Zeugenvernehmung

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Zeugen können von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zu Aussagen gezwungen werden. Auch wenn die Polizei, Staatsanwaltschaft oder das Gericht damit droht, eine Aussage erzwingen zu wollen, muss der Zeuge oder die Zeugin nicht sofort aussagen. Wenn Sie davon betroffen sind, verschaffen Sie sich zuerst Zeit. Sie können den Termin für die Zeugenvernehmung verschieben, abbrechen oder ausfallen lassen. Die Strafen dafür werden erst bei einer wiederholten Aussageverweigerung schwerwiegend. Nutzen Sie immer die Möglichkeit, die Vernehmung abzubrechen, wenn Sie von einer Verpflichtung zu Aussage überracht werden. Darauf müssen Sie aktiv bestehen und sich hartnäckig weigern, auszusagen. Bis zum nächsten Termin können Sie sich über Ihre Rechte informieren, sich überlegen, was Sie sagen wollen oder einen Rechtsbeistand befragen.

Der Unterschied zwischen Zeugen und Beschuldigten

Ein Beschuldigter oder eine Beschuldigte muss gegenüber der Polizei oder Staatsanwaltschaft keine Aussage machen. Berufen Sie sich immer auf das Recht, Schweigen darf nicht zu Ihrem Nachteil ausgelegt werden. Sie können sich später immernoch dazu entscheiden, etwas auszusagen. Ein Geständnis muss gut überlegt sein und sollte nie abgelegt werden, ohne dass die Beschuldigte die Ermittlungsakte kennt.

Darf der Zeuge lügen?

Gegenüber der Polizei falsch auszusagen, ist nicht grundsätzlich strafbar. § 153 des Strafgesetzbuchs (StGB), Falsche uneidliche Aussage, wird bei der Polizei nicht angewendet. Lügen gegenüber der Polizei ist nicht verboten. Der Merksatz kann auf Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes gestützt werden, wonach das erlaubt ist, was nicht explizit verboten ist.
Auch wenn Lügen bei der Polizei nicht an und für sich strafbar ist, können durch das Erzählen einer Lügengeschichte Straftaten begangenen werden. Dazu zählt die Strafvereitelung nach § 258 StGB, die Falsche Verdächtigung nach § 164 StGB oder das Vortäuschen einer Straftat gemäß § 145d StGB sowie die Falsche Namensangabe nach § 111 Ordnungswidrigkeitengesetz.
Sich für die Polizei eine Lügengeschichte auszudenken, um sich oder Andere zu schützen, kann deshalb niemandem geraten werden. Jeder Strafverteidiger weiß aus Erfahrung, dass das oft nicht Funktioniert und die Situation nur verschlimmert. Die Polizei kann oft ganz einfach erkennen, dass der Zeuge lügt, etwa weil sie mehr Informationen hat, als der Zeuge denkt.

Rolle des Anwalts oder der Anwältin

Ihre Anwältin oder Ihr Anwalt kann bei der Zeugenvernehmung immer anwesend sein. Der größte Vorteil besteht darin, dass der Zeuge dann nicht den Polizisten alleine gegenüber sitzt. Eigentlich kann die Polizei auch nicht verbieten, wenn eine Freundin oder ein Familienangehöriger mitkommen will. Hier muss man sich aber durchsetzen. Auch wenn das Verhör bereits begonnen hat, können Sie jederzeit einen Anwalt als Zeugenbeistand hinzuziehen. Entweder wird für die weitere Vernehmung ein neuer Termin bestimmt oder es wird gewartet, bis der Zeugenbeistand eingetroffen ist. Trotzdem kann die Polizei in der Wartezeit versuchen, weitere Aussagen zu bekommen.
Eine Anwältin kann Ihre Zeugnisverweigerungsrechte ermittelt und gegenüber der Polizei vertreten. Auf diesem Weg muss nicht gelogen werden, um aus der Situation herauszukommen.
Ein Anwalt kann Akteneinsicht nehmen, sodass klar wird, welche Informationen die Polizei bereits hat. Dann wird häufig erst klar, um was es der Polizei überhaupt geht. Es stellt sich oft heraus, dass die Polizei Sie in einer ganz anderen Sache befragen will, als Sie zuerst angenommen haben.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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