Zweckverfehlung durch Quotenregelung in § 300 Abs.1 Nr.2 InsO

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In der Pressemitteilung des BMJV vom 30.06.2014 heißt es:

„Künftig ist schon nach der Hälfte der Zeit ein wirtschaftlicher Neuanfang möglich. Schafft es der Schuldner, innerhalb von drei Jahren mindestens 35 Prozent der Gläubigerforderungen zur Schuldentilgung bereitzustellen sowie die Verfahrenskosten zu begleichen, kann ihm bereits nach Ablauf dieses Zeitraums Restschuldbefreiung erteilt werden. Kann der Schuldner zumindest die Verfahrenskosten vollständig bezahlen, ist eine Restschuldbefreiung nach fünf Jahren möglich. Sonst bleibt es bei den bisherigen sechs Jahren.
Damit geben wir nicht nur den überschuldeten Menschen früher eine „zweite Chance“. Die Gläubiger profitieren ebenfalls von der Regelung, weil die Schuldner motiviert werden, möglichst viel zu bezahlen.“

Die Begründung durch die Regierung und auch die Ausführungen des Bundes im Vorspann zum Entwurf einer bundeseinheitlichen neuen Insolvenzordnung behaupten die gleiche Zielsetzung. Gerade frisch gescheiterte Jungunternehmer sollten durch die Reduzierung der Abtretungsdauer von 6 auf 3 Jahre erheblich früher in die Lage versetzt werden, wieder neu durchzustarten. Dies sei zwingend einer ernst zu nehmenden „Kultur der 2. Chance“ geschuldet. Im Übrigen werde die Vorschrift damit europarechtlich angeglichen und somit modernisiert.

Was für ein Unsinn.

Die seit 01.07.2014 geltende Insolvenzordnung hat diese angebliche Zielsetzung auf üble Weise ad absurdum geführt, allerdings so subtil, dass die legislative List zunächst nur eingeweihten Spezialisten aufgefallen ist.

Sollte zunächst eine bedingungslose Reduzierung des Abtretungszeitraums auf 3 Jahre künftig der Regelfall eines Restschuldbefreiungsverfahren sein – so auch noch im Koalitionsvertrag der vorangegangenen Legislaturperiode- wurde schnell der Ruf nach einer Mindestbefriedigungsquote der Schuldsumme als Gegenleistung für die „Wohltat“ einer verkürzten Verfahrensdauer laut. Dieses ebenso unsinnige wie historisch schon mehrfach gescheiterte Postulat findet sich schlussendlich in der neu gefassten Insolvenzordnung in geradezu abenteuerlicher Weise wieder.

Denn nach § 300 Abs.1 Nr.2 InsO wird die Verkürzung von 6 auf 3 Jahre abhängig gemacht von einer Befriedigungsquote von satten 35 % der Schuldsumme zuzüglich Gerichts- und Insolvenzverwalterkosten.

Was für eine fortschrittliche Regelung, bei der eine absurd hohe Erfüllungsquote, zusätzlich belastet mit extrem hohen Insolvenzverwaltergebühren, diese rein theoretische Reduzierungsmöglichkeit für jedwede Art von Schuldner unerreichbar macht. Denn bei einigermaßen sachgerechter „Kostenberechnung“ wird vom Schuldner bei einer beispielhaften Gesamtverschuldung von 40.000,- € real ein Leistungsbetrag zwischen 75 und 80 % = ca. 30.000,- € verlangt, also mehr als das Doppelte der schon unverschämt hoch bemessenen Mindesterfüllungsquote von 35 %. Und wenn der unwissende Schuldner sich bei wem auch immer in der Hoffnung, damit die Reduzierung zu erreichen, 35 % zusammen borgt, wird der Betrag genüsslich vom Inso-Verwalter kassiert und auch nicht wieder herausgegeben, obwohl der damit verfolgte Zweck nicht im Geringsten erreichbar ist.

Was beinhaltet also diese unsägliche Vorschrift des § 300 Abs.1 nr.2 InSO? Eine legislative Anstiftung zum Betrug; ein hinterhältiges Verwirrspiel zu Lasten der „dummen“ Schuldner, die bedauerlicherweise auf die Redlichkeit des Gesetzgebers vertraut hatten? Wie dem auch sei; kein Schuldner hat es verdient, hoheitlich betrogen zu werden. Nichts anderes passiert aber mittels dieser dreisten und gesamtwirtschaftlich destruktiven Regelung.

Ein Schuldner, der seine Gläubiger derart hinters Licht führt, wie dies der Gesetzgeber in § 300 Abs.1 Nr.2 zu Lasten der Schuldner tut, müsste unzweifelhaft und völlig zu Recht befürchten, dass ihm die Restschuldbefreiung wegen unredlichen Verhaltens versagt werden wird.


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