Zahnärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfung

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Überschreitet die zahnärztliche Abrechnung in Bezug auf den Fallwert oder in Bezug auf einzelne Ziffern die vorgegebene Grenzwerte, wird in vielen KZVen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung in Form einer statistischen Vergleichsprüfung eingeleitet. In deren Rahmen soll sodann geprüft werden, ob die Behandlungen wirtschaftlich erfolgten, also medizinisch sinnvoll und notwendig und darüber hinaus auch wirtschaftlich im engeren Sinne waren.

Gelingt es der betroffenen Praxis nicht, die Wirtschaftlichkeit ihrer Behandlungsweise nachzuweisen, kann es zu erheblichen Regressen kommen.


Grenzwerte / offensichtliches Missverhältnis

Eingeleitet wird ein solches Prüfverfahren in aller Regel, wenn der Fallwert oberhalb von 40% des Fachgruppendurchschnitts liegt oder die Abrechnungswerte von Einzelziffern 80 – 100% des Fachgruppendurchschnitts übersteigen. In diesen Fällen liegt nach geltender Rechtsprechung ein sog. „offensichtliches Missverhältnis" vor, was zur Folge hat, dass die betroffene Praxis darlegen und beweisen muss, dass die Behandlungen trotz der vorliegenden Überschreitungswerte wirtschaftlich gewesen sind.

Ausnahmen bilden hier die großen chirurgischen Maßnahmen, da diese nur von einem kleinen Teil der Fachgruppe erbracht werden. Werden diese Leistungen  geprüft, sollte darauf geachtet werden, dass ein Vergleich zu den sog. "Abrechner" erfolgt und nicht zur Fachgruppe der allgemein tätigen Zahnärzte.


Achtung! Verhältniszahlen

Da die Prüfgremien nicht nur mögliche Überschreitungen bei einzelnen BEMA-Ziffern prüfen, sondern auch die Verhältniszahlen einzelner Ziffern zueinander wie z.B. Ziffer 12 (bMF) zu den Füllungen (Ziffern 13a-d), die Überkappungen nach Ziffern 25 u. 26 zu den Füllungen (Ziffern13a-d) oder auch den Nachbehandlungen zu den chirurgischen Leistungen, sind selbst dann Kürzungen möglich, wenn die Überschreitungswerte der einzelnen Leistungen für sich gesehen noch in einem tolerablen Bereich liegen.

Es ist daher dringend anzuraten, auch solche Verhältniszahlen im Auge zu behalten, um Regresse zu vermeiden. 

Ebenfalls mit in die Prüfungen einbezogen werden in einigen KZV-Bereichen die Abfüllquoten im Bereich der endodontischen Maßnahme. Insbesondere wenn hier Aufälligkeiten in Bezug auf einzelne Ziffern vorliegen, kann die Abfüllquote u.U. zur Beurteilung des Behandlungskoplexes Endodontie herangezogen werden.


Mehraufwendungen wegen system. PA-Behandlungen und ZE

Häufig werden Praxen auf die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise hin geprüft, die Behandlungsschwerpunkte in den Bereichen systematische PA-Behandlungen und ZE-Behandlungen aufweisen, da sie automatisch entsprechende Überschreitungen bei den konservierend-chirurgischen Begleitleistungen aufweisen. Gerade bei einem überdurchschnittlich alten Patientenklientel kann es jedoch schnell dazu kommen, dass sich entsprechende Schwerpunkte bilden. 

Ist eine solche Praxis mit einem Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren konfrontiert, muss geprüft werden, ob die mit den geprüften und genehmigten "Hauptleistungen" zwangsläufig einhergehenden Mehraufwendungen bei den konservierend-chirurgischen Begleitleistungen wie z.B. Röntgenbilder, Aufbaufüllungen, Anästhesien, Exzisionen uä. durch die Prüfgremien zutreffend benannt und ausreichend berücksichtigt worden sind.

Auch hier gilt, dass die entsprechenden Mehraufwendungen im Zweifel durch die zu prüfende Praxis vorgetragen und quantifiziert werden müssen.


