Wulff unterliegt als Person der Zeitgeschichte wegen §23 KUG vor dem BGH

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Unter dem Titel „Wer Bettina liebt, der schiebt“ hatte das Boulevardblatt „Neue Post“ am 20. Mai 2015 einen Artikel über den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff und seine Ehefrau Bettina veröffentlicht. Bereits zuvor hatte die ebenfalls zur Bauer Media Gruppe gehörende Illustrierte „People“ am 13. Mai 2015 einen Artikel unter dem Titel „Liebes-Comeback“ veröffentlicht. Beide Artikel waren jeweils mit Bildern veröffentlicht worden, welches das Paar beim Einkaufen zeigte.

Der Bundespräsident a.D. ging hiergegen mit einer Unterlassungsklage vor, da er in die Bildberichterstattung nicht eingewilligt hatte, und bekam in den Instanzgerichten Recht.

Zunächst entschied das Landgericht Köln mit Urteil vom 27. April 2016 (AZ: 28 O 379/15), dass die Veröffentlichung der Bilder den früheren Bundespräsidenten in seinen Rechten verletze, da seine Privatsphäre betroffen sei. In gleicher Weise entschied das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 19. Januar 2017 (AZ: 15 U 88/16), da nach dessen Ansicht jede politische Tätigkeit bei den betreffenden Bildern fehle und diese damit kein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit bedienen würden.

Der Bundesgerichtshof hatte nun darüber zu entscheiden, ob in diesem Fall die Ausnahme nach § 23 KUG eingreifen würde und die Abwägung somit zu Gunsten der Bauer Media Gruppe auszufallen hatte. Danach dürfen Personen aus dem Bereich der „Zeitgeschichte“ ggf. abgebildet werden, wenn die Verbreitung der Fotos nicht ihr berechtigtes Interesse verletzt oder ihre Privat- oder Intimsphäre betroffen ist.

Hinsichtlich der Privatsphäre hatte das Bundesverfassungsgericht bereits an anderer Stelle ausgeführt:

„Im Unterschied zum Recht am eigenen Bild bezieht sich der Schutz der Privatsphäre, der ebenfalls im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelt, nicht speziell auf Abbildungen, sondern ist thematisch und räumlich bestimmt. Er umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten der Fall ist.(BVerfG: Caroline von Monaco II – Bildberichterstattung).“

Ebenfalls wurde in der bereits genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass sich solche Personen, die ihren Privatbereich für die Öffentlichkeit öffnen, keinen Schutz nach § 23 KUG verlangen können.

Dies berücksichtigte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 6. Februar 2018 (AZ: VI ZR 76/17).

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes liege hier jedoch die Ausnahme des §23 KUG vor. Denn als ehemaliger Bundespräsident habe Wulff eine exponierte Stellung gehabt und sei deshalb als Person der Zeitgeschichte einzuschätzen. Dies rechtfertige eine Berichterstattung über ihn.

In seiner Presseerklärung führte der Bundesgerichtshof aus:

„Die veröffentlichten Fotos waren dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG) zuzuordnen und durften deshalb von der Beklagten auch ohne Einwilligung des Klägers (§ 22 KunstUrhG) verbreitet werden, da berechtigte Interessen des Abgebildeten damit nicht verletzt wurden. Die Vorinstanzen hatten die in besonderer Weise herausgehobene Stellung des Klägers als ehemaliges Staatsoberhaupt, den Kontext der beanstandeten Bildberichterstattung sowie das Ausmaß der vom Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb rechtsfehlerhaft dem Persönlichkeitsrecht des Klägers den Vorrang vor der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Pressefreiheit der Beklagten eingeräumt.

(…)

Im Zusammenhang mit der – nicht angegriffenen – Textberichterstattung leisteten die Veröffentlichungen einen Beitrag zu einer Diskussion allgemeinen Interesses. Sie nehmen Bezug auf die vom Kläger selbst erst einige Tage zuvor durch Pressemitteilung bestätigte Versöhnung mit seiner Frau. Gegenstand der Berichterstattung ist darüber hinaus die eheliche Rollenverteilung. Die Fotos bebildern dies und dienen zugleich als Beleg. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Ehe- und Familienleben in der Vergangenheit immer wieder öffentlich thematisiert und sich dadurch mit einer öffentlichen Erörterung dieses Themas einverstanden gezeigt hat. Zudem betreffen die zur Einkaufszeit auf dem Parkplatz eines Supermarktes und damit im öffentlichen Raum aufgenommenen Fotos den Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre.

(…)

Den entgegenstehenden berechtigten Interessen des Klägers kommt demgegenüber kein überwiegendes Gewicht zu (§ 23 Abs. 2 KunstUrhG). Die Fotos weisen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt auf, sondern zeigen den Kläger in einer unverfänglichen Alltagssituation und in der Rolle eines fürsorgenden Familienvaters.“

Die Ausführungen des Bundesgerichtshofes zeigen sehr deutlich, dass bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen alle Aktivitäten von Personen der Zeitgeschichte berücksichtigt werden. Wer sein Leben freiwillig in die Öffentlichkeit rückt, der kann sich später nicht darauf berufen, dass es sich um seine Privatangelegenheit handeln würde.


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