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Beratungshilfe: Ablehnung erfordert konkrete Begründung

  • 2 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird Ihnen einer vom Gericht gestellt – so hört man es immer wieder in amerikanischen Filmen und Serien. Auch in Deutschland bekommen die Beschuldigten schwerer Straftaten einen Pflichtverteidiger. Aber nicht nur im Bereich Strafrecht gibt es hierzulande die Möglichkeiten zur anwaltlichen Beratung und Vertretung auf Staatskosten.

Nachträglicher Antrag auf Beratungshilfe durch den Anwalt

In einem aktuell vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschiedenen Fall hatte der Beschwerdeführer zunächst Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha) beantragt und nicht genehmigt bekommen. Daraufhin ließ er sich von einem Anwalt beraten, der für ihn gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch einlegte.

Der Mann hatte offenbar weder viel Geld noch eine Rechtsschutzversicherung. Deshalb ließ er wegen dieser Sache über seinen Rechtsanwalt nachträglich auch noch einen Antrag auf Beratungshilfe stellen. Beim Widerspruchsverfahren handelt es sich nämlich noch nicht um ein gerichtliches Verfahren, sodass die alternative Prozesskostenhilfe (PKH) ausscheidet.

Selbst Widerspruch gegen Ablehnungsbescheid einlegen?

Der Beratungshilfeantrag wurde allerdings vom zuständigen Amtsgericht abgelehnt. Zur Begründung wurde pauschal angegeben, die Widerspruchseinlegung sei mutwillig und damit nicht beratungshilfefähig. Außerdem hätte der Betroffene den Rechtsbehelf genauso gut selbst einlegen können, ohne einen Anwalt zu beauftragen.

Der arme Mann sah sich durch diese Entscheidung in seinen Grundrechten verletzt und legte daraufhin Verfassungsbeschwerde ein. Schließlich ergibt sich aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absätze 1 und 3 Grundgesetz (GG) die sogenannte Rechtswahrnehmungsgleichheit. Danach soll niemand allein aus Geldmangel von der gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden.

Prüfung von Erfolgsaussichten und Mutwilligkeit

Beratungs- oder Prozesskostenhilfe gibt es allerdings nicht für aussichtslose oder mutwillige Fälle, in denen auch andere vernünftig denkende Menschen mit besserer finanzieller Ausstattung keine Beratung oder kein Verfahren bezahlen würden, weil es sich letztlich nicht lohnt.

Am Ende ist über die finanzielle staatliche Unterstützung in jedem konkreten Einzelfall zu entscheiden – und genau das hat auch des BVerfG in seinem jetzigen Urteil betont. Eine Ablehnung von Beratungshilfe benötigt danach eine entsprechende einzelfallbezogene Begründung.

Widerspruch ohne Begründung kaum etwas wert

Der pauschale Hinweis, dass der Betroffene in seiner Sache ja einfach selbst hätte Widerspruch einlegen können, reicht dafür nicht aus. Es geht schließlich nicht nur um die formale Einlegung eines Rechtsbehelfs, sondern vor allem um dessen Begründung. Die ist zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber ohne konkrete Argumente hat ein Widerspruch in aller Regel keinen Erfolg.

Für eine fundierte Begründung ist zumeist juristisches Fachwissen notwendig und damit eine anwaltliche Beratung bzw. Vertretung angezeigt. Die pauschale Ablehnung der Beratungshilfe mit dem Verweis auf die Selbsthilfe war damit rechtswidrig, entschieden die Verfassungsrichter.

Fazit: Wer nicht genügend Geld hat, muss deswegen nicht zwingend auf anwaltlichen Rat verzichten. Die gesetzliche Beratungshilfe darf nicht mit dem pauschalen Hinweis abgewiesen werden, der Betroffene könne selbst Widerspruch einlegen.

(BVerfG, Beschluss v. 07.10.2015, Az.: 1 BvR 1962/11)

(ADS)

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