Abgasskandal – BGH vor wegweisenden Urteil zu Schadenersatz

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Die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Abgasskandal dürfte Mercedes, VW und auch anderen Autobauern gar nicht schmecken. Denn der BGH hat am 8. Mai 2023 zwar noch keine Urteile gefällt, aber angedeutet, dass er Schadenersatzansprüche im Abgasskandal für berechtigt hält – auch beim viel diskutierten Thermofenster. Die Urteile werden am 26. Juni 2023 erwartet (Az.: VIa ZR 335/21 / VIa ZR 533/21 / VIa ZR 1031).


Der Europäische Gerichtshof hatte mit Urteil vom 21. März 2023 deutlich gemacht, dass Fahrlässigkeit der Autohersteller für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal ausreicht (Az. C-100/21). Damit stand die Rechtsprechung des EuGH im Widerspruch zur Auffassung des BGH, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal nur bestehen, wenn den Autoherstellern eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachgewiesen werden kann. Daher war mit Spannung erwartet worden, wie der BGH die Rechtsprechung des EuGH umsetzt. Bei der Verhandlung wurde deutlich, dass sich der BGH der Rechtsprechung des EuGH wohl anschließen wird. „Dann wäre ein großes Hindernis bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen im Abgasskandal aus dem Weg, denn den Autoherstellern müsste nicht mehr nachgewiesen werden, dass sie mit Vorsatz gehandelt haben“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser.

Am BGH ging es am 8. Mai gleich in drei Verfahren um Schadenersatzansprüche im Dieselskandal. Im ersten Fall hatte der Kläger 2017 einen VW Passat als Gebrauchtwagen gekauft (Az.: VIa ZR 335/21). Der Pkw ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 und der Abgasnorm Euro 6 ausgestattet. Der Kläger machte Schadenersatzansprüche geltend, weil in dem Motor unzulässige Abschalteinrichtungen, u.a. in Gestalt eines Thermofensters bei der Abgasreinigung, verwendet werden. Bei einem solchen Thermofenster arbeitet die Abgasreinigung nun in einem festgelegten Korridor vollständig. Liegt die Außentemperatur außerhalb dieses Sektors wird die Abgasreinigung reduziert. Der EuGH hat bereits entschieden, dass solche Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen.

In einem anderen Verfahren ging es um Schadenersatzansprüche bei einem Mercedes C 220 d (Az. VIa ZR 103/22). Der Kläger hatte das Fahrzeug 2017 mit dem Dieselmotor des Typs OM 651 und der Abgasnorm Euro 6 gekauft. Er machte Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen geltend. So kämen u.a. ein Thermofenster und eine sog. Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung zum Einsatz.

Schließlich ging es noch um Schadenersatzansprüche bei einem Audi SQ5 3.0 TDI mit der Abgasnorm Euro 6 und einem 3-Liter-Dieselmotor (Az. VIa ZR 533/21). Der Kläger hatte das Fahrzeug im Mai 2018 gekauft. Der Haken dabei ist, dass das Kraftfahrt-Bundesamt für dieses Modell schon Ende 2017 einen Rückruf angeordnet hatte, weil Audi eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt der sog. Aufheizstrategie verwendet hat, die entfernt werden musste. Dass der Kläger den Audi SQ5 erst nach diesem amtlichen Rückruf gekauft hat, könnte sich nun negativ auf seine Schadenersatzansprüche auswirken.

In den beiden anderen Verfahren deutet vieles darauf hin, dass der BGH Schadenersatz zusprechen wird. „Da die Thermofenster weit verbreitet sind und von vielen Autoherstellen verwendet wurden, werden die Entscheidungen großen Einfluss auf weitere Schadenersatzklagen im Abgasskandal haben – unabhängig davon welcher Autohersteller eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet hat“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser.

Offen ist noch, wie der Schadenersatz konkret aussehen wird. Neben der Rückabwicklung des Kaufvertrags besteht auch die Option, dass die geschädigten Dieselfahrer Anspruch auf den sog. kleinen Schadenersatz haben. Dabei behalten sie ihr Fahrzeug und bekommen den Minderwert, den das Fahrzeug durch die unzulässige Abschalteinrichtung erfahren hat, ersetzt.


Mehr Informationen: Abgasskandal 2023: Schadensersatz erfolgreich durchsetzen (ingogasser.de)




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