Zuwendungen außerhalb von Testamenten: Sparbücher und Lebensversicherungen mit bösen Überraschungen für die Erben

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Ein klassischer Anlass für Erbstreitigkeiten sind Sparbücher, die der oder die Verstorbene (Erblasser/Erblasserin) zugunsten einer anderen Person eingerichtet haben. Gleiches gilt für Lebensversicherungsverträge, bei denen der Erblasser eine andere Person als Bezugsberechtigte eingesetzt hat.

Nicht selten versuchen die Erben, an diese Gelder „wieder heranzukommen“ – meist allerdings vergeblich, denn solche Gegenstände fallen nicht in den Nachlass, gehen also nicht auf die Erben über.

Das mussten auch die Alleinerbin einer Erblasserin erfahren, die im Nachlass ein Sparbuch gefunden hatte, dessen Bezugsberechtigung im Todesfall auf einen Freund der Erblasserin übergehen sollte. Die Alleinerbin verklagte die Bank auf Auszahlung des Guthabens an sie selbst und unterlag (OLG Dresden, Urteil v. 01.07.21, 8 U 276/21, BeckRS 2021, 18974).


Wie man einzelne Vermögenswerte an den Erben „vorbeischmuggeln“ kann


Mitunter wollen Erblasser bestimmten Personen Vermögenswerte unbürokratisch und möglichst diskret zukommen lassen, zum Beispiel, um diese Personen zu versorgen.

Dazu bieten sich zunächst lebzeitige Schenkungen an – aber dann kann der Schenkende selbst den Gegenstand nicht mehr nutzen.

Weiterhin bieten sich sogenannte Schenkungsversprechen von Todes wegen an, aber  die haben es in sich: Entweder muss das Schenkungsversprechen notariell beurkundet werden, um wirksam zu sein, oder die Schenkung muss im Todeszeitpunkt „vollzogen“ worden sein, was äußerst schwierig zu bewerkstelligen ist.


Die Klassiker: Der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall


Der Königsweg unter den Schenkungen von Todes wegen ist der sogenannte Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall. Das Konstrukt dieses Dreiecksverhältnisses sieht wie folgt aus:

Der Sparer oder Versicherungsnehmer (VN) schließt mit der Bank oder Versicherung einen Spar- oder Lebensversicherungsvertrag ab. Die Bank/Versicherung verspricht dem Sparer/VN, das Guthaben im Todesfall an die begünstigte Person auszuzahlen. Im Verhältnis zwischen dem Sparer/VN und der Bank/Versicherung entsteht ein sogenanntes Deckungsverhältnis. Und im Verhältnis zwischen dem Sparer/VN und der begünstigten Person entsteht ein sogenanntes Valutaverhältnis. Diesem Valutaverhältnis liegt ein – nicht notariell beurkundetes – Schenkungsversprechen des Sparers/VN gegenüber der begünstigten Person zugrunde, das im Todesfall zu erfüllen ist.

Sobald die Bank/Versicherung von dem Todesfall Kenntnis erlangt hat, muss sie der begünstigten Person das Schenkungsversprechen, also die Leistungsofferte, übermitteln und fragen, ob das Angebot angenommen wird. Wird das Angebot angenommen, erlangt die begünstigte Person – und das ist der „Knackpunkt“ – eine eigene Forderung und damit ein unentziehbares Recht gegenüber der Bank/Versicherung. Damit ist die Schenkung vollzogen und der Makel der mangelnden notariellen Beurkundung geheilt.


Beispiel:


Die Großmutter schließt mit der Bank einen Sparvertrag (z.B. Fondsanteile sparen) und vereinbart mit der Bank, dass das Guthaben in ihrem Todesfall auf den Enkel übergehen soll. Großmutter und Bank schließen einen Vertrag, in dem sie eine Vereinbarung (Bezugsberechtigung im Todesfall) zugunsten des Enkels treffen: Die Bank (die Versprechende) verspricht der Großmutter (der Versprechensempfängerin), dass sie dem bezugsberechtigten Enkel ein Auszahlungsangebot machen wird, sobald sie Kenntnis vom Tod der Großmutter erlangt hat. Es handelt sich um einen Vertrag zugunsten Dritter, der zu Lebzeiten der Versprechensempfängerin getroffen wurde und zugunsten des begünstigten Dritten im Todesfall Wirkung entfalten soll.

Üblicherweise wird dabei mit der Bank vereinbart, dass die Versprechensempfängerin  die Bezugsberechtigung widerrufen kann, denn unwiderruflich erteilte Bezugsberechtigungen sind nur in Einzelfällen wirksam. In dem Zusammenhang wird oft auch vereinbart, dass ein Widerruf gegenüber der Bank schriftlich erfolgen muss, aber auch in einem Testament erklärt werden kann.  

So lauteten die Vereinbarungen auch im vorliegenden Fall, vom OLG Dresden entschiedenen Fall.


Warum diese Gegenstände nicht in den Nachlass fallen


Der Vertrag zwischen der Versprechensempfängerin und der Bank hat, wie ausgeführt,  zur Folge, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Versprechensempfängerin verstirbt, der begünstigte Dritte eine direkte Forderung gegen die Bank erhält auf Auszahlung des Guthabens. Der Grundstein für diese Forderung war nicht erst mit dem Tod der Versprechensempfängerin, sondern schon zu ihren Lebzeiten gelegt worden, daher auch „Vertrag zugunsten Dritter unter Lebenden auf den Todesfall“.


