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Schwerbehindertenvertretung: Vertrauensperson und Interessenvertretung

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Schwerbehindertenvertretung: Vertrauensperson und Interessenvertretung

Menschen mit Behinderung haben als Arbeitnehmer besondere Bedürfnisse und Anforderungen an ihre Dienststelle. Damit diese durchgesetzt und eingehalten werden, steht ihnen eine Schwerbehindertenvertretung zur Seite. Sie nimmt im Betrieb mit schwerbehinderten Arbeitnehmern eine besondere Stellung ein. Erfahren Sie, welche Rechte und Pflichten diese Position mit sich bringt und wer sich wann als Schwerbehindertenvertretung wählen lassen kann. 

Welche Rechte hat die Schwerbehindertenvertretung?

In einem Betrieb oder in einer Dienststelle mit mehr als fünf schwerbehinderten Beschäftigten, gilt ein Rechtsanspruch auf eine Schwerbehindertenvertretung. Sie vertritt ihre Interessen und steht den Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite. Darüber hinaus hilft sie bei der Antragstellung der erforderlichen Maßnahmen. 

Die zentrale Norm, die die Rechte und Pflichten gesetzlich festlegt, ist § 178 Sozialgesetzbuch SGB IX. Demgemäß müssen Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung grundsätzlich in allen Angelegenheiten beteiligen, die schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihnen Gleichgestellte einzeln oder gemeinsam besonders betreffen. Die Unterrichtung muss unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern – und umfassend erfolgen, sobald der Arbeitgeber einen Entscheidungswillen gebildet hat. Unterlässt er dies, muss die Entscheidung ausgesetzt und nach sieben Tagen nachgeholt werden.  

Hinweis: Werden Schwerbehindertenrechte verletzt, kann das ein Indiz für Diskriminierung des dadurch benachteiligten Arbeitnehmers sein. Dies kann wiederum insbesondere Rechte nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz begründen. 

Die Schwerbehindertenvertretung ist von Anfang bis Ende dabei

Bei Einstellung schwerbehinderter Menschen hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht auf Einsicht in entscheidungsrelevante Bewerbungsunterlagen. Darüber hinaus nimmt sie an Bewerbungsgesprächen beziehungsweise Vorstellungsgesprächen teil, um bereits dort auf die berechtigten Bedürfnisse und Interessen des Arbeitnehmers eingehen zu können. Weiter ist sie auch bei Versetzungen, Abmahnungen und bei jeder Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer hinzuzuziehen.  

Hat der Arbeitgeber die Entscheidung getroffen, einem schwerbehinderten Arbeitnehmer zu kündigen, ist es ratsam, noch vor der Antragstellung beim Integrationsamt und zeitgleich mit der Anhörung des Betriebsrates die Schwerbehindertenvertretung zu konsultieren, auch wenn eine Kündigung ohne vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nicht grundsätzlich unwirksam ist, wie vom Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 13.12.2018 (2 AZR 378/18) festgestellt wurde. Die Unwirksamkeit der Kündigung als Folge bei Fehlern innerhalb des Kündigungsprozesses gilt – mit Ausnahmen – seit 30.12.2016. Möchte der Arbeitnehmer stattdessen einen Aufhebungsvertrag abschließen, ist keine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erforderlich.

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Schwerbehindertenvertretung ist zugleich Vertrauensperson und Berater

In ihrer beratenden Funktion nimmt die Schwerbehindertenvertretung an allen Sitzungen von Mitarbeitervertretungen und Ausschüssen teil. Dazu zählen Betriebsratssitzungen genauso wie Personalratssitzungen. Wird der Schwerbehindertenvertretung die Teilnahme verwehrt, werden die Interessen beeinträchtigt. Folglich werden die Beschlüsse auf Antrag bei erheblicher Beeinträchtigung von Interessen schwerbehinderter Menschen ausgesetzt.

Pro Kalenderjahr haben Schwerbehindertenvertretungen Anspruch darauf, eine Versammlung schwerbehinderter Menschen abzuhalten. Bei der Ausführung ihrer Tätigkeit kommt der Schwerbehindertenvertretung das Recht zu, weisungsfrei zu handeln. Das bedeutet, für arbeitsrechtliche Schritte im Interesse der schwerbehinderten Arbeitnehmer muss sie sich keine Erlaubnis beim Arbeitgeber holen.  

Die Ausübung der Tätigkeit darf keine Benachteiligung der beruflichen Entwicklung bedeuten. Sowohl bei der Schwerbehindertenvertretungstätigkeit als auch bei der regulären Mitarbeitertätigkeit gilt der Schutz vor Benachteiligung und Behinderung. Die Erledigung der Tätigkeit ist während der Arbeitszeit zu leisten. Wird sie außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten erforderlich – zur Beratung schwerbehinderter Mitarbeiter in einer anderen Schicht –, hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht auf Freistellung während der Arbeitszeit. Für den Zeitraum besteht keine Arbeitspflicht, aber Lohnanspruch. Auf eine zusätzliche Vergütung müssen Schwerbehindertenvertretungen genauso verzichten wie auf ein eigenes Büro.

Besonderer Fall: Beschäftigt ein Betrieb oder eine Dienststelle mehr als 100 schwerbehinderte oder gleichgestellte Mitarbeiter, kann die Schwerbehindertenvertretung auf Wunsch vollständig von ihrer Arbeitspflicht freigestellt werden. Die Mitteilungspflicht an den unmittelbaren Vorgesetzten entfällt. 

