Insolvenzrecht und Corona

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5 Fragen, 5 Antworten

1. Welche Risiken bestehen für Unternehmen in der Covid-19-Krise?

Viele kleinere und größere Unternehmen fürchten derzeit um ihre wirtschaftliche Existenz. Diesbezüglich stellen sich viele Betroffene die Frage, wie sie sich nun verhalten müssen.

Grundsätzlich besteht nach § 15a InsO zum Schutz der Gläubiger und des Rechtsverkehrs im Falle von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen. So soll verhindert werden, dass es zu einer Insolvenzverschleppung kommt. Die Einhaltung dieser Pflicht gehört zu den Aufgaben der Geschäftsleitung.

Die Frist zur Stellung des Insolvenzantrags ist denkbar kurz: Er muss ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 3 Wochen nach Eintritt des Insolvenzgrundes gestellt werden. Wird diese Pflicht verletzt, kann das erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zu nennen sind hier Schadensersatzpflichten gegenüber der juristischen Person und ihren Gläubigern sowie strafrechtliche Sanktionen, bis hin zu Freiheitsstrafen.

2. Welche Maßnahmen hat der Gesetzgeber ergriffen?

Um die durch Covid-19 in wirtschaftliche Schieflage geratenen Unternehmen zu unterstützen, wurde eine gesetzliche Änderung im Hinblick auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung für Auszahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife beschlossen. In § 1 des Gesetzes (COVInsAG) heißt es hierzu:

„Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO und nach § 42 Absatz 2 BGB ist bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2 (Covid-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht.“

Das heißt also, dass die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags im Regelfall bis zum 30.09.2020 ausgesetzt wird. Nur wenn die Insolvenzreife auf anderen Gründen als dem Covid-19-Virus beruht, gilt die reguläre Frist.

Auch hinsichtlich der Organhaftung gab es eine Änderung: regulär haftet der Geschäftsführer für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife persönlich. Nach § 2 COVInsAG gibt es jedoch, wenn die Voraussetzung der ausgesetzten Antragspflicht vorliegen, eine Lockerung. So sind Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen – insbesondere solche, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen- als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Damit lösen sie keine Haftung aus. An dieser Stelle ist jedoch Vorsicht geboten. Hier gilt es die jeweilige Zahlung vorher entsprechend zu prüfen.

Im Übrigen wird für während des Aussetzungszeitraums erfolgte Leistungen die Insolvenzanfechtung weitgehend eingeschränkt. Auch die Möglichkeit von Gläubigern, ein Insolvenzverfahren zu erzwingen, unterliegt eingeschränkten Voraussetzungen.

3. Warum sind diese Maßnahmen wichtig?

Bund und Länder bieten Soforthilfen an, jedoch ist nicht sichergestellt, dass diese sofort bei den betroffenen Unternehmen ankommen. Für eine außergewöhnliche Situation wie die derzeitige ist der regulär für den Insolvenzantrag vorgesehene Zeitraum schlicht zu kurz. Um Unternehmen und deren Organe vor irreversiblen Schäden zu schützen und die Folgen der Pandemie abzufedern, wurden die Regelungen geschaffen. Die Vorschriften gelten rückwirkend ab dem 01.03.2020 und zunächst bis zum 30.09.2020.

4. Für wen gelten die Maßnahmen?

Ziel ist es, die durch die Covid-19-Pandemie wirtschaftlich geschädigten Unternehmen zu unterstützen. Bestand also bereits vorher eine wirtschaftlich prekäre Lage, ist das Unternehmen nicht erfasst. Die Vermutung in § 1 der Regelung hilft den Betroffenen hier zwar, jedoch sollten trotzdem alle Auftragsausfälle genau dokumentiert werden. Gerade in Betrieben, die erst aufgrund des Ausfalls eines Zulieferers in Schwierigkeiten geraten, ist dies für spätere Verfahren wichtig.

Außerdem besteht die Aussetzung der Antragspflicht nur für diejenigen Unternehmen, bei denen die Aussicht darauf besteht, die Zahlungsunfähigkeit wieder zu beseitigen.

5. Was genau müssen Betroffene nun tun?

Eine genaue Dokumentation ist hier wichtig. Geschäftsleiter sollten nachweisen können, dass zum 31.12.2019 keine Zahlungsunfähigkeit bestand. Auch sollte nachvollziehbar dargelegt werden können, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen sind. Die Regelung verschafft Betroffenen einen Zeitgewinn, um Sanierungskonzepte zu entwickeln. Diese Zeit sollte unbedingt genutzt werden, um eine geeignete Zukunftsstrategie zu erarbeiten.

RA Tobias Bagusche



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