Zeuge ohne "Schweigerecht"? - Zeugenbeistand, § 68 b StPO, schützt vor sofortigen Vernehmungen und Druck der Polizei!

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Zeuge im Strafverfahren zu sein, zumal ohne Zeugnisverweigerungsrecht, ist eine unangenehme Pflicht - vor allem, wenn man "aus Gründen" nicht aussagen möchte. Der Zeuge wird oft unfreiwillig in Ermittlungen hineingezogen im Strafverfahren gegen den Arbeitgeber, Freunde oder einen Lebensgefährten (ohne Verlöbnis). Dabei geht es um Personen, die Sie als Zeuge vielleicht gar nicht belasten möchten. 

Je schwerwiegender der Vorwurf gegen den Beschuldigten ist, desto aggressiver werden die Einwirkungen von Zoll- und Steuerfahndern sowie Polizisten auf die Zeugen. "Beliebt" sind bei den Ermittlern sofortige Vor-Ort-Vernehmungen (auch ad-hoc-Vernehmung) im Rahmen von Haus- und Betriebsdurchsuchungen.  Auch das sofortige Vorladen von Zeugen per Telefon auf die Wache kommt häufig vor - flankiert mit der Drohung, mit "Ärger mit dem Staatsanwalt", wenn man nicht gleich erscheinen werde.        

Bei Zeugenbefragungen aus Anlaß von Ermittlungen, z.B. gegen den Arbeitgeber, gibt Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Dülmen, Ahaus, Borken) folgende Hinweise für Zeugen, die sich erst einmal dem Zugriff und den Fragen der Ermittler entziehen wollen, um ihre eigene Stellung im Verfahren und ihre Zeugenpflichten begreifen zu wollen.


Grund der Zeugenvernehmung muß benannt werden   

Die Beamten müssen Ihnen als Zeugen sagen, warum man sie nun befragen möchte und zu welchem Beweisthema. Betrifft das Strafverfahren eine Person wie Arbeitgeber oder Freunde oder entfernte Verwandte, so daß kein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 StGB) besteht, gilt Folgendes: 


  • Die Beamten müssen Sie als Zeugen belehren.


  • Die Zeugnispflicht des Zeugen ist keine Mitwirkungspflicht. Es besteht also z.B. im Rahmen einer Betriebsdurchsuchung keine Pflicht, selbst aktiv Unterlagen für die Beamten herauszusuchen und herauszugeben. Eine solche Pflicht kennt die Strafprozeßordnung nicht.


  • Angaben über eigene Personalien, ggf. Vorzeigen des Personalausweises, Fahrerlaubnis und ähnliche Unterlagen müssen jedoch erfolgen.       


  • Gegen Zwangsmaßnahmen darf kein Widerstand geleistet werden – Sie reden aber trotzdem nicht mit den Beamten, z.B. wenn diese etwas suchen oder durchsuchen.


  • Die Zeugnispflicht des Zeugen beinhaltet insbesondere keine Pflicht, sich sofort vor Ort in der Kontrolle vernehmen zu lassen. 


  • Jeder Zeuge hat das Recht, vor einer Zeugenvernehmung sich anwaltlich als Zeuge beraten zu lassen. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und dem eindeutigen Wortlaut von § 68 b Strafprozeßordnung.  Es kommt nicht darauf an, daß Sie „nur Zeuge“ sind oder daß angeblich Ihnen keine eigene Verfolgung droht. Jede andere Behauptung der Beamten, ist falsch und rechtswidrig.    


  • Wenn die Beamten darauf hinweisen, daß der Anwalt kein Anwesenheitsrecht für eine Zeugenvernehmung hat, ist das richtig.  Trotzdem müssen Sie nicht sofort Fragen beantworten, sondern dürfen zuerst einen Anwalt als Zeugenbeistand wählen und sich beraten lassen. Dies gilt nach dem Gesetz auch dann, wenn dadurch die Zeugenvernehmung nicht sofort möglich ist und erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden kann.


  • Sie müssen daher vor einer anwaltlichen Zeugenberatung nach § 68 b Strafprozeßordnung keine Fragen beantworten. 


  • Sie müssen Ihre Rechte aus § 68 b Strafprozeßordnung (anwaltlicher Rat vor der Zeugenvernehmung) nicht gegenüber den Beamten begründen. Das Recht besteht, ohne daß dies ein Beamter ändern könnte.


  • Im Interesse einer fairen und ausgewogenen Verfahrensführung sind die Strafverfolgungsbehörden gehalten, den Termin zu Zeugenvernehmung so anzusetzen, daß dem Zeugen die Beiziehung des von ihm gewünschten Beistandes faktisch möglich ist 


  • Sollten die Beamten weiter drohen und einschüchtern, kündigen Sie den Beamten an, daß Sie wegen einer möglichen versuchten Nötigung den Notruf 110 zu Ihrem Eigenschutz wählen werden. Denn überschreiten die Beamten ihre Befugnisse durch rechtswidrige Einschüchterungen, können diese sich strafbar machen wie jeder Zivilist auch.  


Der Zeuge als möglicherweise selbst Beschuldigter

Ist der Grund der Zeugenbefragung möglicherweise, daß auch Sie beschuldigt werden könnten oder könnte sich dies nach Ihrem Kenntnisstand ergeben, wenn Sie angaben machen, haben Sie ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 Strafprozeßordnung. Sie dürfen auf jede weitere Frage schweigen und sollten keinerlei Angaben machen (außer Angaben zur Person; § 111 OWiG).  

Die Beamten von Polizei oder Zoll werden regemäßig behaupten, Sie selbst hätten sich um sich keine Sorgen, zu machen. Die Beamten werden dann behaupten, ein Auskunftsverweigerungsrecht bestehe nicht. Das aber kann zur Zeit des Versuchs Ihrer Sofortvernehmung gar nicht beurteilt werden. Sie dürfen sich dann auf jeden Fall auf Hinzuziehung eines Zeugenbeistands gemäß § 68 b StPO berufen und vor Ort erst einmal schweigen.

Mit dem anwaltlichen Zeugenbeistand können Sie das Tempo und den Druck aus dem Verfahren nehmen. Ihr Zeugenbeistand wird mit Ihnen in aller Ruhe in der Beratung klären, ob Sie zur Aussage verpflichtet sind - und falls ja: Wie weit Ihre Aussagepflicht geht.  


Faustregel: Kein Zeuge muß sofort an Ort und Stelle aussagen!

Sie sehen also an dieser kurzen Zusammenfassung: Auch der Zeuge ohne "Schweigerecht" ist kein Freiwild der Strafverfolgungsbehörden. Er darf eine sofortige Vernehmung verweigern unter Berufung auf das Recht, sich zuvor mit einem Zeugenbeistand zu besprechen; § 68 b StPO. Ermittler hassen diese Regelung und versuchen sie zu umgehen, wo es nur geht. Wer als Zeuge aber stabil auf seine Rechte pocht, schützt im Ergebnis sich und andere, die ihm wichtig sind. Ihnen kann rein gar nichts passieren, wenn Sie auf dieses Recht anwaltlichen Beistands bestehen. 

Idealerweise verfügt ein Zeugenbeistand übrigens über die gleichen Strafrechtskenntnisse wie ein Strafverteidiger. Die Vergütung wird ein guter Zeugenbeistand wie ein Strafverteidiger bemessen (z.B. Stundenhonorar). 

Foto(s): Heiko Urbanzyk

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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