Schwerbehindertenvertretung: Besondere Position mit Sonderkündigungsschutz

Der Schwerbehindertenvertretung kommt wie dem Betriebs- und Personalrat ein Sonderkündigungsschutz zu. Während der Amtszeit und innerhalb eines Jahres nach Amtszeitende darf keine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Eine außerordentliche Kündigung ist nur aus wichtigem Grund und nur mit Zustimmung des Betriebs- bzw. Personalrats zulässig.  

Welche Pflichten hat eine Schwerbehindertenvertretung?

Der Schwerbehindertenvertretung sind zentrale Aufgaben innerhalb ihrer Tätigkeit zugewiesen. Dazu zählt zunächst die Eingliederung schwerbehinderter Mitarbeiter und gleichgestellter Arbeitnehmer im Betrieb oder in der Dienststelle. Gleichzeitig überwacht die Schwerbehindertenvertretung die geltenden Regeln zugunsten schwerbehinderter Menschen. Sie hilft auch bei der Beantragung Schwerbehinderten dienender Maßnahmen, insbesondere in Form von staatlichen Hilfen. Zu den staatlichen Leistungen zählen unter anderem die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Wohngeld oder Kindergeld. 

Die Schwerbehindertenvertretung fungiert zugleich als Ansprechperson und Beschwerdestelle für schwerbehinderte Menschen. Für Fragen, Sorgen und andere besondere Anliegen sollte sie immer ein offenes Ohr haben. Mit Blick auf die Schwerbehinderung zählt es zu den Aufgaben einer Schwerbehindertenvertretung, beim Ausfüllen relevanter Anträge zu helfen. Darunter fällt beispielsweise die Feststellung des Grades der Behinderung.  

Wer darf Schwerbehindertenvertreter werden?

Als Schwerbehindertenvertretung können sich alle Mitarbeiter aufstellen lassen, mit den gleichen Voraussetzungen wie für eine Tätigkeit als Betriebsrat. Sie müssen volljährig und nicht nur vorübergehend beschäftigt sein, wobei die Stellung im Betrieb keine Rolle spielt. Daneben wird eine Betriebszugehörigkeit von mindestens sechs Monaten vorgeschrieben, wobei für den öffentlichen Dienst andere Regelungen gelten. Die wählbare Person muss selbst nicht schwerbehindert oder gleichgestellt sein, um Schwerbehindertenvertretung zu werden. Die Anzahl der Schwerbehindertenvertretung ist auf eine Person begrenzt.  

Wann muss eine Schwerbehindertenvertretung gewählt werden?

Gemäß § 177 Abs. 1 SGB IX besteht ein Rechtsanspruch im Betrieb oder in der Dienststelle, eine Schwerbehindertenvertretung und ihre Vertretung zu wählen, wenn dort mindestens fünf schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Beschäftigte arbeiten. Diese dürfen nicht nur vorübergehend beschäftigt sein.  

Die Wahlen sind alle vier Jahre abzuhalten und finden zwischen dem 01.10. und 30.11 statt. Daneben sind aber auch außerordentliche Wahlen möglich, wenn 

  • der Betrieb zum ersten Mal eine noch nicht vorhandene Schwerbehindertenvertretung wählt. 

  • die Wahl angefochten wurde. 

  • die Schwerbehindertenvertretung vorzeitig aus dem Amt ausscheidet – durch Abwahl, Rücktritt etc. – und kein Stellvertreter nachrückt. 

Die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung findet als Personenwahl statt. Sie ist geheim, unmittelbar und durch Mehrheitswahl gekennzeichnet. Das bedeutet, der mit den meisten Stimmen gewinnt. Wahlberechtigt sind alle schwerbehinderten und ihnen nach § 2 SGB IX gleichgestellte Mitarbeiter eines Betriebes oder einer Dienststelle.  

Häufige Fragen und Antworten zum Thema Schwerbehindertenvertretung

Wer darf nicht zur Schwerbehindertenvertretung gewählt werden?

Nicht wählbar sind Beschäftigte, die sich auch nicht in den Betriebsrat wählen lassen können. Dazu zählen Geschäftsführer einer GmbH, Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft oder leitende Angestellte und Handelsvertreter, aber auch Menschen, die aus karitativen oder religiösen Zwecken zur Eingliederung beschäftigt werden. Ebenso zählen Leiharbeiter, Freiwillige im Jugend- und Bundesfreiwilligendienst sowie Beschäftigte in Altersteilzeit zu den Personen, die ihre Wählbarkeit verlieren.

Wann erlischt das Amt als Schwerbehindertenvertretung?

Es ist möglich, dass das Amt vorzeitig – also im Sinne des § 177 Abs. 7 S. 3 SGB vor Ablauf von vier Jahren – erlischt, wenn

  • das Amt niedergelegt wird (formlos).

  • die Schwerbehindertenvertretung aus dem Arbeits-, Dienst- oder Richterverhältnis ausscheidet.

  • die Wählbarkeit verloren geht.

Welche Kernaufgaben muss die Schwerbehindertenvertretung erfüllen?

Als gewählte Interessenvertretung schwerbehinderter und gleichgestellter Mitarbeiter haben Schwerbehindertenvertreter folgende Aufgaben:

  • Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsalltag im Betrieb oder in der Dienststelle

  • Vertretung der Interessen

  • Überwachung der zugunsten schwerbehinderter Mitarbeiter geltenden Gesetze, Verordnungen, Verträge oder Vereinbarungen und deren Erfüllung durch den Arbeitgeber

Weiter fungiert die Schwerbehindertenvertretung als Vertrauensperson, die Gesprächsmöglichkeiten anbietet und bei Schwierigkeiten ihre Kenntnisse nutzt, um die Interessen und Bedürfnisse schwerbehinderter und gleichgestellten Arbeitnehmer zu fördern.

(THO)

Foto(s): ©Adobe Stock/Marcos

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