Zehn Irrtümer zu Verfassungsbeschwerden

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Im Hinblick auf Verfassungsbeschwerden gibt es einige  landläufige Fehlvorstellungen. Heute widmen wir uns in aller Kürze einmal ein paar von diesen.


1. Man muss vor der Verfassungsbeschwerde immer Anhörungsrüge einlegen.

Man muss den gesamten Rechtsweg ausschöpfen. Dazu kann auch eine Anhörungsrüge gehören, zwingend ist das aber nicht. Die Anhörungsrüge ist nur zulässig und notwendig, wenn man das Grundrecht auf rechtliches Gehör rügen will und die Gehörsverletzung durch das letzte mit dem Verfahren befasste Gericht erfolgt ist.

Mehr dazu: Die Einlegung der Anhörungsrüge


2. Das Bundesverfassungsgericht freut sich, wenn es Grundrechte schützen kann.

Auch, wenn es schwer ist, allgemein etwas über die Arbeitsauffassung der Richter zu sagen, ist doch eines klar: Das Bundesverfassungsgericht ist völlig überlastet. Darum werden formale Anforderungen an Verfassungsbeschwerden sehr hoch angesetzt und viele davon schon wegen bürokratischer Fehler "aussortiert".

Mehr dazu: Das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Grundrechte


3. Das Bundesverfassungsgericht überprüft die Richtigkeit der angefochtenen Urteile.

Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob die Urteile der Fachgerichte gegen Grundrechte verstoßen. Ein Grundrechtsverstoß darf dabei aber nicht nur "nebenbei" passiert sein, sondern das Gericht muss ein Grundrecht entweder komplett ignoriert oder völlig falsch angewandt haben.

Mehr dazu: Die Verfassungsbeschwerde gegen ein "falsches" Urteil


4. Über die Verfassungsbeschwerde wird mündlich verhandelt.

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt praktisch nie mündlich, sondern entscheidet in der Regel im schriftlichen Verfahren. In den allermeisten Fällen geschieht dies auch nur aufgrund der Verfassungsbeschwerdebegründung. Sieht das Gericht dann keine Grundrechtsverletzung als gegeben an, wird die Verfassungsbeschwerde unmittelbar nicht zur Entscheidung angenommen.


5. Wenn meine Grund- oder Menschenrechte verletzt sind, kann ich sofort zum Bundesverfassungsgericht.

Grundrechtsverletzungen müssen zunächst im Fachverfahren beseitigt werden, indem man Rechtsmittel (Berufung, Revision, Beschwerde etc.) einlegt. Erst, wenn das alles nichts gebracht hat, kann man zum Bundesverfassungsgericht gehen. Dass man dann eine Grundrechtsverletzung in den Raum stellt, ist dabei die Mindestvoraussetzung, keineswegs etwas Besonderes.

Mehr dazu: Wann kommt eine Verfassungsbeschwerde in Betracht?


6. Man kann die Verfassungsbeschwerde auch mit Gesetzesverstößen begründen.

Einziger Maßstab für das Bundesverfassungsgericht sind Grundrechte. Die Auslegung der einfachen Gesetze ist Sache der Fachgerichte. Man kann eine Verfassungsbeschwerde also nicht damit begründen, dass ein Gericht einen Paragraphen aus dem BGB oder aus dem StGB falsch angewandt hat. Es muss immer die Verletzung eines Grundrechts dargelegt werden.

Mehr dazu: Verfassungsbeschwerde, Menschenrechtsbeschwerde: Was wird geprüft?


7. Mit der Verfassungsbeschwerde kann man die Rechtskraft aufschieben.

Viele Rechtsmittel führen dazu, dass ein Urteil nicht rechtskräftig wird. Man kann damit den Abschluss des Verfahrens aufschieben und es so in der Schwebe halten. Bei der Verfassungsbeschwerde gilt das aber nicht. Das Urteil bleibt trotz Einlegung der Verfassungsbeschwerde rechtskräftig und damit vollstreckbar. Möchte man das verhindern, ist an einen Eilantrag zu denken.

Mehr dazu: Der Eilantrag zur Verfassungsbeschwerde


8. Das Bundesverfassungsgericht mischt sich nur in große Fälle ein.

Auch wenn man in den Medien meistens von besonders bedeutenden oder allgemein relevanten Fällen hört, beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht mit vielerlei Verfahren, die keine "lebenswichtigen" Themen betreffen und nur im Einzelfall relevant sind. Abgelehnt werden kann eine Verfassungsbeschwerde deswegen aber nur, wenn es wirklich um eine absolute Bagatelle geht.


9. In der Verfassungsbeschwerde kann ich meine Geschichte erzählen.

Die Verfassungsbeschwerde muss den Sachverhalt so schildern, dass sich daraus die Grundrechtsverletzung ergibt. Das bedeutet in erster Linie eine Darlegung des Verfahrensverlaufs und der wirklich relevanten Tatsachen. Daneben ist es aber weder notwendig noch sinnvoll, bspw. seine ganze Unzufriedenheit mit den bisher beteiligten Richtern auszuschütten und so möglicherweise die Aufmerksamkeit von den Kernpunkten abzulenken.


10. Der Anwalt aus dem Verfahren sollte auch die Verfassungsbeschwerde machen.

Vor dem Bundesverfassungsgericht darf jeder Anwalt eine Klage einreichen, ebenso kann sich der Bürger selbst vertreten. Trotzdem braucht es schon einer intensiven Erfahrung mit den formalen und inhaltlichen Anforderungen an die Verfassungsbeschwerde. Insgesamt bewährt es sich, für jedes Stadium des Verfahrens einen jeweiligen Experten zu beauftragen.

Mehr dazu: Warum übernimmt nicht jeder Anwalt Verfassungsbeschwerden?


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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