Fallzahlen

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann grundsätzlich ab einer Fallzahl von 20% der Fallzahlen der Fachgruppe eine statistische Vergleichsprüfung durchgeführt werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass unterdurchschnittliche Fallzahlen keine Berücksichtigung finden (müssen). Wenn aufgrund der niedrigen Fallzahlen sog. "Verdünnerscheine" fehlen und damit die Fallwerte, aber auch die Abrechnungshäufigkeit einzelner ZIffern auffällig werden, kann eine geringe Fallzahl zum Nachweis der Wirtschaftlickeit vorgetragen werden. Es muss dann allerdings ein entsprechend ausführlicher Sachvortrag stattfinden und häufig empfiehlt es sich, konnkrete Auswirkungen auf die auffälligen Werte darzulegen und nachzuweisen.


Ablauf des Prüfverfahrens 

Das Verfahren beginnt normalerweise auf Antrag einer oder mehrerer Krankenkassen und wird durch die bei der zuständigen KZV angesiedelte Prüfungsstelle geführt. Diese informiert die betroffene Praxis über den Prüfantrag und bittet um eine Stellungnahme. 

Eine solche sollte zwingend abgegeben werden, um sicherzustellen, dass vorhandene Praxisbesonderheiten im Prüfvefahren Berücksichtigung finden. Zur Vorbereitung der Stellungnahme empfiehlt es sich, zunächst Akteneinsicht zu nehmen, da in einigen KZV-Bereichen die für das Prüfverfahren ggfls. wichtigen PA- und ZE-Werte in gesonderten Dokumenten enthalten sind und sich nicht aus der Hundertfall-Statistik ergeben.

Nach Prüfung der Stellungnahme entscheidet die Prüfungsstelle, ob sie einen Regress für notwendig erachtet und bejahendenfalls erfolgt in einigen KZV-Bereichen eine Information über beabsichtigte Kürzungen verbunden mit einem Vergleichsangebot, während in anderen KZV-Bereichen sofort der Kürzungsbescheid ergeht. 

Wird der Vergleich von Seiten der zu prüfenden Praxis abgelehnt, erlässt die zuständige Prüfungsstelle ebenfalls einen Regressbescheid.

Gegen die Kürzungsbescheide kann Widerspruch eingelegt werden. Das Verfahren findet dann vor dem Beschwerdeausschuss seinen Fortgang. Dort findet eine mündliche Verhandlung statt, an der betroffene Zahnärzte teilnehmen sollten, da so Fragen zu konkreten Behandlungsfällen beantwortet und Missverständnisse geklärt werden können. Sollte auch vor dem Beschwerdeausschuss kein Vergleich geschlossen werden, erlässt dieser einen Bescheid, gegen welchen ggfls. eine Klage vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben werden kann.


 Stellungnahme / Widerspruchsbegründung / Praxisbesonderheiten

Eine besondere Bedeutung kommen der Stellungnahme im Verfahren vor der Prüfungsstelle bzw. der Widerspruchsbegründung im Beschwerdeverfahren zu. In deren Rahmen sollten alle vorliegenden Argumente, insbesondere alle bestehenden Praxisbesonderheiten vorgetragen und mit Hilfe von Daten aus der Praxis-EDV und ggfls. Karteikartenauszügen  nachgewiesen werden. 

Da die Beweislast bei der zu prüfenden Praxis liegt, muss diese alle für sie günstigen Gegebenheiten vortragen und belegen. Insbesondere Praxisbesonderheiten wie eine außergewöhnliche Patientenklientel (z.B. viele hochaltrige oder multimorbide Patienten) oder auch ein besonderer Behandlungsschwerpunkt (z.B. im Bereich von ZE, PAR oder der chirurgischen Leistungen) müssen entsprechend vorgetragen und nachgewiesen werden. Die Prüfungsstelle bzw. der Ausschuss muss auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen in der Lage sein, das Vorliegen der Praxisbesonderheit und deren konkrete Auswirkungen  auf die Abrechnungswerte zu prüfen.

Zudem muss die Hundertfallstatistik auf eventuell vorliegende kompensatorische Midneraufwendungen überprüft werden.

Mit einer ausführlichen und fundierten Stellungnahme bzw. Widerspruchsbegrüdnung lassen sich erfahrungsgemäß viele Regressverfahren erfolgreich abschließen und Regresse minimieren.


Sollten Sie hierzu Fragen haben, kontaktieren Sie mich gerne!


Rechtsanwältin Sabine Warnebier

Fachanwältin für Medizinrecht

Mediatorin

warnebier@voss-medizinrecht.de

www.voss-medizinrecht.de

Foto(s): Voß.Partner Medizinrecht


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