2 Behandlungsfehler und dennoch kein Schmerzensgeld? Der Beweis im Arzthaftungsrecht!

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Die meisten Patienten meinen, dass sie Schmerzensgeld erhalten, wenn sie beweisen können, dass der Arzt einen Fehler gemacht hat. Dies ist nur teilweise richtig. Der Patient muss zwar beweisen, dass der Arzt einen Fehler gemacht hat; Er muss aber zusätzlich beweisen, dass der Fehler ursächlich für einen Gesundheitsschaden ist. Dies ist nicht einfach, wie der folgende Fall (Landgericht Osnabrück, Urteil vom 29.3.2006 – 2 O 518/05) zeigt:

Sachverhalt

Die Patientin suchte wegen Schmerzen im linken Fuß die Praxis eines Facharztes für Allgemeinmedizin auf. Der Arzt äußerte den Verdacht einer Entzündung und verordnete eine Ruhigstellung. In den nächsten 3 Wochen konsultierte die Patientin den Arzt noch 5 Mal wegen dieser Schmerzen. Bei der letzten Untersuchung waren zwei Zehen bläulich verfärbt und der Fußrücken blau angelaufen. Grund war ein Gefäßverschluss. Alle Versuche, diesen Verschluss aufzulösen, blieben erfolglos. Ein Teil des Fußes, einschließlich der beiden Zehen, musste amputiert werden.

Entscheidung des Landgerichts Osnabrück

Dem Arzt sind 2 Behandlungsfehler unterlaufen: 

  1. Er stellte keine Arbeitsdiagnose 
  2. Er unterließ ergänzende diagnostische Maßnahmen 

Dennoch erhielt die Patientin kein Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil ein Gutachter des Gerichts zu dem Ergebnis kam, dass die Amputation nicht „adäquat-kausal“ auf dem Behandlungsfehler beruht. Die Patientin trägt nämlich die Beweislast dafür, dass die Amputation ihre Ursache in den Behandlungsfehlern hatte. Sie konnte nicht beweisen, dass bei einem richtigen Handeln des Arztes die Amputation vermieden worden wäre. Sie konnte auch nicht beweisen, dass weitere Diagnostik den Gefäßverschluss zwingend entdeckt hätte.

Was kann der Rechtsanwalt tun?

Aufgabe des Rechtsanwalts ist es, dem Gericht und dem Gutachter die richtigen Fragen zu stellen. Er muss darauf hinwirken, dass die Pflichten des Arztes vollständig ermittelt werden. Hierzu gehört zum Beispiel auch die Frage danach, ob der Arzt die Patientin bei den 6 Behandlungen ausreichend genau zu den Schmerzen befragt hat. 

Übrigens wird der im Arzthaftungsrecht erfahrene Rechtsanwalt auch die Frage stellen, ob der Behandlungsfehler nicht nur „einfach“, sondern „grob“ ist. Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, so stellt sich nämlich die Frage nach der Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Amputation gar nicht. Es wird zugunsten des Patienten angenommen, dass die Ursächlichkeit gegeben ist. Die Patientin vor dem Landgericht Osnabrück hätte im Fall eines groben Behandlungsfehlers Schmerzensgeld erhalten.



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