Etwas anderes gilt nur, wenn die Versprechensempfängerin die Bezugsberechtigung zu Lebzeiten – schriftlich! - widerrufen hat und der Widerruf der Bank noch zu Lebzeiten der Versprechensempfängerin zugegangen war, oder wenn der Widerruf im Testament erklärt worden war.

Im vorliegenden Fall lag aber keine schriftliche Widerrufserklärung vor und auch dem Testament ließ sich nicht einmal die Andeutung eines Widerrufs der Begünstigung entnehmen. Dass das Sparkonto, das die Erblasserin einst eingerichtet hatte, im Todeszeitpunkt eine andere Nummer hatte als ursprünglich, sah das OLG Dresden als unbeachtlich an: Die neue Nummer war nur einer technischen Umstellung infolge einer Bankenfusion geschuldet.


Ein Widerruf der Bezugsberechtigung durch die Erben ist schwierig

Man könnte meinen, dass das Konstrukt des „Vertrages zugunsten Dritter auf den Todesfall“ im Hinblick auf die „Nachlassfestigkeit“ einen Schwachpunkt aufweist:


Zwischen dem Todeszeitpunkt und dem Zeitpunkt, in dem die Bank dem Begünstigten das Angebot zur Auszahlung übermittelt, herrscht eine Art Schwebezustand. Sollten die Erben von dem Sparvertrag (oder der Lebensversicherung) mit Fremdbegünstigung frühzeitig erfahren, könnten sie die Rechtsstellung der Versprechensempfängerin, in die sie durch deren Tod eingetreten sind, ausnutzen, um die Begünstigung gegenüber der Bank (oder Lebensversicherung) zu widerrufen. Es könnte dadurch zu einer Art Gläubigerwettlauf kommen zwischen den Erben und dem Begünstigten.


Ob die Erben den Widerruf erklären können, bevor die Bank dem Begünstigten das Angebot übermittelt hat, ist aber umstritten.

In dem vom OLG Dresden entschiedenen Fall allerdings war der Gläubigerwettlauf kein Thema. Das OLG Dresden befand, dass die Erbin an die Bezugsberechtigung ebenso gebunden war wie einst die Erblasserin - und so verlor die Erbin ihre Klage.


Wie ein Gläubigerwettlauf aussehen kann


Ein eindrucksvolles Beispiel für einen „Gläubigerwettlauf“ bietet ein vom OLG Saarbrücken entschiedener Fall:


Der Vater und spätere Erblasser hatte eine Lebensversicherung abgeschlossen, um einen Kredit bei der Sparkasse zu besichern. Als Bezugsberechtigte hatte er zunächst seine damalige Ehefrau eingetragen. Nach der Scheidung änderte er die Bezugsberechtigung zugunsten seiner Mutter. Der Mann verstarb ohne ein Testament. Sein gesetzlicher Erbe wurde sein Sohn, der unter rechtlicher Betreuung der Mutter und Ex-Frau des Erblassers stand.

Nach dem Tod des Erblassers wandte dessen Mutter (die Begünstigte) sich am 12. Februar telefonisch an die Versicherung, wo man ihr das Bestehen des Lebensversicherungsvertrages bestätigte. Die Begünstigte forderte die Auszahlung des abzüglich des noch laufenden Kredites verbliebenen Guthabens. Die Mitarbeiterin der Versicherung forderte die Zusendung einer Kopie der Sterbeurkunde und des Personalausweises der Mutter. Diese Unterlagen übermittelte der Anwalt der Begünstigten der Versicherung noch am 12. Februar per Fax.

Ebenfalls am 12. Februar schrieb die Versicherung die Kreissparkasse an und bat um Mitteilung der noch offenen Forderung, um das Guthaben der Begünstigten berechnen zu können.

Am 13. Februar teilte die Versicherung dem Anwalt der Begünstigten die Höhe des Anspruches mit und kündigte die Auszahlung an.

Am 15. März teilte die Mutter des Sohnes sowohl dem Anwalt der Begünstigten als auch der Versicherung mit, dass sie die Bezugsberechtigung der Begünstigten für ihren Sohn widerrufe.

In der Folgezeit zahlte die Versicherung der Begünstigten das Geld aus.


Nun forderte die Mutter des Sohnes das Geld von der Begünstigten zurück.

Begründung:

Die Versicherung habe das Geld ohne rechtlichen Grund an die Begünstigte ausgezahlt. Zu einer Schenkung des Erblassers an die Begünstigte sei es nicht gekommen, weil die Mutter die Bezugsberechtigung widerrufen habe, bevor das Geld ausgezahlt, also bevor die Schenkung vollzogen worden sei.

Das OLG Saarbrücken sah dies anders:

Der Vollzug der Schenkung sei nicht erst durch die Auszahlung geschehen, sondern schon in dem Augenblick, in dem die Begünstigte die Auszahlung gefordert und das Schenkungsversprechen des Erblassers damit angenommen habe. Damit gewann die Begünstigte das Berufungsverfahren (OLG Saarbrücken, Urt. v. 02.03.2022, Az. 5 U 64/21, NJW-RR 2022, 1045, VersR 2022, 810).

Der Widerspruch war also, wenn er denn überhaupt zulässig war, zu spät gekommen.




Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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