem bestätigten Umfang zu dem maßgeblichen Zeitpunkt keine Mängel aufwies, die zur Verweigerung oder Einschränkung des Testats hätten führen müssen, BGH, Urteil vom 21. 2. 2013 – III ZR 139/12; OLG Dresden (lexetius.com/2013,902).

In Bezug auf die Beurteilung der Auswirkungen auf die Rechnungslegung und das Prüfungsurteil ist im IDW Prüfungsstandard "Wesentlichkeit im Rahmen der Abschlussprüfung" (IDW PS 250 n.F. vom 12.12.2012, Tz. 24-26 festgehalten, dass der Abschlussprüfer die gesetzlichen Vertreter oder andere Führungskräfte auf einer geeigneten Managementebene in angemessener Zeit über alle zusammengestellten falschen Angaben informieren und sie ersuchen muss, die bislang nicht korrigierten falschen Angaben zu korrigieren. 

Die nicht korrigierten falschen Angaben sind vom Abschlussprüfer in die Aufstellung nicht korrigierter Prüfungsdifferenzen aufzunehmen, soweit diese nicht zweifelsfrei unbeachtlich sind. Unterlassen die gesetzlichen Vertreter die Korrektur einiger oder aller falscher Angaben, so sind die Gründe hierfür bei der Bildung des Prüfungsurteils zu berücksichtigen. 

Werden Fehler in den Abschlüssen festgestellt, die aus Vorjahresabschlüssen unkorrigiert fortwirken, wie etwa unterlassene Abschreibungen, stellt sich die Frage nach der Korrektur. Beachtlich ist dieses: Fehlerkorrekturen erfolgen gewohnheitsrechtlich durch Gegenbuchungen. Der alte Mangel muss also durch eine umgekehrte Gegenbuchung aufgehoben werden. Es folgt dann die richtige Buchung. 

Effekte, die sich aus der Korrektur von Bilanzfehlern in Vorperioden, aus Schätzungsänderungen und aus Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden ergeben, sind nach HGB meist erfolgswirksam in der laufenden Berichtsperiode zu erfassen. Eine Änderung von festgestellten Jahresabschlüssen bzw. gebilligten Konzernabschlüssen ist grundsätzlich nur dann zwingend vorgesehen, wenn es sich um einen fehlerhaften, kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage vermittelnden Jahres- bzw. Konzernabschluss, mithin um einen materiellen Fehler handelt und wenn eine kurzfristige, den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Informationsvermittlung, durch Korrektur in laufender Rechnung nicht erreicht werden kann (Mantke, Folgewirkungen nicht korrigierter Fehler des Vorjahres, WPg 2019, 205.

Fazit: In der Regel ist das Gericht gehalten, für beweisbedürftige Umstände einem Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen (BGHZ 159, 245 = NJW 2004, 2825 = NZV 2004, 510 [511] – Arzthaftung; BGH, NJW 2006, 152 – Unfallanalytik). Ein häufiger Verfahrensfehler besteht darin, wegen angeblich fehlender Anknüpfungstatsachen kein Gutachten einzuholen. Bereits für die Beantwortung der Frage, ob ein Umstand als Anknüpfungstatsache geeignet ist, ist sachverständiges Wissen erforderlich. Der Verzicht auf ein Gutachten wegen eigener Sachkunde muss ausführlich und auch den Parteien vorher mit einem Hinweis dargelegt werden (BGH, NJW 2015,1311), nach Hess/Burmann, Der Sachverständigenbeweis in Haftpflichtprozessen, NJW 2019, 492. Die Minderpräsenz des Rechts in ökonomischen Disziplinen kann durch Sachverständigengutachten überwunden werden.


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